Tagebuch einer Ungläubigen – "Katholikentag Leipzig 2016" – Tag 3

Gähnende Leere und kreativer Protest

LEIPZIG. (hpd) Dem Katholikentag in Leipzig fehlen die Besucher, während der Protest gegen das christliche Großevent immer lauter wird. In ihrem Katholikentags-Tagebuch berichtet Daniela Wakonigg von ihren Erlebnissen bei Veranstaltungen vom und gegen den Katholikentag.

Trotz der grünen Schalträger ist es heute wieder erstaunlich leer in der Innenstadt von Leipzig. Ich frage mich, ob Pressevertreter, die von menschengefüllten Straßen schreiben, tatsächlich vor Ort sind. Oder habe ich diese Straßen einfach nur noch nicht gefunden? Ich kann es mir kaum vorstellen, denn auch die Veranstaltungen des Katholikentags selbst scheinen insgesamt nicht stark besucht zu sein. Im Vorbeigehen schnappe ich ein Gespräch auf. Zwei Katholikentagsbesucherinnen unterhalten sich darüber, dass man in Leipzig, ganz anders als beim Katholikentag in Regensburg, für die Veranstaltungen mit den Promis hier ja gar nicht lange anstehen müsse.

Auf dem Plan steht heute eine weitere Veranstaltung aus dem Themenbereich "Leben mit und ohne Gott". Im Oberlichtsaal der Leipziger Stadtbibliothek findet die Podiumsdiskussion "Laizität – Verheißung oder Schreckensbild?" statt. Ein Thema, das nur 35 Katholikentagsbesucher interessiert, die sich in dem großen Saal fast verlieren.

Auf dem Podium – neben zwei VertreterInnen der laizistischen Staaten Frankreich und Türkei – Adrian Gillmann vom Arbeitskreis sozialdemokratischer Laizistinnen und Laizisten. Gillmann führt aus, warum er Laizität, im Gegensatz zu dem in seinen Augen religionsfeindlichen Laizismus, für ein gutes Staatsprinzip hält: weil es allen Weltanschauungen gleichermaßen die Entfaltung sichert.

Gillmanns Gegenspieler ist Christoph Thiele, Leiter der Rechtsabteilung des Kirchenamtes der EKD. Thiele trägt steile Thesen vor. Das aktuelle Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland hält er für das beste mögliche Modell, um Gleichberechtigung für alle Weltanschauungsgemeinschaften zu schaffen. Dass es in Deutschland eine "hinkende Trennung von Staat und Kirche" gibt, hält er für einen überholten Kampfbegriff der Säkularen, da das Bundesverfassungsgericht schon längst klar gestellt habe, dass der Staat eine "fördernde Neutralität" habe. Überhaupt gäbe es bei den Säkularen jede Menge Mythen wie die Tatsache, dass die Bischöfe aus Staatsgeldern finanziert würden. Und im Übrigen seien sowohl Laizismus als auch Laizität das Gegenteil von Religionsfreiheit, sie seien eine Diskriminierung von Religion. Punkt. Belege für seine erstaunlichen Thesen liefert Thiele nicht. Was bedauerlich ist, denn insbesondere, woher seine überraschende Überzeugung zum Thema Bischofsgehälter stammt, hätte mich interessiert. Und übrigens auch, warum so viele Christen den Begriff "aggressive Atheisten" nutzen, aber nur so wenige Atheisten den Begriff "aggressive Christen".

Eine wesentlich besser besuchte Unglaubens-Veranstaltung ist der "Sakri-legere Marsch", der um kurz nach 17:00 Uhr am Connewitzer Kreuz startet. Allerdings hat hierzu auch nicht der Kirchentagsveranstalter eingeladen, sondern "Die Partei", Ortsgruppe Leipzig-Reudnitz. Aus Protest gegen die Subventionierung des Katholikentags mit einer Million Euro aus dem Säckel der hochverschuldeten Stadt Leipzig ziehen im Zeichen eines mannshohen Kreuzes aus Bierkästen rund 150 Demonstranten über die Karl-Liebknecht-Straße Richtung Innenstadt. Mit provokanten Sprechchören kritisieren sie unter anderem die Haltung der katholischen Kirche gegenüber Frauen, Homosexualität und Sinnlichkeit.

Beim soziokulturellen Zentrum naTo verlasse ich den sakri-legeren Protestmarsch, um dem Abendprogramm der Säkularen Tage zu folgen. Heute gibt es einen Vortrag von dem Kirchenfinanzexperten und Politologen Carsten Frerk. Er stellt sein neuestes Buch "Kirchenrepublik Deutschland" vor, in dem es diesmal nicht um die Reichtümer geht, auf denen die Kirchen sitzen, sondern um christlichen Lobbyismus in der deutschen Politik. Frerk stellt dar, wie die Mechanismen des christlichen Lobbyismus funktionieren, wie stark er aufgestellt ist und was er in den vergangenen Jahrzehnten bereits an politischen Entscheidungen bewirkt hat.

Auf Carsten Frerk folgt Gerhard Czermak, ehemaliger Verwaltungsrichter und Autor des Buchs "Religions- und Weltanschauungsrecht". Czermak entführt das Publikum in die Untiefen des Religionsverfassungsrechts. Für Nicht-Juristen keine ganz einfache Materie. Der Vortrag beschäftigt sich unter anderem mit den Regelungen des Grundgesetzes zum Thema Weltanschauungsgemeinschaften, dem Gebot zur weltanschaulichen Neutralität des Staates und den schwerwiegendsten Verstöße gegen dieses Gebot.

Zwei anstrengende aber sehr lehrreiche Vorträge an diesem Abend. Das eigentliche Thema des Abends ist jedoch die heiß diskutierte Frage: Was ist denn jetzt mit Moses – darf er oder darf er nicht in die Innenstadt?

Nach dem zweiten Vortrag gibt es endlich die Antwort: In einem Eilverfahren hat das Oberverwaltungsgericht dem 11. Gebot in der Sache Recht gegeben. Natürlich hat der Katholikentagsveranstalter kein Hausrecht in der Innenstadt und darf die Versammlungsfreiheit nicht willkürlich einschränken. Weil aber in der Genehmigung, die die Stadt Leipzig dem 11. Gebot erteilt hatte, fehlerhafterweise Regelungen zu Sicherheitsmaßnahmen bei der Aktion fehlen und das Gericht im Eilverfahren nicht darüber entscheiden kann, ob eine Sicherheitsgefährdung vorliegt, darf Moses trotzdem nicht in die Innenstadt.

Die Organisatoren des 11. Gebots sind allerdings guter Dinge. Für morgen scheinen sie etwas zu planen. Das könnte interessant werden.