BERLIN. (hpd) Der Deutsche Presserat hat zwei Beschwerden über Artikel abgewiesen, in denen Konfessionsfreie Gegenstand der Berichterstattung waren. Der Sprecher der Humanistischen Alternative Bodensee (HABO), Dennis Riehle, hatte die beiden Berichte zur Prüfung vorgebracht, da er den Redakteuren eine Verletzung ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht vorwarf.
Konkret ging es um den Beitrag "Männlich, über 50, verheiratet, konfessionslos" von SPIEGEL Online vom 31. Januar 2016, in welchem aus einer Studie des "Göttinger Instituts für Demokratieforschung" zitierte.
Riehle, selbst gelernter Journalist, warf den Autoren eine plakative Übernahme von einzelnen Aussagen der Erhebung vor, um damit ein Vorurteile schürendes Bild von einem stereotypen Teilnehmer der sogenannten "Pegida"-Demonstrationen zu zeichnen. Unter anderem konkretisierte Riehle seine Anschuldigung mit der verkürzten Übernahme von Eigenschaften in die Überschrift des Artikels, die dazu in der Lage sei, religionsfreie Menschen als Anhänger der rechtspopulistischen Bewegung zu generalisieren und sie dadurch zu diskriminieren. Riehle hielt dem SPIEGEL vor, Angaben aus der ohnehin wissenschaftlich fragwürdigen Studie unreflektiert übernommen zu haben, ohne dabei nötige Differenzierungen und ursächliche Hinterfragungen der Ergebnisse anzustellen.
Der Presserat dagegen will im Artikel ausreichende "wissenschaftliche Auswertungen" erkannt haben, "die sich auf die Konfession bezogen". Entsprechend sei es "gerechtfertigt, diesen Aspekt in die Überschrift aufzunehmen". Riehle vermag von diesen "Auswertungen" nicht allzu viel erkennen, eine kritische Auseinandersetzung mit den Resultaten der Studie sehe für ihn anders aus. "Überdies rechtfertigt all das keine zusammenhanglose Aneinanderreihung von Prädikaten. Nimmt man die Überschrift des Artikels, so passt sie auf Millionen Deutsche. Und sie werden durch den Titel des SPIEGELS plötzlich alle zu 'Pegida'-Anhängern. Das kann kein seriöser Journalismus sein", meint Riehle.
Auch im zweiten Fall bemängelt der HABO-Sprecher den Presserat: Im Artikel von WELT Online des 22. Februar 2016 mit der Überschrift "Keine Vorbilder, keine Religion – und Angst" hatte die Zeitung das Interview mit Sozialwissenschaftler Frank Richter abgedruckt, der dazu Stellung nahm, wie es zum Fremdenhass in Sachsen kommt. Riehle warf den Redakteuren vor, auch hier einen Titel gewählt zu haben, der Persönlichkeitseigenschaften willkürlich aneinanderreiht – und daraus denjenigen Typus an Mensch abbildet, der Häuser anzündet oder Flüchtlinge angreift. Und wesentliches Merkmal sei dabei wiederum die Konfessionslosigkeit, mit deren missbräuchlicher Verwendung eine ganze soziale Gruppe zu Tätern stigmatisiert werde.
Der Presserat hielt auch hier wiederum entgegen: "Überschriften dürfen plakativ und zusammenfassend sein, solange sie vom Text gedeckt sind". Riehle sieht in der presseethischen Verantwortung allerdings die Freiheit des Journalismus dort begrenzt, wo Titel von Beiträgen irreführend sein oder mehrdeutig verstanden werden können. "Die Überschrift ist der Hingucker eines Artikels. Entsprechend erhält sie die größte Aufmerksamkeit. Und auch wenn die Headline entsprechend kurz sein soll, muss sie als Zusammenfassung des Inhalts sachgerecht formuliert werden. Das wahllose Zusammensuchen von Bausteinen für eine möglichst sensationelle Überschrift hat nichts mit ordentlicher Recherche zu tun."
Vgl. auch:
"Jetzt sind wir also auch noch psychopathisch…" - Scharfe Kritik an FOCUS-Berichterstattung über Atheisten
Atheisten und Psychopathen - Presserat sieht keine Verletzung journalistischer Ethik in Focus-Artikel
8 Kommentare
Kommentare
Stefan Wagner am Permanenter Link
Auf mich treffen 3 der 4 Attribute zu, darunter 'konfessionslos' und es gibt wenig, dem ich ferner stehe, als Pegida.
Ich sehe mich aber nicht verunglimpft - die Beschwerde finde ich überempfindlich.
Paul am Permanenter Link
Bei den Pegida Aufmärschen waren natürlich keine Christen mit dabei, die Kreuzritterflaggen, der German Defence League wurden vermutlich von der "Lügenpresse" in die Filmberichte reinkopiert.
Ulf am Permanenter Link
Vielleicht verwechseln sie aber auch die mitgeführten Flaggen. German Defence League Symbole sind mir pers. nicht aufgefallen, was nicht heißt, dass es sie nicht gab, dafür aber die s.g.
Ich habe mir insgesamt bei meinen Besuchen in Dresden 5 mal Pegida Demonstrationen angeschaut, zuerst um mir eine eigene Meinung zu bilden und nicht von Ferne und ausschliesslich aus Medieninformationen zu urteilen, zweitens weil mich die Zusammensetzung und die mitgeführten Losungen interessierte.
Grüße
R. C. Olwen am Permanenter Link
Ich finde diese Propaganda gefährlich - aus Erfahrung.
(Spiegel macht´s ja nicht zum ersten Mal - von Springerpresse sind wir nichts Besseres gewöhnt)
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Nun, Focus steht der CDU nahe. Sollte man nicht Zusammenhänge mit der CDU/SPD-gewollten mangelnden Ethik/Werteerziehung in Ost und West herstellen?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Vorsicht Sarkasmus !
Im ernst, in der SZ erschien heute ein Artikel, der sinngemäß behauptet, dass mangelnde religiöse Erziehung dazu führe, dass junge Tunesier/innen
besonders anfällig für die Rekrutierung durch den IS seien. Das ist sicher eine Überprüfung wert, ich nehme aber an, dass ein säkularer Ethikunterricht oder vergleichbares auch nicht stattfindet.
Roland Fakler am Permanenter Link
Wenn sich jemand als konfessionslos bezeichnet, verbinden das Leute, die konfessionell gebunden sind und das als die wichtigste Voraussetzung des Menschseins betrachten, mit: Einem Menschen ohne Werte, richtungslos, c
Kay Krause am Permanenter Link
Vielleicht sollte man den Konstrukteuren dieser meinungsformenden Primitiv-Überschriften einmal vor Augen halten, dass der feine Herr Hitler sowie ein Großteil seiner Gesinnungsgenossen ihr Leben lang Mitglied einer c
General Franco war Katholik, Mussolini war Katholik, diverse mordende Diktatoren in Südamerika waren und sind katholisch. Die gesamte mexikanische Drogenmafia geht am Sonntag brav in die Kirche und erbittet (und erhält!) Absolution. Und die Kirche ist auch immer dabei, wenn solche Überschriften formuliert werden und anschließend die Beschwerde beim Presserat als unbegründet abgewiesen wird! Sie (die Kirche) ist eine Krake, die das Land in ihren Saugnäpfen hat.
Wie das katholische Volk wohl empört und geschlossen aufstehen würde,
schriebe ich einen Artikel über einen Amokläufer, mit der Balken-Überschrift: "10 Schulkinder wahllos erschossen! Täter männlich, 50 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder, katholisch" !
Und die Beschwerde dagegen würde vom Deutschen Presserat mit Sicherheit angenommen werden. Amen!