Glosse

Von Flusssegnungen und Wassergeistern

In Bonn wurde wegen Niedrigwassers die alljährliche christliche Segnung des Rheins abgesagt. Hatten heidnische Wassergeister ihre Hand im Spiel?

Manchmal will man es nicht richtig glauben, dass die Welt bereits im 21. Jahrhundert angekommen ist. Wir fliegen in den Weltraum, verpflanzen Organe und schnibbeln am Erbgut herum. Und trotzdem glaubt ein Teil der Menschheit noch immer an magische Zauberkräfte. Nein nein, ich rede nicht von irgendwelchen Schamanenkulten in Regionen, in welche die wissenschaftliche Bildung noch nicht vorgedrungen ist. Ich rede von Deutschland. Genauer gesagt von der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn.

Dort führt die griechisch-orthodoxe Gemeinde seit 1980 im Januar eine Segnung des Rheins durch. Seit 2015 ist bei der Wassersegnerei auch die katholische Kirche mit an Bord. Flusssegnungen haben im orthodoxen Christentum eine lange Tradition und sollen an die Taufe Jesu erinnern. Selbiger soll bei seiner Taufe im Jordan das Wasser des Flusses vom Bösen gereinigt und gleichzeitig mit göttlicher Kraft gesegnet haben. Eine Prozedur, die man heute durch das dreimalige Versenken eines Kreuzes im Wasser des jeweils zu segnenden Flusses nachstellen möchte.

Das christliche Wassersegnungs-Spektakel sollte in Bonn auch in diesem Jahr stattfinden. Zu Segnungszwecken auf den Rhein begeben wollte man sich ausgerechnet an Bord eine Fähre namens "Rheinnixe". Was nicht einer gewissen Komik entbehrt, da Nixen und andere Wassergeister Gestalten des europäischen Volks-Aberglaubens sind – und damit genau jener heidnische Kram, den christliche Priester den Heiden während ihrer Missionierungen jahrhundertelang auszutreiben versuchten.

So ist es denn vielleicht auch kein Wunder, dass die "Rheinnixe" und ihre Naturgeister-Kollegen in diesem Jahr den Kampf um die religiöse Vorherrschaft aufnahmen und der christlichen Flusssegnung einen Strich durch die Rechnung machten. Vater Rhein verweigerte die Zusammenarbeit mit den Christen, indem er sein Wasser zurückhielt. So musste die geplante Flusssegnung am 8. Januar aufgrund eines zu niedrigen Wasserpegels ausfallen. Und das zum ersten Mal in der Geschichte der Bonner Rheinsegnungen.

Müsste ein dem magischen Denken verhafteter Mensch, der an die Kraft von Wassersegnungen glaubt, da nicht eigentlich ins Grübeln kommen? Warum schafft der Christengott es nicht, der "Rheinnixe" ordentlich was unter den Rumpf zu gießen? Muss man angesichts der Geschehnisse nicht sogar davon ausgehen, dass die heidnischen Götter wieder an Kraft gewinnen?

Aber keine Sorge. Dass die Ereignisse jemanden ins Grübeln bringen werden, ist nicht zu erwarten. Denn selbstverständlich sind die christlichen Flusssegnungs-Gläubigen nicht so dumm, an magische Wassergeister zu glauben. Den niedrigen Wasserpegel erklärt man sich mit ganz natürlichen Ursachen. Zu wenig Regen und so. Magisch wird es erst wieder bei der nächsten Wassersegnung. Denn christliche Magie wirkt selbstverständlich. Gar keine Frage.