Die Nähe der Trump-Administration zum evangelikalen Christentum ist kein Geheimnis. Erst Anfang des Monats wurde jedoch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass im Weißen Haus regelmäßig Bibelstunden für hochrangige Mitglieder des Trump-Kabinetts stattfinden. Organisiert werden sie von der Vereinigung Capitol Ministries, die sich die Evangelisierung von politischen Führungskräften zum Ziel gesetzt hat.

Bekannt war es eigentlich schon etwas länger, doch ein Interview mit Capitol Ministries-Gründer Ralph Drollinger mit dem christlichen Fernsehsender CBN (Christian Broadcasting Network) schwemmte es ins öffentliche Bewusstsein: Im Weißen Haus finden Bibelstunden für das Kabinett statt. Durchgeführt werden sie von Capitol Ministries, einer Organisation, die 1997 vom Ex-Basketballspieler Drollinger gegründet wurde und deren erklärtes Ziel die Evangelisierung politischer Führungskräfte ist:

"Mit der Mission, das Evangelium Jesu Christi zu allen politischen Führern der Welt zu bringen, arbeitet CM daran, Bibelstunden in jeder Schicht der Regierung zu etablieren – vom Rathaus zum Gesetzgeber in Washington, D.C., sowie in den Regierungssitzen anderer Staaten."

Laut CBN erteilt Capitol Ministries in den USA Bibelstunden in 40 Staats-Kapitolen, im Repräsentantenhaus sowie im Senat und nun auch wöchentlich "ungefähr einem Dutzend Mitgliedern von Präsident Trumps Kabinett". Unter ihnen befinden sich laut CBN Gesundheitsminister Tom Price, Energieminister Rick Perry, Bildungsministerin Betsy DeVos, Landwirtschaftsminister Sunny Perdue, Justizminister Jeff Sessions und CIA-Direktor Mike Pompeo.

Die größte nordamerikanische Freidenker-Vereinigung Freedom From Religion Foundation (FFRF) äußerte sich empört über die Bibelstunden auf höchster Ebene.

"Jede Woche verschwenden diese gottesfürchtigen Politiker ihre Zeit – Ihre Zeit, liebe Steuerzahler – um ein Buch zu lesen, das Kinder als Menschenopfer, Sklaverei, Frauenfeindlichkeit und die Unterwerfung von Frauen, Völkermord und ewige Folter für die, die an etwas anderes glauben, gutheißt. Wenn es jemals ein Buch gab, dem Regierungsmitarbeiter nicht folgen sollten, so ist es die Bibel."

Besonders empörend ist es für die amerikanischen Freidenker, dass die Bibelstunden von Ralph Drollinger geleitet werden, der laut FFRF Homosexuelle ebenso zu Sündern erklärt wie arbeitende Mütter, den Umweltschutz für eine Konkurrenzreligion des Christentums hält, einen menschengemachten Klimawandel angesichts der Allmacht Gottes für unmöglich und Sozialhilfe für unbiblisch hält.

"Dass Drollinger uneingeschränkten Zugang zu den höchsten Ebenen unserer Regierung hat, ist beängstigend und lässt ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Kirche wach werden. (…) All diese Botschaften haben eine direkte Wirkung auf die Politik, auf  LGBTQ-Rechte, Frauen-Rechte, das soziale Sicherungsnetz, (…), Umweltthemen und den Klimawandel. Dieser Zugang und die Möglichkeit, hierdurch Politik zu beeinflussen, steht möglicherweise in Konflikt mit den Regulationen zur Lobbyarbeit. Die FFRF-Anwälte prüfen das aktuell."

Währenddessen genießt Drollinger weiterhin seinen unbeschränkten Zugang zur Macht und zu seinen hochrangigen Schäfchen, die er im CBN-Interview ausdrücklich lobte:

"Das sind die besten Bibelstunden, die ich in meinem Leben je unterrichtet habe. Sie sind so gelehrig; sie sind so edel; sie sind so fachkundig".

Präsident Donald Trump hat laut Drollinger noch nicht an den Bibelstunden teilgenommen. Er wird jedoch zu jeder Stunde eingeladen und erhält jede Woche eine Kopie von Drollingers Bibelunterricht.