Israel und die USA

Christlicher Zionismus – stellvertretend auserwählt

Seit es Israel gibt, kann es sich auf die Vereinigten Staaten verlassen. Das Land, dessen Soldaten den Nationalsozialismus besiegten und dem Holocaust ein Ende setzten, ist jederzeit zur Stelle, wenn es um das Existenzrecht Israels geht. Doch die Begründung dahinter kann in Teilen nur als gruselig bezeichnet werden.

Zum Hintergrund: der Jerusalem Embassy Act, den der US-Kongress bereits im Oktober 1995 verabschiedete, sieht vor, dass Jerusalem eine ungeteilte Stadt bleiben solle, und dass die US-Botschaft spätestens bis zum 31. Mai 1999 von Tel Aviv nach Jerusalem versetzt werden solle. Warum das erst jetzt geschehen ist? Seit 1998 haben Trumps Vorgänger Clinton, Bush und Obama im Halbjahrestakt eine vorformulierte Verzichtserklärung unterzeichnet, die den Umzug nach Jerusalem um jeweils sechs Monate aufschiebt – immer mit der Begründung, dass ein Umzug die nationale Sicherheit gefährde. Eine solche Unterzeichnung geschah zum letzten Mal im Dezember 2017 durch Donald Trump. Im Februar 2018 kündigt er jedoch an, die US-Botschaft nach Jerusalem umzusiedeln.

Wenngleich die Evangelikalen im Senat und im Kongress in der Minderzahl sind, haben sie dank Vizepräsident Mike Pence (selbst Evangelikaler) erheblichen Einfluss auf die Politik des Weißen Hauses. Die New York Times zitiert den Southern-Baptist-Pfarrer Johnnie Moore mit den Worten:

"Die Türen dieses Weißen Hauses sind weit offen für Evangelikale. Nicht Evangelikale haben versucht, in das Weiße Haus zu gelangen, das Weiße Haus hat sie eingeladen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht ein Dutzend evangelikale Führer wegen irgendwas im Weißen Haus wären."

Wer sind nun die Evangelikalen? Grundsätzlich können sie Mitglied einer jeglichen protestantischen Strömung in den USA sein, solange sie glauben, dass man als Christ im Rahmen eines Zeremoniells wiedergeboren werden müsse. Etwa 26 Prozent der US-Bevölkerung sehen sich als Evangelikale. Kerninhalte evangelischer Weltanschauung sind eine Ablehnung der Abtreibung, der Evolution, der Homosexualität und des säkularen Staates. Sie sehen die USA als eine betont christliche Nation. Für den Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem musste Trump weder den Kongress noch den Senat überzeugen; er hielt die vorgespannte Feder bereits in der Hand und musste sie auf Bitten der Evangelikalen nur loslassen.

In theologischer Hinsicht sticht ein besonderes Merkmal der Evangelikalen heraus: sie betrachten Juden als das auserwählte Volk der Bibel und sehen es als göttliches Gebot an, dass das Heilige Land Juden gehört. Der moderne Staat Israel ist damit auch die Erfüllung einer Prophezeiung. Hinsichtlich des Umzugs der US-Botschaft nach Jerusalem zitiert Vice News die Pastorin Paula White vom New Destiny Christian Center: "Die Evangelikalen sind in Extase, denn Israel ist für uns ein heiliger Ort, und das jüdische Volk ist unser bester Freund."

Der amerikanische Pastor John Hagee, Gründer der Organisation Christians United for Israel, fasst die Weltgeschichte wie folgt zusammen: "Die Nationen, die Israel segneten, waren gesegnet von Gott, und die Israel verfluchten, waren von Gott verflucht."

Es ist ein gewisser Neid, der hier mitzuschwingen scheint. Wenn man selbst schon nicht auserwählt ist, so kann man sich wenigstens den wahren Auserwählten anbiedern. Doch die Sache hat noch eine eigennützige und sehr düstere Seite. So zitiert die Haaretz die eher moderate Christin und Historikerin Diana Butler Bass: "Von allen theologischen Signalen seiner Politik an die evangelikale Basis ist [der Umzug nach Jerusalem] das größte. (…) Sie haben darauf gewartet, dafür gebetet. Sie wollen Krieg im Nahen Osten. (…) Für diese wahren Gläubigen ist die Jerusalem-Ankündigung die Erfüllung biblischer Prophezeiung. Trump handelt nicht nur gemäß seinem Wahlkampfversprechen, er führt ein theologisches Versprechen aus. Sie glauben, Trump sei Gottes Instrument, um uns näher an die Entrückung, das Gericht und das Ende zu bringen. Denn für sie ist das erst der Anfang – der Anfang ihrer Belohnung und der himmlischen Wonne."

Die Evangelikalen der USA organisieren Reisen ins Heilige Land, wo Busse die Besucher in jüdische Siedlungen des Westjordanlands bringen. Am Berg Megiddo, von dem sich der Begriff Armageddon ableitet, malen sie sich militärische Phantastereien aus, gefolgt vom göttlichen Eingreifen Jesu persönlich.

Der Islamische Staat träumte davon, die Heere der "Kreuzritter" im syrischen Dabiq zu besiegen und damit die Endzeit einzuleiten, in der alle Menschen von Allah bewertet und sortiert werden. Die Evangelikalen in den USA träumen davon, den Tempelberg wieder vollständig in Besitz zu nehmen, da sonst die Entrückung nicht stattfinden kann, in deren Verlauf den Menschen dasselbe widerfahren wird. Was ihre Hingabe an die theologische Sache und ihr völliges Desinteresse an menschlichem Wohlergehen betrifft, so nehmen sich beide nicht viel. Der Unterschied: die Evangelikalen haben die Macht, auf den Präsidenten der USA einzuwirken, der die stärkste Armee der Welt befehligt und jederzeit Atomwaffen einsetzen kann. Versuchen wir uns vorzustellen, was ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nach sich ziehen würde: Mike Pence würde Präsident der Vereinigten Staaten. Dann hätte er diese Mittel in der Hand.

In der Pascalschen Wette wird argumentiert, man solle besser an Gott glauben, weil man die Hölle ja unbedingt vermeiden muss. Es braucht jedoch keine eponyme Wette um zu erkennen, dass ein Atompilz für einen Evangelikalen genau jene verheißungsvolle Endgültigkeit hat, von der er den ganzen Tag träumt, da er sich persönlich auf der sicheren Seite weiß.