Homöopathie plus Katholizismus

Bund Katholischer Ärzte – Homosexualität als ärztlicher Behandlungsfall?

Wie reagiert man, wenn man erfährt, dass ein approbierter Arzt eine nicht vorhandene Krankheit mit einem unwirksamen Mittel behandelt? Man wird den Kopf schütteln. Wie aber sieht es aus, wenn man zusätzlich erfährt, dass es um einen Arzt geht, der im Rahmen eines "Bundes katholischer Ärzte" offen eine Therapie "gegen Homosexualität" mittels Homöopathie (plus Psychotherapie und religiösem Beistand) propagiert? Das Kopfschütteln verwandelt sich wohl in mehr oder weniger entsetzte Ungläubigkeit.

Der Bund katholischer Ärzte (BKÄ) mit seinem "Arbeitskreis Homosexualität", vor allem dessen "Frontmann" Dr. Gero Winkelmann, geht derzeit durch die sozialen Medien, auch die pharmazeutische Fachpresse berichtete inzwischen.

Die "Historie"

Öffentlich aktiv in Sachen Homosexualität ist der Bund katholischer Ärzte über seinen "Arbeitskreis Homosexualität" seit 2011. Angeblich aufgrund zahlreicher Hilfsanfragen aus dem In- und Ausland habe man seinerzeit einen "Arbeitskreis Homosexualität" gegründet. Im gleichen Jahr richtete der damalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck eine Beschwerde an den Präsidenten der Bundesärztekammer, der sich daraufhin auch deutlich vom BKÄ distanzierte. Dies führte zu einer ausgesprochen scharfen Replik des BKÄ gegenüber Ärztekammerpräsident Montgomery, einschließlich des Vorwurfs der "Unkollegialität" und der üblichen Apologie: Man offeriere lediglich Hilfsangebote und habe nie behauptet, Homosexualität sei eine "Krankheit". Das Portal kath.net nahm diese Replik zum Anlass einer Berichterstattung, bei der es dem Bundesärztekammerpräsidenten im Teaser vorhielt, er "stelle sich auf die Seite von Beck und verurteile den BKÄ mit falscher Behauptung". Nun, ob die Behauptung so falsch war, werden wir noch sehen.

Der BKÄ machte erstmals breiter auf sich aufmerksam, als er beim Katholischen Kirchentag in Mannheim 2012 mit einem Infostand vertreten war und Flyer mit seinen "Informationen" verteilte. Ob Zufall oder nicht – dies geschah einigermaßen symbolträchtig genau am 17. Mai 2012, damals dem Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie. Der Kirchentagsveranstalter distanzierte sich im Nachhinein.

Die Position des BKÄ

Der BKÄ erklärt, Homosexualität seine "keine Krankheit im Sinne der ICD-Klassifikation". Nun, das ist keine Position, sondern eine Binsenweisheit: 1990 (sehr, sehr spät) hat die WHO die Homosexualität aus dem ICD-Katalog (der International Classification of Diseases) gestrichen.

Letztlich scheint es daher zwar müßig, sich an der Frage abzuarbeiten, ob der BKÄ denn nun Homosexualität als Krankheit "bezeichnet" oder nicht. Man braucht nur einmal die wirre These zu bewerten, Auslöser für Homosexualität könnten epigenetische Vererbungen aufgrund von syphilitischen oder tuberkulösen Erkrankungen in der Ahnenreihe sein. Auch ist der BKÄ explizit der Ansicht, es handele sich um eine "therapiefähige psychische Störung" – was also anderes als eine Krankheit? Und man darf auch die Frage stellen, was ein Hilfsangebot einer Ärztevereinigung denn anderes sein soll als Behandlung von Dingen mit Krankheitswert? Zumal Angebote von Behandlungen mit Homöopathie und Psychotherapie? Je mehr man in die Webseite des BKÄ einsteigt, umso mehr festigt sich die Überzeugung, dass dort ein moralischer Kreuzzug unter dem Deckmantel ärztlicher Sorge und Fürsorge unter Missbrauch medizinischer und ärztlicher Kategorien stattfindet. Und ja – man muss nur lange genug lesen, um z. B. zu erfahren, dass Dr. Winkelmann die Positionen des Weltärztebundes und des Präsidenten der Bundesärztekammer zur Homosexualität durchaus nicht zu teilen gewillt ist.

Bei der Suche nach einer Motivation all dessen wird man jedoch schnell fündig.

Denn ohne Umschweife bringt der BKÄ vor, dass Homosexualität von ihm als "sittliches Fehlverhalten" bewertet wird, als "durch die Heilige Schrift und Lehre der Kirche sittlich nicht erlaubt" – mit der ganzen Palette des "Unnatürlichen", der "Verführung anderer", der Beschädigung von Ehe und Familie und so weiter. "Mitleid" und "Verständnis" für die von Homosexualität "Betroffenen" (also Abwertung unter der Flagge der Nächstenliebe) darf da natürlich nicht fehlen – in völliger Deckung mit der Position der römisch-katholischen Kirche. Nämlich mit dem Abschnitt 2358 des Katholischen Katechismus, der ausführt, Homosexuelle "haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen."

"Behandlung"

Entscheidend ist letztlich, dass die "Behandlungsangebote" auf Homosexualität als solche abzielen und es nicht beispielsweise um Beratung und Prävention von Geschlechtskrankheiten oder vorurteilslose Psychohygiene geht. Und tatsächlich findet sich in einer von Dr. Gero Winkelmann unterzeichneten Erklärung aus dem Jahr 2013 auch der Satz, "Homosexualität sei keinesfalls nur eine 'harmlose Neigung' und ärztliche Hilfe könne auch bei 'Nicht-Krankheiten' angezeigt sein". Eine legitime ärztliche Position? Wohl kaum.

Was wir hier sehen, ist nichts anderes der Missbrauch ärztlicher Autorität für Positionen, denen weder Intersubjektivität noch wissenschaftliche Begründung zugesprochen werden kann. Nichts anderes als Ausgrenzung, Diskriminierung und Abwertung sexueller Orientierungen unter dem Deckmantel ärztlicher "Fürsorge". Eine Perversion der hohen Güter von ärztlicher Therapiefreiheit und Patientenautonomie. Überdeutlich wird vor Augen geführt, warum und wie sehr rationales und wissenschaftliches Denken in intersubjektiven Kriterien ein humanistisches Anliegen ist.

Homöopathische Therapie

Und wäre all das noch nicht genug, soll hier auch noch mit der unwissenschaftlichen, nachweislich unwirksamen Methode der Homöopathie "therapiert" werden. Winkelmann betreibt selbst eine Privatpraxis für Homöopathie und verfügt offensichtlich (wie so mancher Homöopath) über ein persönliches eklektizistisches System homöopathischer "Behandlungsansätze", das wohl nicht einmal innerhalb des homöopathischen Gedankengebäudes Schlüssigkeit beanspruchen kann.

Von der nie nachgewiesenen Wirksamkeit der Homöopathie als Arzneimittelmethode ganz abgesehen: Man bedenke, dass nach der homöopathischen Lehre die Zuordnung der Mittel zum Krankheitsbild durch die "homöopathische Arzneimittelprüfung" gefunden wird (werden soll). Will Herr Winkelmann uns nun ernsthaft darlegen, seine Mittel – dem Vernehmen nach Sulfur (ein sogenanntes Polycrest, in der Homöopathie so etwas wie ein Universalmittel) und einige Nosoden (aus pathologischem Material wie Blut, Eiter oder entartetem Zellmaterial aufbereitete homöopathische Mittel) – hätten eine solche Arzneimittelprüfung durchlaufen? Und zwar mit dem Ergebnis, dass die bis dahin gesunden Probanden infolge der Arzneimittelprüfung Homosexualität entwickelt hätten? Das ist ersichtlich völliger Unsinn. Aber ohne Arzneimittelprüfung – kein homöopathisches Mittel. Für Herrn Winkelmann bliebe, bewahrt man die Contenance, allenfalls die Einordnung als Polypragmatiker, also eines Homöopathen, der von keinem Zweifel an der Methode angekränkelt schlicht alles für möglich hält ... und versichert, in den meisten Fällen genüge die "homöopathische Behandlung", um den Patienten zu kurieren. Von der "Behandlung" zu kurieren, das mag sein.

Zwei Glaubenssysteme jenseits der Rationalität gehen eine unheilige Allianz ein: Religiös motivierte Homophobie und im Vorwissenschaftlichen wurzelnde Homöopathie. Ist dies verwunderlich? Angesichts der Schnittmengen beider Systeme im Irrationalen im Grunde nicht. Die Kernfrage aber drängt sich auf: Ist bei so etwas, propagiert in voller Überzeugung und praktisch angewandt durch einen approbierten Arzt, für den selbst der Weltärztebund keine anerkennenswerte Autorität darstellt, nicht jede Grenze überschritten? Sind hier nicht grundsätzliche Fragen des ärztlichen Ethos berührt, die die Standesvertretungen jenseits aller Formalien auf den Plan rufen müssten? Soweit bekannt, hat es bislang keine standesrechtlichen Maßnahmen gegen den BKÄ und seinen Proponenten gegeben. Und wo bleibt die Distanzierung des Zentralvereins homöopathischer Ärzte, dem selbsternannten Wahrer und Hüter der Patientensicherheit, dem das Treiben des BKÄ und seines Frontmannes wohl kaum über die Jahre verborgen geblieben sein dürfte? Nein, die gibt es nicht. Und die wird auch nicht kommen. Denn das Wort "Homöopathie" ist für die Anhänger der Methode ein Zauberwort: Es immunisiert und legalisiert – offenbar einfach alles.


Auszüge aus dem vom Weltärztebund verabschiedeten und inzwischen allgemein gültigen "Genfer Gelöbnis" für die Angehörigen des ärztlichen Standes:

Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.

Ich werde meinen Beruf nach bestem Wissen und Gewissen, mit Würde und im Einklang mit guter medizinischer Praxis ausüben.

Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.