Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner wurde letzte Woche zur Zahlung von 4.088,34 Euro verurteilt. Das entspricht den Kosten, die bei Reinigung und Reparatur des Jodl-Grabes entstanden. Das Landgericht München I fällte ein Endurteil, gegen das keine Revision mehr eingelegt werden kann. Kastner will aber noch nicht aufgeben, sondern Verfassungsbeschwerde einreichen.
Alfred Jodl war ab 1944 Generaloberst und Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht. Bei den Nürnberger Prozessen wurde er als Hauptkriegsverbrecher verurteilt und hingerichtet. Um zu verhindern, dass sein Grab zum Pilgerort für Neonazis wird, verstreute man seine Asche in der Isar. Auf der Fraueninsel im Chiemsee befindet sich das Grab der Familie Jodl, in dem die beiden Ehefrauen des Nazigranden beerdigt sind – auch an ihn wird dort mit einem großen Travertin-Kreuz in der Mitte der Grabsteine seiner Gattinnen erinnert, ohne dass er selbst dort bestattet ist. Ein Hinweis auf seine Taten findet sich nicht. Eine Schande, findet Wolfram Kastner, Aktionskünstler aus München. Das Jodl-Denkmal sei eine Verhöhnung derer, die unter dem grausamen Verbrechersystem der Nazis ermordet wurden. Ein Versuch, über den Bürgermeister der Gemeinde Chiemsee eine Entfernung des Gedenksteins zu erreichen, blieb jedoch erfolglos. Um die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, wem dort unscheinbar und kritiklos inmitten anderer Familiengräber gedacht wird, machte Kastner das Grab daraufhin zum Schauplatz von insgesamt vier Kunstaktionen.
Bei der ersten, im Mai 2015, klebte er ein Schild auf das Steinkreuz. Darauf war zu lesen: "Keine Ehre dem Kriegsverbrecher! Alfred Jodl wurde im Nürnberger Prozess 1946 als Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet." Im August dann brach er das "J" des Namens Jodl aus der Inschrift, sodass nur noch "Odl" auf dem Gedenkstein zu lesen war – im süddeutschen Raum ein Begriff für Jauche, die ja auch eine braune Farbe hat, so der verbindende Gedanke. Das übrige "J" schickte Kastner an das Deutsche Historische Museum in Berlin. Per E-Mail forderte er den Eigentümer der Grabstätte auf, entweder die auf den Kriegsverbrecher verweisende Inschrift zu entfernen (Namen und Lebensdaten sowie sein militärischer Dienstgrad und ein Eisernes Kreuz) oder einen Hinweis auf dessen Taten dort anzubringen. Andernfalls kündigte der Künstler weitere Aktionen an, die dann auch im Juli und September 2016 folgten: Einmal beschmierte er den Stein großflächig mit blutroter Farbe, das andere Mal schrieb er ebenfalls in rot das Wort "Kriegsverbrecher" darauf. NPD-Anhänger versuchten, im Rahmen einer gemeinschaftlichen Reinigungsaktion die Farbe zu entfernen, was ihnen offenbar nur bedingt gelang.
Der Grabeigentümer ließ die Grabstätte schließlich aufwändig säubern und den fehlenden Buchstaben wieder anbringen. Die dabei entstandenen Kosten wollte der Jodl-Erbe ersetzt haben und erstattete Anzeige gegen Kastner. Dieser plädierte auf künstlerische Freiheit, die er an einem "illegalen Gedenkkreuz" ausgeübt habe, um die Öffentlichkeit auf eine "untragbare Situation" hinzuweisen. Durch die Übernahme der Kosten solle er sich an der Aufrechterhaltung einer Volksverhetzung beteiligen, so sieht es der Künstler. Seine Einwände lehnte das Gericht jedoch ab – es handle sich bei den Aktionen um widerrechtliche und vorsätzliche Eigentumsverletzungen. Den Tatvorwurf der Volksverhetzung sieht der Vorsitzende Richter Andreas Pollinger nicht erfüllt. Und selbst wenn, rechtfertige das Kastners eigenmächtiges Eingreifen nicht. Das Gericht verweist auf das Gewaltmonopol des Staates.
"Offenbar sind die deutschen Richter der Auffassung, dass Eigentum über allem steht und sind wohl der Meinung, dass auch ein Ehrenkreuz für einen Kriegsverbrecher dem Allgemeinwohl dient", so kommentiert Wolfram Kastner das Urteil gegenüber dem hpd. Im Grundgesetz heißt es in Artikel 14: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." "Entweder ist das ein Irrtum oder eine rechte Gesinnung. Mit solchen Richtern kann man jeden Staat machen, da muss man etwas dagegen tun." Und das will der Aktionskünstler auch weiterhin – er will beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision einreichen. "Ich möchte in einem Land leben, wo Freiheit, Demokratie und Menschenrechte weiterentwickelt werden und nicht Naziverbrecher geehrt werden", sagt Kastner. Er habe die Kriegsfolgen als kleines Kind erlebt, so etwas solle nicht noch einmal passieren. Er wolle sich für eine bessere Zukunft einsetzen.
Diesen Herbst hat jemand eine Thuja vor den Stein des Anstoßes gepflanzt, wie Wolfram Kastner feststellte, welche die Inschrift verdeckt. So soll wohl zukünftigem Ärger aus dem Weg gegangen werden.
15 Kommentare
Kommentare
Werner Rupp am Permanenter Link
So sind nun einmal die Atheisten, "Humanisten" und "Aktionskünstler".
Nicht einmal die Toten können sie in Ruhe lassen. Sie müssen sogar
deren Gräber schänden.
Werner Rupp
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Einen Millionenfachen Mörder zu Ehren ist wohl in Ordnung, Atheisten und Humanisten kennen keinen Hass, aber jemanden zu ehren der aus Hass millionenfach getötet hat ein
Kay Krause am Permanenter Link
Vergessen Sie's, Gerhard Baierlein: "Braune" kennen nur Parolen, sind Argumenten gegenüber unzugänglich!
Claudia Goldner am Permanenter Link
Das Jodl-Ehrenmal ist kein Grab: es ist ein sogenanntes Kenotaph, in dem nichts von Jodls sterblichen Überresten enthalten ist.
Würden Sie ähnlich argumentieren, wenn es um ein Ehrenmal für Hitler, Göring oder Göbbels ginge, das da irgendwo auf einem Friedhof stünde? Oder geht's Ihnen in Ihrem Kommentar ohnehin nur drum, Atheisten und Humanisten blöd anzumachen (wie Sie das in fast all Ihren Kommentaren auf hpd tun)?
Frank am Permanenter Link
Wenn Sachbeschädigung als legitimer politischer Protest gilt, dann könnten sich viele Protestler auf diesen Künstler berufen und ihre politische Meinung durch Sachbeschädigung zum Ausdruck bringen.
"Würden Sie ähnlich argumentieren, wenn es um ein Ehrenmal für Hitler, Göring oder Göbbels ginge, das da irgendwo auf einem Friedhof stünde?"
Mich würde es nicht stören, wenn irgendwo ein Ehrenmal für Hitler, Göring oder Goebbls stünde, obwohl so etwas in Deutschland unmöglich umzusetzen wäre. Mich stört es persönlich, dass in Ostdeutschland die Rote Armee mit Ehrendenkmälern geehrt werden. Die Rote Armee beging schwere Kriegsverbrechen und war Teil es eines Staates in dem Massenmord Teil der Politik war. Ich würde die Denkmäler nicht mit roter Farbe übersprühen, denn mich würden die Gerichte zur Rechenschaft ziehen.
Peter S. am Permanenter Link
Verstehe ich das richtig? Ein Ehrenmal für Hitler/Göring/Goebbels würde Sie nicht stören, eins für die Rote Armee aber schon? Wow.
Abgesehen davon: Ich wusste nicht, dass gegen Nazis und Massenmörder zu sein direkt links ist. Das betonen Konservative doch auch so gerne.
Frank am Permanenter Link
Ich schrieb nur es stört mich, aber ich persönlich wäre zufrieden wenn neben jeden Ehrenmal der Roten Armee ein Museum stünde, welches die Verbrechen der Roten Armee und der Sowjetunion und deren Zusammenarbeit mit de
Frank am Permanenter Link
Das ist Sachbeschädigung und sollte nicht befürwortet werden, auch wenn es um die Gräber der Frauen eines Kriegsverbrechers handelt.
Kay Krause am Permanenter Link
Lieber Herr Frank! Es wäre wohl angebracht, Ihr Argument den Herrschaften mit zuteilen, die Asylantenheime anzünden, Juden und Kriegsflüchtlinge auf der Straße tyrannisieren
David Zahn am Permanenter Link
Fail. Klassisches Whataboutism Argument. Haben Sie ein Problem damit, ein politische Anliegen, wie von Frank vorgeschlagen, zivilisiert vorzutragen?
Martin Mair am Permanenter Link
Man kann auch ohne Sachbeschädigung das "Denkmal" umfunktionieren! Allerdings berichtet vermutlich dann keine Zeitung darüber ...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich vermute, dass das BVerfG die Beschwerde abschlägig bescheiden bzw. gar nicht erst annehmen wird. Auf jeden Fall würde ich die Zahlung verweigern.
Mister X am Permanenter Link
Das ist nunmal Sachbeschädigung, künstlerische Freiheit wäre, wenn er sein eigenes Haus/Auto mit Farbe veschmiert.
Thomas Baader am Permanenter Link
Das Urteil ist nicht zu beanstanden. Das diese Haltung KEINE Verharmlosung des Dritten Reiches ist, versteht der Künstler offenbar nicht.
Markus am Permanenter Link
Alfred Jodl ist einer der Mitunterzeichner der Kapitulation und hat bei dieser darum gebeten, das deutsche Volk zu schonen, das während der Kriegsjahre ebenfalls gelitten hat.
Ich schätze ja Kastners Einsatz gegen Kriegsverherrlichung, wie sie bei den Inschriften mancher Soldatendenkmäler zu Tage tritt, aber die Schändung des Grabes eines konkreten Menschen als AKtionsform halte ich für verfehlt und taktlos, da es auch den persönlichen Bereich weiterer Menschen berührt. Ob sich der Leichnam des treffenden in dem Grab befindet oder nicht, ist dabei unerheblich.
Es ist auch etwas feige, sich an Toten abzuarbeiten, wo so viele noch lebende Kriegsverbrecher völlig unbehelligt unter uns weilen. Erinnert sei an Oberst Klein, mittlerweile mit Wissen und Segen unserer Regierung befördert. Klein hatte vorsätzlich Dutzende Zivilisten in Afghanistan bombadieren und damit ermorden lassen. Die Jägerpiloten wiesen auf die Zivilisten um die Tanklastwagen hin und schlugen vor, diese zuerst mit Warnschüsse zu vertreiben. Klein ordnete ausdrücklich an, ohne Vorwarnung den Angriff zu starten, um etwaige Terroristen damit auch treffen zu können.
Ebenso dürfen sich all die Folterknechte von Guantanamo, Abu Graib, sowie alle Drohnenpiloten, die in Afghanistan und Pakistan und wer weiß wo noch überall gezielt Menschen ermordeten und ermorden frei in Deutschland bewegen, wenn sie es besuchen. In Deutschland herrscht eine monströse Gesetzlosigkeit, da gäbe es definitiv wichtigeres zu tun, als die Rechtmäßigkeit eines 70 Jahre alten Grabsteins anzufechten.
PS: Mit George W. Bush ist kürzlich ein weiterer Kriegsverbrecher abgetreten, der noch nicht mal als solcher verurteilt ist. Meines Wissens hat er ein wesentlich pompöseres Ehrengrab. Sollte Herr Kastner nicht mal in die USA fliegen und mit roter Farbe und Steinhammer und Tafeln gerüstet auf dieses Schandmal hinweisen?