Die Geschichte des Christentums ist voller Geheimnisse. Dazu gehört auch der Ursprung der Weltreligion. Nimmt man das Alte Testament zum Nennwert, scheint die Sache klar: Die Genesis suggeriert, dass Gott nicht nur den Menschen erschaffen hat, sondern auch die Erde. Und wohl das ganze Universum.
Das wirft die spannende Frage auf: Welcher Gott war da am Werk?
Manche Christen mögen die Frage als Provokation empfinden. Für sie ist klar: Es war natürlich unser Gott, der christliche. Doch da taucht das nächste Problem auf: die Zeitrechnung. Wann hat Gott die Welt erschaffen?
Fragt man Archäologen und Geologen, so lautet die Antwort: Vor mehreren Milliarden Jahren. Doch so weit geht die christliche Zeitrechnung wohl nicht zurück, wie das Alte Testament erahnen lässt. Denn Gott hat schließlich schon bald Adam und Eva auftreten lassen, um ein Gegenüber zu haben.
Dogmatische Christen errechnen anhand der Bibel, dass die Modellierung von Adam und Eva etwa 4.000 bis 8.000 Jahre vor Christus zurückliegen muss. Das führt uns zur nächsten Frage: Wenn dieser Gott der christliche ist, warum beteten unsere Urahnen Sonne, Mond und Sterne an? Oder: Warum glaubten sie nicht an ihren Schöpfer?
Weil sie ihn nicht kannten, würden Christen sagen. Deshalb schickte Gott schließlich seinen Sohn auf die Erde, um die Menschen auf den richtigen religiösen Pfad zu führen. Dass er aber schon als junger Mann ermordet wurde, ist eine weitere Besonderheit der Geschichte des Christentums.
Der Missionserfolg, die Menschheit auf den Schöpfer aufmerksam zu machen, blieb sehr bescheiden. Jesus war mit ein paar Gefolgsmännern durchs Land gezogen, ohne tiefe Spuren zu hinterlassen.
Den Erfolg verdankten die Urchristen einem Ungläubigen
Dass sein Glaube schließlich zur größten Weltreligion werden sollte, hat weder mit Jesus noch seinen Aposteln oder den Evangelisten zu tun. Verantwortlich dafür war ein ungläubiger Politiker, der mit der christlichen Heilslehre nichts am Hut hatte. Aus Sicht der Urchristen war er ein Heide. Sein Name: Konstantin.
Wie kam es zu diesem weiteren Paradoxon? Wir wissen es nicht. Sicher ist aber, dass der römische Kaiser zum Geburtshelfer des Christentums wurde. Als er im Jahr 306 den Thron bestieg und sein Reich mit kriegerischen Mitteln ausbaute, war es ein Flickenteppich an Religionen und Heilslehren. Die Auswahl reichte vom Isikult über den Mitraskult zum Zoroastrismus und Judentum. Manche Völker beteten die römischen und hellenistischen Götter an.
Ohne den Kaiser wäre das Christentum wohl untergegangen
Doch Konstantin wählte keine der großen Glaubensgemeinschaften, sondern überraschend die kleine Gruppe um den essenischen Wanderpredigers Jesus. Der Kaiser erhob seine Heilslehre zur Staatsreligion. Das war die Geburtsstunde des Christentums als Weltreligion.
Was Konstantin dazu bewogen hatte, ist nicht überliefert. Vielleicht war ihm die Idee des Monotheismus sympathisch. Vielleicht kannte er eine besonders hübsche Frau, die Christin war. Vielleicht wählte er bewusst eine wenig bekannte Gemeinschaft, um keine Glaubenskonflikte in seinem Reich zu provozieren.
Ohne Konstantin wäre die kleine esoterische Sekte der Urchristen in der Versenkung gelandet. Wie unzählige andere in der Geschichte der Menschheit.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.
10 Kommentare
Kommentare
J. W. Konrad am Permanenter Link
Der Artikel enthält viel Richtiges, aber auch einen gravierenden Fehler. Kaiser Konstantin hat das Christentum nicht zur Staatsreligion im Römischen Reich erhoben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Bergmeiers grundlegendes Buch ist "Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums. Die Legende vom ersten christlichen Kaiser"; muss man wissen.
A.S. am Permanenter Link
1. Leseempfehlung für Herrn Hugo Stamm: Rolf Bergmeier, "Machtkampf. Die Geburt der Staatskirche".
2. Konstantin war zunächst einmal Heerführer. Seinen Soldaten das Vorbild Jesu anzuempfehlen, der "gehorsam bis zum Tod" der christlichen Lehre nach mit Auferstehung und ewigem Leben belohnt wurde, macht in meinen Augen militärisch Sinn.
Die Soldaten der Antike wurden mit regelmäßigem Sold und unregelmäßiger Kriegsbeute entlohnt.Das Christentum bot die Möglichkeit, den Soldaten zusätzlich einen fiktiven Lohn im christlichen Himmelreich anzubieten, sofern sie gehorsam bis zum Tod und für das Christentum kämpfen.
Das menschenmordende Kriegshandwerk ließ sich so religiös veredeln. Aus kriminellen Schlächtern wurden Kämpfer für Gott.
Dem Frieden auf Erden hat das nichts genutzt, ganz im Gegenteil.
Werner Helbling am Permanenter Link
Dieser Jesus hat keinen einzigen wirklichen «Fussabtritt» oder gar ein persönlich verfasstes Schriftstück hinterlassen. Alles reine menschliche Erfindungen.
Roland Weber am Permanenter Link
Erfreulich ist zu lesen, dass sich der Blick einmal auf die Inhalte und die Geschichte der Religionen – hier des Christentums – richtet.
Der Beitrag dürfte jedoch im Kern absolut der Wahrheit entsprechen: Ohne einen Konstantin wäre aus dieser Herrschafts-Sekte keine Weltreligion erstanden.
Was jedoch die Geschichte der Entstehung der Evangelien betrifft und der historische Zusammenhang, das ist eine ganz andere Geschichte. Aber ohne dieses Vorspiel hätte auch ein Konstantin es schwer gehabt, die unterschiedlichen Religionen in seinem Reich für die Stabilisierung seiner Herrschaft zu gewinnen. Er musste so nur zugreifen. Aus kaiserlich willfährigen Anhängern wurden dann die Kirche, die bis heute die geistige Entwicklung maßgeblich prägen – so oder so.
Roland Fakler am Permanenter Link
Zu erwähnen wäre hier wohl noch, dass schon Paulus das Christentum auf eine Art und Weise verändert hat, dass Konstatin daraus seine Staatsreligion machen konnte, den Jesus hatte mit dem irdischen Staat nicht viel im
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
"Nicht Jesus machte das Christentum zur Weltreligion"
Gondel am Permanenter Link
Ginge es mit rechten Dingen zu, wäre zu erwarten, dass sich hier eine erkleckliche Zahl an Gegenstimmen aus dem christlichen Lager zu Wort melden. Mal sehen, ob es spannend wird.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Gegenstimmen" - nach dem Motto, das Christentum hätte sich kraft seiner einzigartigen Message der Nächstenliebe unaufhaltsam quasi wie auf einer Via Triumphalis ausgebreitet, ja?
Nein, das wird nicht passieren; dazu ist die Sachlage inzwischen zu klar, die von der Kreuzessekte aber so totgeschwiegen wird wie Bergmeiers Bücher von derselben Seite. Es bleibt also unspannend.
Immerhin hat Hugo Stamm mit seiner Konstantin-Legende hier doch schon eine ganz schöne Diskussion losgetreten, nicht? In gewisser Weise vertritt der Autor mit der Legende (wohl ungewollt) sogar die traditionelle Sicht, die die Legende insbesondere mit dem legendären 'In-diesem-Zeichen-wirst-du-siegen'-Märchen über Konstantin pflegt.
Uschu am Permanenter Link
Paulus darf man nicht vergessen.