Rekord bei Austritten aus katholischer Kirche in der Schweiz

2019 traten so viele Menschen aus der katholischen Kirche in der Schweiz aus wie nie zuvor. Neben dem ungebrochenen Trend zum Kirchenaustritt bei Jüngeren, treten nun auch immer mehr ältere Menschen aus der Kirche aus. 

"Im Jahr 2019 sind 31.772 Personen aus der katholischen Kirche ausgetreten, das sind mehr Menschen, als jemals zuvor innerhalb eines Jahres gezählt wurden", so das ernüchternde Fazit des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen. Das Forschungsinstitut, das von der katholischen Kirche in der Schweiz getragen wird, veröffentlichte vergangenen Donnerstag eine Übersicht der Kirchenein- und austrittszahlen im Jahr 2019. Die Zahlen zeigen, dass 2019 nochmals rund ein Viertel mehr Menschen die katholische Kirche verlassen hat als im Jahr 2018 (25.366), das in Bezug auf die katholischen Kirchenaustritte ebenfalls bereits ein Rekordjahr war. Das Verhältnis zwischen Ein- und Austritten betrug 2019 etwa 1:34.

Auffällig, so das SPI, seien die kantonalen Unterschiede bei den Kirchenaustritten. An der Spitze steht laut SPI der Kanton Basel-Stadt mit einer Austrittsquote von 4,9 %, gefolgt von den Kantonen Aargau (2,2 %) und Solothurn (2,1 %), während katholisch geprägte Landkantone wie Appenzell-Innerrhoden (0,5%), Jura (0,8 %) oder Uri (0,9 %) das Schlusslicht bilden.

Um mehr darüber zu erfahren, wer aus der Kirche austritt und warum, analysierte das SPI Daten aus dem Kanton St. Gallen. Die Analyse ergab, dass sich "neben einer leicht wachsenden Sockelerosion anlassbezogene Austrittswellen" zeigen, die in Zusammenhang stehen mit Meldungen zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche sowie "öffentliche Debatten um die Sexualmoral der Kirche, um den Zugang wiederverheirateter Geschiedener zum Empfang der heiligen Kommunion oder um die Stellung der Frau innerhalb der Kirche".

Wie in den Vorjahren waren es auch 2019 hauptsächlich 16–30-Jährige sowie 31–50-Jähige, die aus der katholischen Kirche austraten. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich darüber hinaus in den vergangenen neun Jahren der Anteil der 51–65-Jährigen bei den Kirchenaustritten deutlich erhöht hat. Während im Jahr 2011 nur 16 Prozent aller Ausgetretenen zwischen 51–65 Jahren alt waren, waren es im Jahr 2019 bereits 24 Prozent.

Dieser Befund, so das SPI, lasse aufhorchen: "Ist es möglich, dass derzeit ein intergenerationeller Lern- oder Sozialisierungseffekt von den Jungen zu den Älteren stattfindet, die zunehmend ihre Kirchenbindung abbrechen? Werden die jungen Austretenden, d. h. die erwachsenen Töchter und Söhne, zu Rollenvorbildern für ihre Elterngeneration? Und wird schließlich der Kirchenaustritt durch diese Veränderung zunehmend breiter sozial akzeptiert und gesellschaftsfähig?"

Gut ein Drittel der Bevölkerung und damit die meisten Christen in der Schweiz gehören aktuell der katholischen Kirche an. Die zweitgrößte christliche Konfession stellt mit knapp einem Viertel der Bevölkerung die evangelisch-reformierte Kirche dar, die einen ähnlichen Austrittstrend verzeichnet. Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut berichtet unter Berufung auf Angaben zu den Austritten und Mitgliederzahlen der evangelisch-reformierten Kirche, dass 2019 26.198 Menschen aus der evangelisch-reformierten Kirche in der Schweiz austraten, was gegenüber dem Jahr 2018 einer Zunahme der Austritte um 18 Prozent entspricht.

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