Kommentar

Auszeit mit Ansage

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat seinen Austritt aus dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) erklärt. Die Trennung kommt nicht überraschend und wird hoffentlich beiden Partnern gut tun. Ein Kommentar der stellvertretenden hpd-Chefredakteurin Daniela Wakonigg.

Nun hat es also gerumst. Jedem, der sich mit dem säkularen Spektrum in Deutschland auskennt, war klar, dass dieser Rums wahrscheinlich irgendwann kommen würde. Und nun ist er da: Der Bundesverband des Humanistischen Verbands Deutschland (HVD) hat seinen Austritt aus dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) erklärt. Zu unterschiedlich, ja gar konträr seien wichtige Positionen, erklärte der HVD.

Was alle säkularen Organisationen in Deutschland eint, ist die Überzeugung, dass religionsfreie Menschen gegenüber religiösen benachteiligt sind. Obwohl die Religions- oder Konfessionsfreien in Deutschland die am stärksten wachsende "weltanschauliche" Gruppe sind, zu der inzwischen rund 40 Prozent der Bevölkerung gehören, sind Politik, Medien und gesellschaftliche Strukturen noch immer stark von religiöser Einflussnahme geprägt. Nicht zuletzt deshalb, weil der Staat Religionsgemeinschaften enorme Privilegien zubilligt, bis hin zu rechtlichen Ausnahmeregelungen sowie finanziellen Unterstützungen und Vergünstigungen.

Ein solches Ungleichgewicht zwischen Religiösen und Nicht-Religiösen kann nun auf zwei Weisen beseitigt werden. Erstens durch eine Abschaffung religiöser Privilegien oder zweitens durch die Gewährung derselben Privilegien auch für religionsfreie Menschen. Und an genau diesem Punkt scheiden sich die Geister. Während die meisten säkularen Organisationen in Deutschland die Abschaffung der Sonderprivilegien für Kirchen und Religionsgemeinschaften fordern, strebt der HVD dieselben Privilegien für sich als Vereinigung humanistischer Menschen an. Entsprechend versteht er sich auch nicht primär als Interessenvertretung nicht-religiöser Menschen, sondern als humanistische Weltanschauungsgemeinschaft.

Beide Ansätze, das gesellschaftliche Ungleichgewicht zu Lasten Religionsfreier auszugleichen, sind vollkommen legitim. Doch gleichzeitig ist klar, dass die Vertreter der beiden Positionen nicht in jeder Hinsicht denselben Kampf kämpfen. Wer, wie der HVD-Bundesverband, primär den Auf- und Ausbau von praktisch-humanistischen Angeboten anstrebt, wie die Ausbildung von Lehrkräften für humanistischen Lebenskundeunterricht, die Errichtung von humanistischen Kindergärten, humanistischen Hospizen usw. – sprich: den Aufbau einer humanistischen Infrastruktur analog und parallel zu jener der Religionsgemeinschaften –, dem ist verständlicherweise am langfristigen Erhalt von entsprechenden staatlichen Fördermaßnahmen für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gelegen. Klar ist deshalb, dass dort Forderungen nach einer Abschaffung dieser Privilegien auf wenig Gegenliebe stoßen – selbst wenn dies aufgrund der gegenwärtigen politischen Machtverhältnisse wohl kaum zeitnah Realität werden dürfte.

Seit seiner Gründung 2008 hatte man im Koordinierungsrat säkularer Organisationen versucht, alle unterschiedlichen Positionen unter einen Hut zu bekommen, um das säkulare Spektrum mit einer Stimme sprechen zu lassen. Diesen Versuch hat der HVD nun abgebrochen. Aber das muss nicht unbedingt schlecht sein.

Wenn Partner in einer Ehe über Jahre unglücklich sind, weil beide unterschiedliche Auffassungen vom Leben haben, dann ist es das Beste für alle Beteiligten, sich eine Auszeit von der Beziehung zu gönnen. Wichtig ist, dass man sich dabei erwachsen verhält und die gemeinsamen Kinder nicht leiden. Beides scheint bei HVD und KORSO der Fall zu sein. Keine Schlammschlacht, ganz im Gegenteil: Beide Partner haben bereits erklärt, dass man auch in Zukunft zusammenarbeiten werde, wo es nur gehe. Auch gemeinsame Projekte zwischen HVD und anderen Organisationen des säkularen Spektrums stünden nicht in Gefahr. Ja, vielleicht werde es sogar noch weitere gemeinsame Kinder geben.

Die beiden Partner selbst gehen aber nun vorerst getrennte Wege. Eine Entscheidung, die Vieles möglich macht. Vielleicht werden beide – wie es nach Trennungen oft geschieht – aufblühen, weil endlich jeder Partner das machen kann, was er schon immer machen wollte. Der HVD kann sich gegenüber der Politik parallel zu religiösen Organisationen stärker als humanistischer Infrastruktur-Anbieter profilieren und der KORSO kann sein Profil als Lobbyorganisation dezidiert nicht-religiöser Menschen und Verbände schärfen. Doch vielleicht entdecken beide Partner durch die Auszeit auch erneut ihre Gemeinsamkeiten und kommen nach einer Zeit der Trennung wieder zusammen. Gänzlich unwahrscheinlich ist das nicht, denn im vielstimmigen HVD gibt es bereits jetzt nicht wenige Menschen, die den Humanistischen Verband Deutschlands lieber weiterhin als Mitglied des KORSO gesehen hätten.

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