Kommentar

Junge Union vs. Moderne

BERLIN. (hpd) Alljährlich versammeln sich fundamentalistische Christen zum sogenannten "Marsch für das Leben". Unterstützt wird der Marsch von der Jungen Union Deutschlands, die mit ihrer Teilnahme bewusst die Kooperation mit Rechtspopulisten eingeht.

Am 19. September ist es wieder soweit. Selbsternannte "Lebensschützer" marschieren durch Berlin, um für ihre christlich-fundamentalistische Position zu werben. Veranstaltet wird der Schweigemarsch vom Bundesverband Lebensrecht, der von diversen christlichen Gruppierungen getragen und unterstützt wird. Demonstriert wird traditionsgemäß gegen Schwangerschaftsabbrüche, Sterbehilfe, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellenforschung und Sexualaufklärung. Die Teilnehmer des Marsches bloß als radikale Abtreibungsgegner zu bezeichnen, ist daher unzureichend. Angesprochen wird ein breites Themenfeld, bei dem christliche Moralvorstellungen eine größere Rolle für die ethische und politische Positionierung der Gesellschaft spielen sollen. 

Zu den Unterstützern gehört unter anderem der Verein Durchblick e.V., der sich für die sogenannte "Embryonenoffensive" verantwortlich zeichnet – eine Aktion, bei der Embryo-Modelle aus Plastik an Haushalte verteilt wurden, um den Abbruch einer Schwangerschaft plakativ und makaber anzuprangern. 

Aber auch prominentere Personen und Organisationen zählen zu den ideellen Unterstützern des Protestes. Ein beliebter Gast ist etwa die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch, die noch letztes Jahr als Bannerträgerin den reaktionären Marsch anführte. Storch ist bekannt für ihre erzkonservative Lobbyarbeit innerhalb der familien- und geschlechterpolitischen Debatte. Gendermainstreaming nennt sie "pervers" und wettert als Vorstandsmitglied der homophoben und antifeministischen Zivilen Koalition gegen den baden-württembergischen Bildungsplan 2015. 

Dass der "Marsch für das Leben" eine Plattform für Rechtspopulisten ist, war in den letzten Jahren unübersehbar. So wurden 2012 Plakate mit der Aufschrift "Deutschland treibt sich ab" auf der Demonstration von Anhängern der Partei Bibeltreuer Christen mitgeführt. Unter den Teilnehmern befand sich zudem der Obere des deutschen Ablegers der antisemitischen Piusbruderschaft St. Pius X, Franz Schmidberger. 

Umso verwunderlicher erscheint es, dass die Junge Union Deutschlands scheinbar bedenkenlos als ideeler Unterstützer der Demonstration auftritt. Wäre diesbezüglich nicht eine eindeutige Distanzierung notwendig? Denn mit mehr als 100.000 Mitgliedern steht die Jugendorganisation der CDU und CSU in einer besonderen Verantwortung und Rechtfertigungspflicht. Auch wenn es inhaltliche Übereinstimmungen geben mag: Eine Klarstellung des Verhältnisses der Jungen Union zu den radikalen "Lebensschützern" ist schon länger fällig. Alles andere wäre die Fortführung eines peinlichen Skandals. 

Dazu wird es aber kaum kommen.

Der "Marsch für das Leben" ist ein Frontalangriff auf die Fundamente des liberalen Rechtstaates, ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen. So muss die hart erkämpfte Freiheit auch gegen die Junge Union Deutschlands verteidigt werden.