Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks fest in Gottes Hand

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Wie der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München recherchierte, ist der Vorstand des Rundfunkrates in Bayern zu 100 Prozent christlich, im Rundfunkrat und dessen Ausschüssen ist der Einfluss kirchlicher und kirchennaher Mitglieder ebenfalls groß, hinzu kommt eine starke Stellung der CSU. Der bfg München fordert eine Reform des zentralen Entscheidungs- und Kontrollgremiums und die überfällige Anpassung an gesellschaftliche Realitäten, denn für einen demokratischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist mehr Vielfalt nötig und wichtig.

"Der Rundfunkrat zählt insgesamt 50 Mitglieder, die von den in Artikel sechs, Absatz drei Bayerisches Rundfunkgesetz festgelegten politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen für jeweils fünf Jahre dorthin entsandt werden", heißt es im Internetauftritt des Bayerischen Rundfunks (BR). Klingt erst mal gut, aber decken diese Gruppen wirklich das gesamte gesellschaftliche Spektrum ab? Wenn man sich die Zusammensetzung des Rundfunkrats genauer anschaut, wird man stutzig.

Der Vorstand des Rundfunkrats besteht aus dem ersten Vorsitzenden, Dr. Lorenz Wolf, der von der Katholischen Kirche entsandt wird. Wolf ist Leiter des Katholischen Büros Bayern. Als solcher vertritt er die Freisinger Bischofskonferenz und die sieben bayerischen Diözesen beim Landtag und bei der Staatsregierung. Man kann ihn gut und gerne als den Cheflobbyisten der katholischen Kirche in Bayern bezeichnen.

Stellvertretender Vorsitzender ist Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert. Er sitzt, so liest man auf der Internetseite des BR, für die Bayerischen Hochschulen in dem Gremium. Man erfährt aber nicht, dass er bis 2018 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg der Lehrstuhlinhaber für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts am Institut für katholische Theologie war.

Schriftführerin im Vorstand ist Elke Beck-Flachsenberg von den evangelischen kirchlichen Frauenorganisationen. Kurzum: Der Vorstand des Rundfunkrats besteht ausschließlich aus Vertretern der Kirchen und ihrer Organisationen beziehungsweise den Kirchen eng verbundenen Personen.

Kirchenrat Dieter Breit, entsandt von der evangelischen Kirche, ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Grundsatzfragen und Medienpolitik. Zudem ist er der Politikbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und damit zuständig für die Beziehungen der Kirchenleitung zum Bayerischen Landtag – wie Dr. Lorenz Wolf, sein katholisches Pendant, ein Lobbyist in Sachen kirchlicher Belange.

Vorsitzender des Programmausschusses ist Matthias Fack, entsandt vom Bayerischen Jugendring, dessen Präsident er seit 2011 ist. Davor war er Landesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend und geschäftsführender Leiter der Landesstelle für Katholische Jugendarbeit in Bayern.

Zahl der aktiven Kirchenmitglieder in Bayern dürfte bei etwa drei bis fünf Prozent liegen

Stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen ist der Gewerkschafter Matthias Jena. Zugleich ist er Mitglied der Synode der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern. Sandra Schumann wird von den "Familienverbänden" entsandt. Dass sie erste Vorsitzende der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Bayern und Fachvorständin des Diakonischen Werkes Bayern ist, darüber erfährt man nichts auf der Seite des BR – gleiches gilt für Fack und Jena. Und stellvertretende Vertreterin im Programmbeirat der ARD ist die bayerische Rundfunkrätin Susanne Zehetbauer von den katholischen Frauenorganisationen.

Politisch aktiv in einer christlichen Partei, sprich der CSU, sind im Rundfunkrat mindestens 14 Mitglieder von insgesamt 50 – entweder sind es Landtagsabgeordnete, Kommunalpolitiker oder Funktionäre der CSU, die über die verschiedensten Verbände den Weg in das Gremium gefunden haben. So sind zum Beispiel die drei Vertreter von Gemeinde, Städte- und Landkreistag alle in der CSU aktiv. Dazu kommt als Vertreter der bayerischen Staatsregierung im Rundfunkrat der CSU-Politiker Florian Herrmann, Leiter der bayerischen Staatskanzlei.

Vorsitzender des Ausschusses für Grundsatzfragen und Medienpolitik im Rundfunkrat ist der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer. Stellvertretender Vorsitzender des Programmausschusses ist Christian Knauer. Der ehemalige CSU-Landtagsabgeordnete und CSU-Landrat wird vom Bund der Vertriebenen entsandt.

Generell irritiert zudem, dass in dem Gremium zwölf Landtagsabgeordnete sitzen sowie mindestens 24 Mitglieder des Rundfunkrats ein Parteibuch haben. Damit ist der Rundfunkrat ganz sicher kein Spiegel der Gesellschaft. Die nach außen immer wieder vielbeschworene Staats- und Politikferne des Gremiums ist dadurch nicht gewährleistet.

Insgesamt sind mindestens 22 Mitglieder des Rundfunkrats von den Kirchen selbst oder von kirchlichen Organisationen entsandt, Politiker und Funktionäre der CSU oder stehen den beiden großen Kirchen nahe. Bei vielen Rundfunkräten kann man das an dem Internetauftritt des BR aber nicht erkennen, eine Vita mit Lebenslauf, beruflicher Tätigkeit et cetera fehlt zur Einordnung der Person. Transparenz schaut anders aus.

Die Anzahl kirchlicher und kirchennaher Vertreter steht zudem im Widerspruch zur Zahl der aktiven Kirchenmitglieder in Bayern, die bei etwa drei bis fünf Prozent liegen dürfte. Ob sich mit der christlichen Dominanz im Rundfunkrat die vielen christlichen Erbauungs-, Verkündigungs- und Erweckungssendungen der Kirchen sowie die wenigen kirchenkritischen Sendungen und Reportagen im BR erklären lassen, kann man nur vermuten, liegt aber nahe.

Frauenquote: 32 Prozent, Anteil junger Menschen: Null Prozent

Am 8. Dezember 2016 verabschiedete der bayerische Landtag beziehungsweise die damalige CSU-Mehrheit die Neufassung des Bayerischen Rundfunkgesetzes. In Kraft getreten ist die Novelle am 1. Januar 2017. Wichtigste Änderung war, dass der Rundfunkrat um drei Sitze von 47 auf 50 vergrößert wurde. Jeweils einen Sitz bekamen dabei Migranten und Menschen mit Behinderung. Begrüßenswert, aber bei weitem nicht ausreichend, wenn man die gesellschaftlichen Realitäten betrachtet. Es fehlen zum Beispiel Bürger- und Menschenrechtsgruppen, nicht-kirchliche Frauenorganisationen, LGBTQIA+-Vertreter, Seniorenverbände oder Muslime.

Ebenso wenig stellen säkulare und konfessionsfreie Verbände einen Rundfunkrat. Angesichts der Tatsache, dass in Bayern weniger als zwei Drittel – zudem zumeist "Taufschein-Christen" – evangelisch oder katholisch sind, wäre das ein längst überfälliger Schritt wie ihn der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und Radio Bremen vor Jahren schon vollzogen haben. Dort sitzen in den Gremien Vertreter der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) oder der Humanistischen Union (HU).

Warum in Bayern nicht die Zahl der Vertreter von Kirchen und kirchlichen Organisation reduzieren, warum nicht beispielsweise die zwei Vertreterinnen der kirchlichen Frauenorganisationen durch Vertreterinnen nicht-konfessioneller Frauenverbände ersetzen? Wünschenswert wäre zudem eine 50-prozentige Frauenquote, aktuell beträgt der Frauenanteil nur 32 Prozent. Der Anteil von Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegt bei null Prozent. Warum nicht mindestens die Hälfte der Landtagsabgeordneten ersetzen und sechs nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger jeder Altersgruppe in das Gremium wählen? Denn für die wird das Programm schließlich gemacht.

Wenn der Rundfunkrat im Interesse der Allgemeinheit über die Erfüllung des Programmauftrags wachen soll, wie auf dem Internetauftritt des BR beschrieben, dann möchte man schon gerne wissen, wer in diesem Gremium sitzt. Um das herauszufinden, braucht es derzeit aber noch eine aufwändige Recherche im Internet.

Zudem könnten mehr gesellschaftliche Vielfalt und eine echte Teilhabe von Bürgerinnen und Bürger im Rundfunkrat einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Bayerischen Rundfunk bunter zu machen und die Kontroll- und Beratungsfunktion des Gremiums zu stärken. Das würde die gesellschaftliche Relevanz und Wahrnehmung dieses Gremiums sicher erhöhen. Denn wann hat der Rundfunkrat zum letzten Mal eine Debatte geführt, die in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt hat?

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