TRIER. (hpd) „Papst trifft Hitler“ stolzierten durch Trier, an den Stationen des Reichskonkordats und an den Pilgern zum „heiligen Rock“ vorbei, bis hin zur heiligen Unterhose von Karl Marx. Die Polizei nahm die Künstler zwischendurch mit auf die „Polizeiwache Heilig-Rock“ und am Abend wurde eine Ausstellung eröffnet.
Die beiden Künstler, Wolfram Kastner („Papst“, in Weiß mit knallroten Schuhen) und Linus Heilig („Hitler“, chaplinesk in Schwarz), wollen mit ihrer Kunstaktion zum Nachdenken anregen. „Von mir aus können die Leute glauben, was sie wollen“, meinte Kastner. Untragbar sei aber die staatliche Unterstützung der Kirchen, die er als „Heide“ mitfinanzieren müsse. Mittels der Kunstaktion informierte der Münchner Künstler über das Reichskonkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan von 1933, tritt für die Trennung von Staat und Kirche – und gegen das Vergessen ein. Zugleich wies die Aktion auf die Absurdität der Reliquie „Heilig Rock“ sowie auf die Gegenveranstaltungen zu diesem hin.
So begannen Kastner und Heilig als Papst und Hitler ihre Route, die sie an die Sehenswürdigkeiten Triers führte, an der Trierer TUFA. In dieser wurde am Samstag die kritische Ausstellung „Reliquie - Fetisch in Kirche, Kunst und Konsum” eröffnet, in der Werke von mehr als 30 nationalen und internationalen Künstlern zu sehen sind.
Foto: Jörg SalomonVon der TUFA aus ging es in den gegenüberliegenden Palastgarten. Am Eingang zu den Kaiserthermen befindet sich eine Plastik: ein riesiger Fuß von Konstantin dem Großen (bzw. Konstantin dem Groben), der sich in Trier unter anderem als Steigbügelhalter des Christentums profilierte. Dieser Station folgte ein Wandeln durch den Palastgarten in Richtung Kurfürstliches Palais und Basilika. Doch erst am Trierer Dom, in dem der angeblich heilige Rock ausgestellt ist und vor dem Hunderte Pilger anstanden, um einen Blick auf denselben zu erheischen, wurde es richtig interessant.
Aufgrund der Heilig Rock-Wallfahrt waren naturgemäß etliche Pilger und Kirchenangehörige unterwegs. Nonnen, die das Gespann Papst-Hitler erblickten, stieben zur Seite. Es gab Menschen, die sich über den Anblick der Künstler belustigten und Menschen, die den Kopf schüttelten, und dabei Worte äußerten wie: „Die gehören eingesperrt!“, „parasitäre Aktion!“, „geschmacklos!“, „ein Skandal!“ Man konnte ihnen entgegnen: „Das Reichskonkordat? Das finde ich auch! Das gilt ja bis heute.“
Doch wurde von einigen Passanten auch der Mut der Künstler gelobt. „Hitler“ schwieg stets und blickte stoisch vor sich hin, während der „Papst“ souverän und fachkundig Fragen beantwortete und diskutierte – wie im Übrigen auch der Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), Michael Schmidt-Salomon, der bei der Aktion zugegen war.
„Was sagen Sie zum Polizeiaufgebot?“, wurden die Künstler gefragt.
„1933 war es die SA. Heute ist es nicht die SA. Es ist die Polizei.“
Foto: Fiona LorenzNach einem Gang zur Porta Nigra, dem Wahrzeichen der Stadt Trier, führte der Weg von „Papst“ und „Hitler“ an den Pranger. Dort wartete die eben erwähnte Polizei, man wollte eine „Personenfeststellung“. Eigens für die Wallfahrt wurde in der Fußgängerzone eine Polizeistation eingerichtet, die, vermutlich ungewollt, genial mit „Polizeiwache Heilig-Rock“ betitelt ist. Dorthin wurden die Künstler auf Weisung der Einsatzleitung gebracht. Statt der üblichen fünf Minuten, die eine Personenfeststellung dauert, wartete der Tross an Begleitern der Kunstaktion gute zwanzig Minuten. Selbst der mehrfache Hinweis darauf, dass der „Anfangsverdacht einer Straftat“ nicht bestehen könne, dass eine ähnliche Aktion in Berlin zu einem entsprechenden Gerichtsbeschluss, welches die Künstler vorlegten, geführt habe, fruchtete nicht. In diesem Rahmen wäre nach StGB § 86f selbst die Andeutung eines „Hitlergrußes“ statthaft.
Schließlich erschienen die beiden wieder und sie schritten in Richtung Bischöfliches Priesterseminar in der Jesuitenstraße, wo der „Papst“ wie üblich seine segnenden Handbewegungen mit der linken Hand vollzog. In der Nähe dieses Ortes wurde ein bedeutender Teil des Reichskonkordats, des Staatskirchenvertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich, entwickelt. Daran beteiligt war der Trierer Theologe Ludwig Kaas, der zugleich ab 1928 Vorsitzender der katholischen Zentrumspartei war, was mit einer Bewegung der Partei nach rechts einherging. Der Vertrag wurde am 20. Juli 1933 unterzeichnet, drei Tage darauf wurde die Ausstellung des „heiligen Rocks“ eröffnet, die vom 23. Juli bis zum 8. September 1933 währte. Über zwei Millionen Pilger sahen damals die Reliquie, die Ordnungskräfte bestanden aus Mitgliedern der SA. Das Reichskonkordat gilt in Deutschland noch heute.
Foto: Jörg SalomonNach einem Exkurs zum Gedenkstein der ehemaligen Synagoge, die der Reichskristallnacht zum Opfer fiel, gelangte man kurz später ans Ziel: der Enthüllung der heiligen Unterhose des Karl Marx. Einige Häuser entfernt vom Geburtshaus des Herrn Marx fand sich ein Skater-Laden, Zupport, in dessen linkem Schaufenster die Unterhose nebst Altar nun ausgestellt ist. Der Erfinder der Unterhose, Helmut Schwickerath, hielt eine geistreiche Ansprache und sprach unter anderem vom “Rückgriff auf steinzeitliche Verehrungsartefakte” bei der Heilig-Rock-Wallfahrt. Er wies zudem auf die Möglichkeit hin, ein eigens zum Event erscheinendes Katz-Magazin, „Im Namen der Hose! Führer für Gläubige und Ungläubige“, inklusive eines Ablasses, für lediglich fünf Euro zu erwerben. In dem Heft finden sich zahlreiche Beiträge etwa zur heiligen Unterhose, zur „Reliquien“-Ausstellung in der TUFA und zum „Neuen Atheismus“ (von Michael Schmidt-Salomon).
Im hinteren Teil von Zupport wurden nach Beendigung der friedlich verlaufenen Aktion leckeres Salzgebäck in Form heiliger Unterhosen sowie Getränke dargereicht.
Beide Aktionen – „Papst trifft Hitler“ und „Heilige Unterhose des Karl Marx“ erfreuten sich recht großen medialen Interesses, wie man zum Beispiel bei Spiegel-Online, im Focus, in der Welt und in lokalen Medien wie 16vor und dem Trierischen Volksfreund nachlesen kann.
Am Abend fand man sich zur Vernissage der Ausstellung „Reliquie - Fetisch in Kirche, Kunst und Konsum” wieder zusammen. Die Durchführung der Ausstellung war bedroht, als kurz vor Beginn zwei wesentliche Förderer die Zuschüsse verweigerten – vermutlich wegen der Beteiligung der gbs an der Veranstaltungsreihe. Doch fanden sich andere Geldgeber, der Kulturdezernent der Stadt, Thomas Egger (FDP), selbst im Beirat von „Heilig Rock“, setzte sich neben dem Kultursommer Rheinland-Pfalz und privaten Spendern für die Ausstellung ein.
Die Einführungsrede zur Ausstellung hielt Bazon Brock mit etlichen Seitenhieben auf Atheisten, rekurrierendem Infragestellen von Denkgewohnheiten und eigensinnigen Aussagen.
Foto: Fiona LorenzMit Hilfe der zeitgenössischen Kunst bietet die Ausstellung eine nach eigenen Angaben “hochaktuelle künstlerische Auseinandersetzung zu Fragen von Konsum, Kommerz und modernen Götzenbildern”. Die Ausstellung lohnt den Besuch, finden sich dort doch interessante Stücke beispielsweise von Jörg Baltes, der Toasts mit Jesusgesichtern, Ratzinger oder dem letzten Abendmahl kreiert. In einem kleinen Raum hängen seine „Kernspinbilder“ auf Leuchtboxen: Er nimmt Folien mit Kernspinaufnahmen und fertig darauf Radierungen, die Titel tragen wie „Novizen und Jungfrau“. Darüber hinaus sind Werke von Laas Köhler, Klaus Staeck, Janosch und Jacques Tilly zu sehen – insgesamt von 30 Künstlern.
Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm unter dem Titel „TUFA rockt“. Hinzu kommen Vorträge und Lesungen, welche die Giordano-Bruno-Stiftung unter dem Motto Heilig’s Röckle! organisiert. Vor dem Dom herrschte übrigens den gesamten Sonntag über gähnende Leere.
Fiona Lorenz
Zur Ausstellung „Reliquie - Fetisch in Kirche, Kunst und Konsum”
Zur Heiligen Unterhose des Karl Marx
Zum Erwerb einer Katz
Zur Veranstaltungsreihe Heilig’s Röckle!