Spanien: Land mit drittgrößtem Verlust an christlichen Gläubigen in Europa

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Leere Kirchenbänke
Kirchenbänke

Die katholische Kirche verliert mehr und mehr Gläubige. Dieser Trend zeigt sich besonders in Westeuropa und wird noch verstärkt durch die zahlreichen Aufdeckungen von Missbrauchsfällen weltweit. Das einst so katholische Spanien ist nun das drittstärkste Land, bezogen auf die Differenz zwischen der Anzahl an Personen, die christlich erzogen wurden und derer, die sich heute noch als christlich einordnen. Damit liegt Spanien nur hinter Norwegen und Belgien.

Das PEW Research Center hatte von April bis August in 15 westeuropäischen Ländern telefonische Befragungen durchgeführt. Dabei wurden pro Land mindestens 1.500 erwachsene Personen befragt, ob sie christlich erzogen wurden und, ob sie sich heute noch als christlich bezeichnen würden. In Spanien erklärten dazu 92 % der Menschen christlich erzogen worden zu sein, jedoch nur noch 62 %, dass sie auch heute noch christlich seien. Der Verlust von 26 % umfasst immerhin 12 Millionen Menschen.

Gesunken ist in Spanien auch die Anzahl derer, die den christlichen Glauben als wichtigen Teil der nationalen Identität sehen. 38 % der befragten Personen gaben an, dass der christliche Glaube für sie ein wichtiger Teil der nationalen Identität sei. Damit liegt Spanien aber noch vor Schweden (15 %), Dänemark (19 %), Belgien (19 %), den Niederlanden (22 %) Großbritannien (34 %), Frankreich (32 %) und Deutschland (34 %). Allein in Italien (53 %) und Portugal (62 %) sehen mehr Menschen den christlichen Glauben als Teil ihrer nationalen Identität.

Zu den Studienergebnissen befragt, sehen die Soziologen Beriain und Díaz-Salazar den Ursprung der spanienweiten Abkehr vom Christentum, und da natürlich besonders vom Katholizismus, schon in der mehrere Jahrzehnte andauernden Diktatur Francos bedingt. Während der Diktatur hatten sich große Teile der katholischen Kirche angebiedert und im Tausch gegen Privilegien Verbrechen vertuscht oder gar mit begangen. So z. B. Babyraub und Umverteilung der Säuglinge an vermeintlich verdiente Eltern oder die Unterdrückung von Frauen. Ein weiterer, sehr schwerwiegender Punkt sind die zahlreichen Fälle von sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche durch katholische Amtsträger. Nicht nur haben Priester und Ordensbrüder über Jahrzehnte hinweg Kinder und Jugendliche missbraucht, die Kirche hat noch dazu aktiv versucht diese Fälle zu vertuschen und die Betroffenen zum Schweigen zu bringen.

Weitere Gründe dafür, dass Menschen, die christlich oder auch nicht christlich erzogen wurden, in Spanien aber auch anderen Teilen Westeuropas, sich nicht (mehr) für das Christentum erwärmen können, ist die Realitätsferne dieses Glaubens. So gingen z. B. Bischöfe gegen die Ehe für alle auf die Straße, als die meisten Menschen sich schon für sie aussprachen.

Mittlerweile bezeichnen sich in Spanien schon 31 % der Menschen als atheistisch. 38% glauben noch an einen Gott, zweifeln aber.

Ähnliche Gründe dürften in Deutschland vorliegen. Hat doch auch hier die Kirche, besonders die katholische Kirche, sich kaum um die Aufklärung und Aufarbeitung von Missbrauchsfällen gekümmert. Zudem ist sie ähnlich menschenfeindlich und realitätsfern eingestellt, wenn es zum Beispiel um die Rechte von Frauen oder homosexuellen Personen geht. In Deutschland gaben 79 % an, christlich erzogen worden zu sein. Nur noch 71 % gaben an, sich auch heute noch christlich einzuordnen.

Anders sieht es im Osten Europas aus. Dort stieg die Zahl derer, die nicht christlich erzogen wurden, sich heute aber als christlich sehen, in einigen Ländern an. Während in Polen und Griechenland die Zahlen derer, die sich auch im Erwachsenenalter noch als ChristInnen sehen, leicht sank von 96 % auf 92 %, bzw. 93 %, verzeichnen Russland (65 % auf 73 %), Weißrussland (83 % auf 94 %) und die Ukraine (81 % auf 93 %) deutliche Zuwächse. Das betrifft jedoch vor allem die orthodoxe Kirche.

Zu den Gründen befragt, gaben die befragten Menschen in Russland und der Ukraine an, dass Religion heute gesellschaftlich akzeptierter sei. Auch spielte die Verbindung zu ihrem nationalen Erbe eine Rolle.

Díaz-Salazar sieht in einer Verstrickung von Politik und Religion eine Gefahr. Er sieht rechte Parteien die Religion verwenden, um mit einer vermeintlich religiösen Identität Stimmung gegen Migration und Globalisierung zu machen.