BERLIN. (hpd) Es war so klar wie abzusehen: kaum bietet sich die kleinste Möglichkeit, versucht die Regierung, unter Verweis auf eine Terrorgefahr, Grundrechte auszuhebeln. Jetzt will Innenminister de Maizière die Verschlüsselung im Internetverkehr aushebeln.
Kaum haben sich die Schilder, auf denen “Je Suis Charlie” stand, gesenkt und die Menschen vergessen langsam, dass die Journalisten wegen ihres Einstehens für Bürgerrechte ermordet worden sind, erkennt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) “die Notwendigkeit, den Kampf gegen terroristische Aktivitäten im Internet zu verstärken.”
Dazu, so de Maizière, sei es notwendig, dass die deutschen Sicherheitsbehörden “befugt und in der Lage sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln oder zu umgehen, wenn dies für ihre Arbeit zum Schutz der Bevölkerung notwendig ist.” Sprich: wenn der Staat will, können alle Informationen mitgelesen werden, die Whistleblower, Journalisten, Anwälte, Ärzte und jede andere, nicht gesetzlich bislang besonders geschützte Person per Mail verschickt. Absender und Empfänger können sich nicht mehr darauf verlassen, dass diese Nachrichten geheim bleiben.
Doch es geht dabei nicht nur um Privatpersonen. “Die Aushebelung der Verschlüsselung beschädigt den Datenschutzstandort Deutschland. Wenn jede Kommunikation - egal wie gut sie gesichert ist - theoretisch mit einem Knopfdruck von Sicherheitsbehörden umgangen werden kann, entsteht eine enorme Gefahr des Missbrauchs”, warnte der Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand, Oliver Grün.
Internethändler, Mailanbieter, soziale Netzwerke… all die Kommunikation mit diesen Unternehmen würde nur noch zum Schein sicher sein.
Es geht auch nicht nur um deutsche, us-amerikanische und britische Geheimdienste. Denn jedes Schlupfloch in der Verschlüsselung macht es dann auch Dritten möglich, dies zu nutzen. Also auch dem iranischen, dem saudischen und dem türkischen Geheimdiensten. Und es macht zudem Oppositionellen in diesen Ländern unmöglich, das Internet zu nutzen.
Nutzer von Verschlüsselungssoftware wie PGP/GPG gar werden kriminalisiert, weil sie sich im Internet ein Recht herausnehmen, dass in der analogen Welt völlig selbstverständlich ist: Nicht umsonst wird das Briefgeheimnis als ein hohes Gut angesehen und wer es verletzt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Wer jedoch sozusagen eine Mail im Briefumschlag schickt, den nicht gleich jeder öffnen kann, soll das nicht (mehr) tun dürfen?
Der deutsche Innenminister folgt mit diesen Bestrebungen (man möchte sagen: natürlich) den Begehrlichkeiten der britischen und der us-amerikanischen Administration; also den beiden Staaten, die bekanntermaßen schon jetzt illegal das Internet ausspionieren und Mails, SMS, Telefonate und jede Internetverbindung mit- und abhören, speichern und auswerten.
Gerade der Skandal um NSA und GCHQ führt nicht eben dazu, dass man zu gerade diesen beiden Regierungen besonderes Vertrauen entwickeln sollte.
Doch das ficht den deutschen Innenminister nicht an - wie sogar die BILD feststellt: “Es ist schon erstaunlich, wie schnell Politiker in westlichen Demokratien dabei sind, die Grundrechte ihrer Bürger über Bord zu schmeißen, um damit für eine vermeintliche Sicherheit vor Terroranschlägen zu sorgen.”
In einem Land, dass sich auf der einen Seite damit brüstet, “Verschlüsselungs-Standort Nr. 1 auf der Welt” werden zu wollen, doch dessen Kanzlerin vom Internet als vom “Neuland” spricht, verwundert es leider kaum mehr, dass Politiker, die sich kaum mit der Materie auskennen, aus reinem Populismus Muskeln spielen lassen wollen, die sie nicht haben.
Der kaum wahrgenommene Unfug, der in Sachen “D-Mail” in Deutschland geschah, ist das beste Zeichen dafür. Beworben als “sichere Kommunikation zwischen Bürger und Behörden” und verkauft als “verschlüsselte Kommunikation” werden Mails auf den Servern entschlüsselt, dort auf Viren oder Spam geprüft, wieder verschlüsselt und an den Empfänger versandt. “Kritiker sehen hier eine Schwachstelle, die dazu ausgenutzt werden könne, um an den Inhalt der Nachricht zu gelangen” schrieb der Datenschutzbeauftragte des Bundes bereits im März 2013.
Es würde dem Innenminister sehr entgegenkommen, wenn wir alle unsere Mails als “D-Mail” verschicken würden, dann wäre es nicht nötig, über einen Zugriff auf die privaten Schlüssel der Anwender zu diskutieren. “Geheimdienste wie die amerikanische NSA und der britischer Gegenpart GCHQ verwenden bereits viel Zeit darauf, gängige Methoden der Verschlüsselung zu knacken” schreibt die Süddeutsche. “Das gelingt ihnen jedoch nicht in allen Fällen. Die klassische Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gilt weiterhin als unknackbar.”
Und genau deshalb muss eine “terroristische Bedrohung” als Begründung für die Begehrlichkeiten der Geheimdienste herhalten. Begründet von genau denen, nach deren Auffassung Edward Snowden Schuld daran sei, dass sich das Terrorrisiko erhöht habe.
Beim Innenministerium klingt das dann so: “Verschlüsselte Internetkommunikation macht an Landesgrenzen aber nicht halt.” Das ist richtig, erklärt aber nicht, weshalb das irgend einen Kriminellen oder Terroristen davon abhalten sollte, zukünftig auch weiterhin verschlüsselt zu kommunizieren. Und das ganz sicher, ohne seinen Schlüssel offen zu legen. Betroffen von den Begehrlichkeiten, die Cameron, Obama und nun auch de Maizière anmelden, sind ganz klar wir anderen.
14 Kommentare
Kommentare
Lutz Horn am Permanenter Link
Jetzt ist es an der Zeit, die zuständigen Abgeordneten der Koalition im Bundestag darauf hinzuweisen, dass wir Wähler mehr Verschlüsselung wollen und nicht weniger.
* http://www.spdfraktion.de/fraktion/arbeitsgruppen/arbeitsgruppe-digitale-agenda
* http://www.spdfraktion.de/fraktion/arbeitsgruppen/arbeitsgruppe-inneres
* https://www.cducsu.de/fraktion/digitale-agenda
* https://www.cducsu.de/fraktion/innen
cmsadmin am Permanenter Link
„Denn jedes Schlupfloch in der Verschlüsselung macht es dann auch Dritten möglich, dies zu nutzen.“
Es geht auch um die fundamentale Frage der Legitimität in einem transnationalem Medium. Wer darf alles von Facebook & Gmail & Co einen Zweitschlüssel verlangen? „Staatliche Stellen“? Von welchen Staaten? Nur die der Achse des Guten ("Five Eyes" + EU)? Wer definiert die Kriterien? Atheismus läuft in Saudi Arabien unter Terrorismus.
Karol Dittel am Permanenter Link
Und ich bin dafür dass alle Menschen die über das Netz kommunizieren alles verschlüsseln. Egal was. Ob es Kochrezepte sind oder Witze die man sich zuschickt.
mr. Anonym am Permanenter Link
Eine Petition dagegen ist hier zu finden (steht noch ganz am Anfang, teilen erwünscht!) https://secure.avaaz.org/de/petition/Justiz_und_Innenministern_der_EU_Keine_Hintertueren_bei_Verschluesselung_und_keine_Vorratsda
Michael Schneider am Permanenter Link
Warum nicht auch Briefumschläge verbieten?
Würde der Minister so etwas machen? Natürlich nicht, nur für sein dummes Stimmvieh meint er damit so etwas wie Terrorbekämpfung durchzuführen. Für mich ist dies mehr (Staats)Terror, als die winzig kleine Möglichkeit, selbst zum Opfer zu werden!
Es gibt auch noch weitere Möglichkeiten, verschlüsselt zu kommunizieren, z.B. die Steganographie, bei der man der Datei nicht einmal ansieht, dass sie überhaupt eine verschlüsselte Botschaft enthält.
Emails unterliegen genauso dem Briefgeheimnis wie normale Briefe, ich erwarte von meiner Regierung, dass sie meine Grundrechte schützt und nicht vorsätzlich aushöhlt!
Werner Rebenow am Permanenter Link
Gute Idee! Auch das Miteinander reden sollte verboten werden. Nur noch Telefonate, die im Geheimen mitgehört werden können sollten zulässig sein!
Karol Dittel am Permanenter Link
Man sollte doch mal wieder auf vertrauenswürdige Boten eigener Wahl umsteigen um Informationen weiter geben zu können. Brieftauben und Flaschenpost sind nicht immer Zielsicher ;)
Andreas Friedrich am Permanenter Link
Karol? Melden dich mal bitte bei Andreas Göttingen. Alte eMail-Adressen sind aktiv.
Karol Dittel am Permanenter Link
Ja sorry liebes HPD... da hat mich offensichtlich jemand nach zehn Jahren wiedergefunden *gg Auch danke fürs nicht löschen des Kommentars auch wenn es Off-Topic ist ;)
Andreas Friedrich am Permanenter Link
Ja und bitte keine am Dienste nutzen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das BVerfG "erklärte die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung mit Urteil vom 2. März 2010 für verfassungswidrig und nichtig" (Quelle: Wikipedia).
LdM macht jetzt einen neuen Anlauf. Ich hoffe, der wird kläglich enden.
O. am Permanenter Link
Nichtregierungsorganisationen mahnen zur Wahrung freiheitlicher Werte
http://www.ccc.de/de/updates/2015/nichtregierungsorganisationen-mahnen-zur-wahrung-freiheitlicher-werte
CCC fordert Ausstieg aus unverschlüsselter Kommunikation
http://www.ccc.de/de/updates/2015/ccc-fordert-ausstieg-aus-unverschlusselter-kommunikation
O. am Permanenter Link
Klassiker von "Fragen an den Autor"
Titel: M. Rosenbach, 8.6.14, NSA, Snowden
Erneut veröffentlicht am: 07. Januar 2015
Marcel Rosenbach, "Der NSA-Komplex. Edward Snowden und der Weg in die totale
Überwachung". Geht es beim Ausspionieren der Bürger wirklich nur um
Terrorabwehr? Streben die USA eine totale Vormachtstellung an?
http://pcast.sr-online.de/play/sr2-fragen-klassiker/2015-01-07_rosenbach_nsa_snowden_8_6_2014.mp3
Petty am Permanenter Link
Unsere Regierung betrügt uns. Sie überwachen unsere Handys und Computer während wir dagegen nichts tun können. es gibt auch spezielle webseiten, die diesem ziel dienen.
schade dass alles so ist