Vor zehn Jahren wurde "amtlich bestätigt", dass auch Kinder über Religion lachen dürfen

Die Rettung des kleinen Ferkels

Am 6. März 2008 entschied die Bundesprüfstelle über den Antrag des Bundesfamilienministeriums, das religionskritische Kinderbuch "Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel" auf den "Index für jugendgefährdende Medien" zu setzen. Hätte der ministerielle Antrag Erfolg gehabt, wäre das "kleine Ferkel" als das wohl erste "Kinderbuch ab 18" in die Geschichte eingegangen. Zum 10-jährigen Jubiläum der "Ferkelrettung" erscheint nun im Alibri Verlag ein Buch, das den "großen Streit um das kleine Ferkel" dokumentiert.

"Ist Religionskritik im Kinderzimmer zulässig oder nicht?" – Über diese Frage wurde im Februar 2008 nach der Bekanntmachung des Indizierungsantrags heftigst gestritten. Religionsvertreter, Politiker und Journalisten zogen in den Medien in ungewohnter Schärfe über das kleine Ferkel her. Die Verfasser des Buchs Michael Schmidt-Salomon (Text) und Helge Nyncke (Illustrationen) sowie den Verleger Gunnar Schedel (Alibri Verlag) wunderte dies nicht. Denn sie hatten von Anfang an mit massiven Gegenreaktionen gerechnet, wie Autor Schmidt-Salomon in einem hpd-Interview vom 1. Februar 2008 bestätigte: "Die Religionen besitzen das Weltanschauungsmonopol in den Kinderzimmern. Es ist nicht erstaunlich, dass sie dieses Monopol nun mit allen Mitteln zu verteidigen versuchen."

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Wahrscheinlich waren nicht zuletzt die guten Verkaufszahlen des Ferkelbuches verantwortlich dafür, dass so mancher Kirchenvertreter mächtig in Rage geriet. Denn nach seinem Erscheinen Anfang Oktober 2007 stand das kleine Ferkel wochenlang auf Platz 1 der Amazon-Bestsellerliste der Kategorie "Religiöse Kinder- und Jugendbücher". Auch in der Weihnachtszeit lag es dort in der Kundengunst weit vor sämtlichen Kinderbibeln, wie ein Screenshot vom 16.12.2007 belegt. Einen Tag später, am 17.12.2007, stellte die Diözese Stuttgart-Rottenburg Anzeige gegen die Verfasser wegen Volksverhetzung (!), die von der Staatsanwaltschaft allerdings schnell niedergeschlagen wurde. Im Bundesfamilienministerium, das damals von Ursula von der Leyen geleitet wurde, stieß die Diözese jedoch auf offenere Ohren: Schon am 21.12.2007 beantragte das Ministerium, das Ferkelbuch indizieren zu lassen, weil es angeblich geeignet sei, "Kinder und Jugendliche sozial-ethisch zu desorientieren".

"Rettet das kleine Ferkel!"

Als der Indizierungsantrag Ende Januar 2008 bekannt wurde, startete die Giordano-Bruno-Stiftung in Kooperation mit dem Alibri Verlag die Kampagne "Rettet das kleine Ferkel", die von allen relevanten säkularen Verbänden im deutschsprachigen Raum unterstützt wurde – mit Ausnahme des Humanistischen Verbandes Deutschlands. Allerdings war die Zurückhaltung des HVD angesichts der rüden Angriffe auf den Verlag und die Verfasser, die später zu einer offiziellen "Missbilligung" durch den Deutschen Presserat führten, durchaus verständlich. Der negative Tenor der Berichterstattung änderte sich erst, als Literatur- und Medienwissenschaftler begannen, Ferkelbuch und Ferkelbuchstreit genauer zu analysieren. So bescheinigte der Medienwissenschaftler Stephan Packard dem kleinen Ferkel, "mit bewundernswerter Eleganz" auf der Klaviatur des öffentlichen Diskurses gespielt zu haben, während Eckart Spoo, der damalige Herausgeber der Zeitschrift Ossietzky und Vorstandsmitglied der Stiftung Deutsches Holocaust-Museum, feststellte: "Frisch, frech, fröhlich, frei wie die Verse sind die Bilder dieses Buches, das man als Beitrag zur Friedenserziehung niemandem früh genug schenken kann."

Inzwischen hat das kleine Ferkel Eingang in die Schulbuchliteratur gefunden – und vielleicht hat es sogar das Zeug zum "Klassiker": Immerhin wurde ihm neben Bram Stokers Dracula und Monty Pythons Leben des Brian ein eigenes Kapitel in dem 2015 erschienenen Sammelband "Religion und Literatur im 20. und 21. Jahrhundert" gewidmet. Die beiden Verfasser des Ferkelbuch-Kapitels, die Literaturwissenschaftler Ralph Olsen und Sebastian Kuppel, analysieren in dem Beitrag nicht nur die grotesk entgleiste Debatte zum Buch, sie stützen im Rahmen ihrer "rezeptionsorientierten Fallanalyse" auch zentrale Thesen der umfangreichen Verteidigungsschrift, die Schmidt-Salomon, Nyncke und Schedel der Bundesprüfstelle 2008 vorgelegt hatten.

Auch Kinder dürfen über Religion lachen

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Als die Ferkelbuch-Verantwortlichen am 6. März 2008 nach einstündiger Anhörung im Ausschuss für jugendgefährdende Medien vor die Presse traten, feixten sie, mit der Zurückweisung des Antrags des Bundesfamilienministeriums sei nun "erstmals amtlich bestätigt worden, dass auch Kinder über Religion lachen dürfen". Eben dies ist auch die Zielrichtung des ebenso engagierten wie heiter-ironischen Buches, das der Alibri Verlag nun zum "10-Jahresjubiläum der Ferkelrettung" herausbringen wird. Es enthält die komplette Verteidigungsschrift von 2008, angereichert um zahlreiche Illustrationen und Fotos, sowie ein ausführliches Vorwort von Michael Schmidt-Salomon, das verdeutlicht, wie aktuell die Probleme geblieben sind, die vor einem Jahrzehnt im Zuge des "großen Streits um das kleine Ferkel" zum Vorschein kamen.

Das Buch "Die Rettung des kleinen Ferkels – Warum auch Kinder über Religion lachen dürfen" kann ab sofort beim Alibri Verlag vorbestellt werden. Es ist 149 Seiten stark und kostet 10 Euro. Das Ferkelbuch selbst ist – zur Freude der einen, zum Ärger der anderen – weiterhin im Buchhandel erhältlich.