Kortizes-Veranstaltung

Marx: Nur noch von historischem Interesse?

Jürgen Neffe stellte am Sonntag im Humanistischen Salon Nürnberg seine Bestseller-Biografie über Karl Marx vor, in denen er Fragen nachgeht wie: Wer war Marx – als Denker und als Mensch? Was von seinen Erkenntnissen und Überzeugungen steckt in der politischen Bewegung, die sich nach ihm benannte? Und wie viel hat er uns heute noch zu sagen?

Zum Auftakt der neuen Staffel des Humanistischen Salons Nürnberg konnte Moderator Helmut Fink einen Bestsellerautor begrüßen. Umrahmt von Claus Geberts Klavierimprovisationen las Jürgen Neffe Passagen aus seinem aktuellen Buch "Marx. Der Unvollendete" und erzählte über seine Entstehungsgeschichte und die seiner Vorgänger. Denn es ist bereits die dritte Biografie einflussreicher Denker, die er pünktlich zu wichtigen Jubiläumsjahren vorlegte. Nach seinen erfolgreichen Büchern über die Naturwissenschaftler Einstein und Darwin geht es zum 200. Geburtstag von Karl Marx nun um Leben und Wirken des Gesellschaftskritikers mit dem großen Bart.

Foto: © Brynja Adam-Radmanic
Foto: © Karin Becker

Tatsächlich war Marx' charakteristische Haar- und Bartpracht auch Thema einer der Textstellen, die Neffe für diesen Sonntagvormittag im Sternensaal des Cafés PARKS ausgewählt hatte, denn Marx trennte sich am Ende seines Lebens von seiner Mähne und verlor damit das charakteristische Aussehen, das die Nachwelt mit ihm verbinden sollte.

Neffe hatte auch solche Passagen für die Lesung ausgewählt, die es erlaubten hinter die Kulissen der öffentlichen Person zu blicken. Und dem Publikum gefiel das. So votierte die Mehrzahl der über 60 Besucherinnen und Besucher auf Nachfrage auch dafür, dass Neffe den Liebesbrief vortragen solle, den Marx seiner Frau schrieb. Jenen Brief, von dem angenommen wird, dass er ihre Bindung wieder erstarken ließ – nach einer Phase der Krise, die durch Marx' Untreue ausgelöst wurde.

Neffe geht es in seinem Buch aber natürlich nicht nur um die Privatperson Marx – um den Ehemann, den Vater, den Freund, sondern intensiv auch um den Denker Marx – den Journalisten, den Ökonomen, den Philosophen. Neffe vermittelte in Vortrag und Lesung einen Eindruck von der Zeit, in der Marx lebte, und von dem, was ihn prägte. Von dem intellektuellen und politischen Umfeld, von Hegel, Feuerbach und Engels, von Manchester und dem Elend der Fabrikarbeiter. Und er gab Einblick in Marx' Denken, seine Analyse der Gesellschaftsstrukturen, seine Kritik an Kapital, Massenproduktion und Entfremdung.

Neffe war zudem wichtig, die Erkenntnisse und Intentionen von Marx von der Rezeption seines Werkes zu trennen. Er zeigte sich überzeugt, dass Marx nichts gehalten hätte von dem Heiligenstatus, der ihn in manchen Kreisen umweht. Von der Art, wie Busladungen von politischen Fans heute zu seinem Geburtshaus oder zu seinem Grab pilgern wie zu einer Wallfahrtsstätte. Er wollte aufzeigen, wo Marx durch politische Gruppen instrumentalisiert wurde. Und er versuchte Antworten zu geben auf die Frage: Was am Marxismus war und ist im seinem Sinne? Und was überhaupt nicht?

Auch machte Neffe im Humanistischen Salon deutlich, dass Marx für ihn nicht nur von historischer Bedeutung ist. Er lud das Publikum dazu ein, den Denker hinter der Politik, die in seinem Namen gemacht wurde, wieder neu zu entdecken. Denn nach Neffes Überzeugung können Marx' Analysen uns auch heute noch helfen – etwa beim Verständnis von Globalisierung und Digitalisierung und um die politische Kontrolle darüber zu erlangen, etwa durch gute Entscheidungen bei der Frage, wofür Märkte zuständig sein sollen und was lieber in öffentlichem Besitz sein sollte.

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Jürgen Neffe, Marx. Der Unvollendete, C. Bertelsmann Verlag, 2017, ISBN 978-3-570-10273-2, 28,00 Euro

Ein Video-Mitschnitt der Veranstaltung wird demnächst im Youtube-Kanal des Humanistischen Salons zu sehen sein.


Am 11. November um 11 Uhr lädt das Institut Kortizes zum nächsten Humanistischen Salon in Nürnberg. Dabei wird es um ähnliche Fragen gehen. Unter dem Titel "Wirtschaft ohne Ethik? Ökonomische Verantwortung zwischen Markt und Moral" diskutieren der Wirtschaftsphilosophie-Professor Dr. Hartmut Kliemt und der Direktor der Denkfabrik für Wirtschaftsethik MeM Dr. Ulrich Thielemann.

Und am 9. Dezember stellt der Biologe Dr. Franz Klebl im Humanistischen Salon vor, wie die berühmte Gen-Schere CRISPR/Cas funktioniert und welche Chancen und Risiken diese Biotechnologie birgt.

Wie gewohnt wird der Kortizes-Musiker Claus Gebert auch bei den kommenden Terminen am Flügel für Salonstimmung sorgen. Während seines Live-Klavierspiels am Anfang der Veranstaltung und in der Pause gibt es zudem die Gelegenheit am Brunch teilzunehmen und/oder sich mit Getränken zu versorgen.