Corona-Pandemie bringt Impfgegner ins Schwitzen

Impfkritiker und vor allem Impfgegner liefen vor der Corona-Pandemie zur Hochform auf. Sie konnten ihren Einfluss laufend ausbauen, weil die Skepsis gegenüber Impfungen immer breitere Bevölkerungskreise erfasst hatte. Die Coronakrise macht jedoch deutlich, wie wichtig Impfstoffe im Zeitalter der globalen Mobilität sind. Und in Zukunft wohl erst recht sein werden.

Die Allianz der Impfkritiker und Impfgegner umfasste nicht nur die hartgesottenen Wutbürger, die in der Schulmedizin, der Pharmaindustrie, den Wissenschaftlern und vielen Politikern das klandestine Wirken geheimer Mächte sahen. Zu ihr gesellten sich vermehrt auch Esoteriker, Naturheilpraktiker, Anhänger der Alternativmedizin, Geistheiler, Gegner des Mobilfunknetzes 5G, Verschwörungstheoretiker und rechtsradikale Kreise.

Ihre Aversionen sind entsprechend unterschiedlich und vielfältig. Die Impfungen würden gefährliche Inhaltsstoffe enthalten, sagen die einen. Andere glauben, Impfungen würden Krankheiten auslösen und unter anderem zu Autismus führen. Manche behaupten, Kinderkrankheiten wie Masern seien harmlos und gehörten zur natürlichen körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern. Sie veranstalten Masernpartys, obwohl schon viele Kinder an Masern gestorben sind. Die Hardliner wiederum streiten schlichtweg die Existenz von Viren ab.

Den meisten gemeinsam ist, dass sie ein grundsätzliches und oft abgrundtiefes Misstrauen gegenüber der Schulmedizin, der Pharmaindustrie und der Politik hegen. Und dass sie Laien sind, sich aber als Experten fühlen. Und sich auch so gebärden. Experten, die es besser wissen als all die zehntausenden Virologen und Immunologen weltweit.

Verunsicherte Impfkritiker

Dann kam Corona. Die Pandemie hat nicht nur große Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt, sondern auch viele Impfkritiker. Vor allem die älteren. Und diejenigen, die unter Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislaufproblemen leiden.

Denn wie alle vernünftigen Leute sehnten sie sich danach, dass rasch ein Impfstoff entwickelt werde, um das fiese Virus auszurotten. Unter ihnen die überwiegende Mehrheit des Pflegepersonals, die sich bisher standhaft weigerte, sich gegen die gewöhnliche Grippe zu impfen.

Und was macht Corona mit den hartgesottenen Impfgegnern? Nichts. Zumindest tun sie so. Für sie sind die Corona-Maßnahmen Panikmache, um die Bevölkerung unterdrücken und manipulieren zu können. Sie verhalten sich wie radikale Gläubige, deren Aberglauben entlarvt worden ist. Oder wie Anhänger einer Sekte.

Sie ergreifen die Flucht nach vorn und behaupten, es gebe gar keine Viren. Diese seien eine Erfindung der weltweiten Machtelite aus Politik, Geldadel, Pharmaindustrie, Schulmedizin und Wissenschaft.

Impfgegner leugnet die Existenz von Viren

Einer dieser Virenleugner ist der deutsche Biologe Stefan Lanka. Er versprach vor Jahren jedem, der mit einer Studie die Existenz von Viren nachweisen und deren Größe bestimmen könne, 100.000 Euro. Ein Mediziner legte ihm sechs Studien vor, doch Lanka verweigerte ihm das "Preisgeld". Der Geprellte ging vor Gericht und bekam recht. Lanka zog das Urteil weiter und wurde aus formalen Gründen freigesprochen. Der Grund: Er hatte den Nachweis in nur einer Studie verlangt.

Klare Worte gab auch der deutsche Impfgegner Hans U. P. Tolzin von sich. Angesichts der Panikmache und den "massiven Grundrechte-Einschränkungen" könne man nur zum Schluss kommen, dass "die Menschheit nun endgültig wahnsinnig geworden ist", sagte er.

In ein ähnliches Horn bläst auch Daniel Trappitsch, der Guru der Schweizer Impfgegner-Szene. Der Naturheilpraktiker vom Netzwerk "Impfentscheid" und seine Verbündeten reichten beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den Bund ein. Dieser verletze mit seinen Pandemie-Maßnahmen mehrfach die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte der gesamten Schweizer Bevölkerung, monierten sie. Deshalb sei der Bundesrat angemessen zu bestrafen. Schon nach fünf Tagen erteilte das Gericht den Beschwerdeführern aber eine klare Abfuhr.

Trappitsch beglückte seine Anhänger außerdem mit mehreren schriftlichen Stellungnahmen. So behauptete er unter anderem, die angebliche Pandemie sei nur eine harmlose, aufgebauschte Problematik. Behörden und Medien würden "Panik und Hysterie" verbreiten, denn ein Virus sei nicht nachgewiesen. Außerdem sei es nur eine Theorie, dass sich Viren über Ansteckung verbreiten würden.

Im Newsletter des Netzwerkes vom 18. März schrieb er: "Ich sehe diese ganzen Machenschaften als Chance für die Bewusstwerdung der Menschheit. (…) Bitte vergessen Sie nicht, dass ein bewusster, freiheitsliebender und selbstdenkender Mensch so viel Potential hat wie 10.000 eingelullte schlafende 'Schafe'. Das sollte Mut und Kraft geben."

Ein paar Tage später schrieb er unter dem Titel "Die Coronakrise, die nur in den Köpfen existiert?", man könnte zum Beispiel mit einer Verstärkeranlage Audioberichte von Impfkritikern auf dem Balkon laut abspielen. Er empfahl auch, das Handy zu Hause zu lassen. "Denn es geht nun wirklich darum, unsere Freiheitsrechte zu schützen, wenn wir nicht in demselben Überwachungsstaat landen wollen wie China."

Den letzten Newsletter schrieb Trappitsch am 3. April. Dann verstummte er. Haben ihn die Zehntausenden Covid-Patienten, die im April verstorben sind, doch etwas nachdenklich gestimmt? Vielleicht. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr hoch. Zu vermuten ist vielmehr, dass ihm seine früheren Aussagen und "Analysen" peinlich geworden sind.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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