Seit gestern überziehen die Bremer Evangelikalen die Stadt mit einer Großkampagne. Neben tausenden Plakaten und Flyern bis hin zu Bierdeckeln wollen sie riesige Mengen an Material verteilen. In zahlreichen der bibeltreuen Gemeinden wurden "Evangelisten" ausgebildet und motiviert. Sie klingeln an Türen, organisieren Infostände und werben mit zahlreichen Veranstaltungen und öffentlichen "Lobpreisungen" für ihre Sache.
Für welche Sache stehen sie?
Evangelikale stehen für eine weitgehend wortgetreue Auslegung der Bibel. Die Bibel, bestehend aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments, sei die Offenbarung des dreieinigen Gottes. Sie sei von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung, nachzulesen in der "Glaubensbasis" der Deutschen Evangelischen Allianz, dem hiesigen Netzwerk der Evangelikalen.
Damit stehen sie für eine mittelalterliche, patriarchale Sexualmoral. Sex vor der Ehe und ohne Ehe ist ebenso wie Homosexualität eine Sünde. Frauen dürfen, wie bei den Katholiken und Muslimen, nicht auf die Kanzel. Evangelikale streiten für das absolute Abtreibungsverbot. Moderne Aufklärung in den Schulen ist ihnen ein Gräuel.
Die ungarischen "Familiengesetze", die Aufklärung in Schulen über verschiedene Geschlechter und sexuelle Orientierungen strengstens verbieten, werden von ihnen beklatscht (Idea 17.3.2022). Die Abtreibungsverbote in zahlreichen US-Bundesstaaten lösen bei ihnen Jubel aus. Die evangelikale Organisation The Family brachte in Uganda ein Gesetz ein, welches lebenslange Haft für homosexuelle Handlungen vorsah. Es wurde mit großer Mehrheit im Parlament beschlossen.
Nach evangelikaler Lesart der Bibel sind Menschen Untertanen, Sklaven Gottes, wie Olaf Latzel es nennt. Und: nach ihrer Auffassung sind die Menschen nur dann der weltlichen Obrigkeit zum Gehorsam verpflichtet, wenn die Gesetze im Einklang mit ihrer Bibelauslegung stehen.
Es ist bei den Bremer Evangelikalen die gleiche evangelikale Denkart, die sie in Brasilien zu Unterstützern des Faschisten Jair Bolsonaro macht und sie veranlasste, Donald Trump zu unterstützen. Kein Land im Süden Amerikas, in dem sie nicht geschlossen hinter den Kandidaten der politischen Rechten stehen.
Johann Hesse vom evangelikalen Gemeindehilfsbund, Redner auf Querdenker-Demos in Verden und aus dem Umfeld der AfD, predigte zuletzt im Frühjahr 2022 in Olaf Latzels Martini-Gemeinde. Dort bekommt auch der AfD-Bundestagskandidat Olaf Kappelt sein Abendmahl und geht regelmäßig zu Latzels Verkündungen. Das autoritäre Weltbild der Evangelikalen passt genau in die "Anführer-Ideologie" der politischen Rechten.
35 teilnehmende Kirchen und Einrichtungen aus Bremen
Die Kampagne "Gott spricht in Bremen" ist Teil der evangelikalen Missionsstrategie, Teil des großen Wunsches auch der katholischen Kirche (zuständiger Bischof: Franz-Peter Tebartz-van Elst) und der politischen Rechten nach der "Rechristianisierung" Europas.
35 überwiegend evangelikale Kirchen und Einrichtungen aus Bremen machen mit. Die Liste der teilnehmenden Gemeinden ist nahezu identisch mit den Mitgliedern der Evangelischen Allianz in Bremen. Das Konzept stammt aus der evangelikalen Ideenschmiede und Kampagnen-Group "Marburger Medien". Anlaufpunkt und Kontaktanschrift ist der Leiter des Missionsprojekts "Lighthouse" der evangelischen Kirche in Bremen, Johannes Müller. Er wird aus den Kirchensteuermitteln der 160.000 Mitglieder der evangelischen Kirche in Bremen bezahlt und gehört auch dem Vorstand der Evangelischen Allianz, dem Netzwerk der Evangelikalen, an. Er agiert als evangelikaler Wolf im liberalen Schafspelz der Bremischen Evangelischen Kirche.
Wenn also zwischen dem 6. Juni und dem 17. Juli an der Tür geklingelt wird, vor dem Einkaufszentrum Infotische stehen oder Lobpreisgesänge erklingen – es ist mehr als nur das Werben frommer Christen für ihren Gott. Hinter dieser Kampagne steht das Konzept einer konservativen Rechristianisierung mit handfesten politischen Zielen: Abtreibungsverbot, biblisch begründete Zurücksetzung von Frauen, Diskriminierung und Ausgrenzung queerer Menschen und die Sehnsucht nach einem autoritären Staat.
8 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Gott spricht weder in Bremen noch sonstwo.
Da ist kein Gott.
Thomas Gensky am Permanenter Link
Bis auf die Abweichung bei der Dreieinigkeitslehre entsprechen die Lehren der Bremer Evangelikalen denen der Zeugen Jehovas.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Dieses widerliche Gesülz kann man als säkularer Humanist einfach nicht mehr hören.
Roland Fakler am Permanenter Link
In der Bibel AT und NT wird für Homosexualität die Todesstrafe gefordert, wenn Christen nur lebenslänglich fordern, ist das eine Missachtung des göttlichen Willens, die mit ewigen Höllenstrafen vergolten wird.
Conni am Permanenter Link
Soviel mir bekannt ist, verlangen die Evangelikalen den Zehnten für Gott. Also 10% Kirchensteuer.
Macht doch mal ein Interview mit so einem Oberguru und recherchiert investigativ seinen Lebensstsndard. Soetwas hat jedenfalls Herrn Tebartz van Elst unmöglich gemacht.
A.S. am Permanenter Link
Das meiste Geld dürfte in die Mission gehen, also als "Investition" in das Geschäft mit Gott. Geprasst wird, wie bei den anderen Religionen, eher im Verborgenen.
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Gute Überschrift! Um darauf hinzuweisen, dass auch dieser allmächtige Gott nicht selbst sprechen kann, sondern seine (Be)Vormunde das tun. Genau wie bei den vielen anderen falschen Gotten und Göttinnnen ...
Gerhard Lein am Permanenter Link
Wo kann ich die Namen/Bezeichnungen der 35 Kirchen/Einrichtungen/Personen erfahren?