Zum Freispruch von Olaf Latzel

Ein Einfallstor für religiöse Fanatiker

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Der Prediger Olaf Latzel wurde in zweiter Instanz vom Landgericht freigesprochen. Damit wurde das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom November 2020 aufgehoben. Das Amtsgericht Bremen hatte den evangelikalen Prediger wegen Volksverhetzung zu 8100 Euro Strafe verurteilt, da er unter anderem Homosexuelle als Degenerationsform der Gesellschaft und Menschen vom CSD als Verbrecher bezeichnet hatte. Latzel war in Revision gegangen.

Die Anwälte Latzels hatten sofort nach der Einreichung der Berufung ein theologisches Gutachten gefordert, um nachweisen zu können, dass Latzel die Position der Bibel vertrete und durch die Religionsfreiheit seine Aussagen vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt seien.

Diese Ansicht allein offenbart ein sonderbares Bild dieser Gesellschaft und ihrem Rechtsverständnis. Würden alle Aussagen aus der Bibel, der Tora, dem Koran oder dem Buch Mormon durch die Religionsfreiheit gedeckt und somit über den bürgerlichen Gesetzen wie Grundgesetz, dem Strafgesetzbuch oder dem BGB stehen, hätten man der Rechtsphilosophie der religiösen Dogmatiker nachgegeben, dass bürgerliche Gesetze nur dann anzuerkennen sind, wenn sie im Einklang mit den Aussagen der alten Bücher stehen. Damit sind sich die christlichen Dogmatiker der Evangelikalen, der Katholiken und der orthodoxen Kirche selbst mit den Islamisten einig. Islamisten vertreten konsequent die Position, dass sich das staatliche Strafrecht an der Sharia zu orientieren habe.

Das Landgericht Bremen hat sich darauf verständigt, zwei theologische Gutachter zu befragen ob denn die von Latzel vertretenen Auffassungen durch die Bibel gedeckt seien.

Mit dieser Einlassung hat sich das Landgericht, unter Missachtung der Prinzipien eines säkularen bürgerlichen Rechtssystems, bereits auf die Argumentation des religiösen Blocks eingelassen. Die Berufungskammer beim Landgericht hat am 16. Mai ein Gutachten, das der "liberalen" Theologin, als Befangen abgelehnt. Sie hatte Latzels Äußerungen kritisiert.

Der andere Gutachter, der katholische Theologe Schwienhorst-Schönberger, erklärte, Latzel habe für seine Bewertung der Homosexualität als sündhaft "von der Sache her eine gute biblische Grundlage". Aus christlicher Sicht könne auch die radikale Gendertheorie als Widerspruch zur göttlichen Schöpfungsordnung gesehen werden. Das gelte auch für die Bewertung von Homosexualität als Degenerationsform der Gesellschaft. Diese Ansichten seien nicht Latzels "private Sondermeinung", sondern würden weltweit nach wie vor von Theologen vertreten." (Zitiert nach IDEA 13.Mai 2022)

Wenn strafrechtliche Tatbestände von Personen begangen werden, kann es allenfalls eine Rolle spielen, ob die Person unter Umständen nur eingeschränkt strafmündig ist. Dies kann bei jugendlichen Tätern oder psychischen Erkrankungen der Fall sein. Ein politischer oder religiöser Hintergrund für ein Tatmotiv darf sich nicht strafmildernd auswirken, dies würde dem Gleichheitsgrundsatz der Gesetzgebung widersprechen.

Daher ist die Einlassung auf die Frage, ob Volksverhetzung und Beleidigung unter die Religionsfreiheit fallen, in sich schon eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und der postulierten Ansprüche, dass die Gesetze vom Volke gemacht werden und nicht von Göttern bzw. von ihren selbsternannten Stellvertretern.

Im Falle Olaf Latzels ist es daher völlig egal, ob Latzel seine Verkündigungen und Beleidigungen aus dem Kaffeesatz, einem Comic oder der Bibel ableitet. Das gesagte Wort und seine Intention zählen. In seinem Fall ist nicht nur aus den Verlautbarungen des Eheseminars bekannt, dass er Gender, Homosexualität und Ehebruch für eine Sünde hält, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Diese Aussagen hat er wiederholt getätigt und sie finden sich auch im Gemeindebrief seiner Martinigemeinde wieder, deren Redaktion er angehört. Insofern sind auch seine Entschuldigungen reine Lippenbekenntnisse.

Die Entscheidung des Gerichts ist ein Einfallstor für religiöse Fanatiker jedweder Richtung, ihre religiösen Dogmen über bürgerliche Gesetze und gesellschaftliche Diskurse zu stellen.

Wir sollten die evangelikale Weltsicht als das sehen, was sie wirklich ist. Eine politische Ideologie, eine Verschwörungstheorie, die Andersdenkende, Frauen und queere Menschen erniedrigen und zwangsbehandeln will. Und weil sie eine politische autoritäre Bewegung ist, bieten sie Diktaturen und autoritären Regimen, Putins und Erdogans, eine Blaupause, Menschen als Untertanen unter Staat und göttlichen Willen zu behandeln.

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