TRAIN. (hpd) Mit einem eigenen Festakt feierte der Frankfurter Zoo dieser Tage den 55. Jahrestag der Begründung seiner "Zooschule". Auf Anregung des seinerzeitigen Direktors Bernhard Grzimek, der insofern eine in US-Zoos bereits seit den 1930ern etablierte Einrichtung kopierte, wurde 1960 die europaweit erste zoopädagogische Abteilung ins Leben gerufen.
Deren Ziel war und ist, wie der aktuelle Direktor Manfred Niekisch es formuliert, "Tiere achten zu lernen und ihre Lebensräume zu schützen". Allein von Januar bis September 2015 hätten nicht weniger als 12.000 Menschen, darunter 567 Schulgruppen, von der pädagogischen Arbeit des Frankfurter Zoos profitiert: Anlass genug, einmal genauer hinzusehen, was genau in den sogenannten "Zooschulen", die es, subventioniert mit öffentlichen Mitteln, längst in jedem größeren Zoo gibt, eigentlich betrieben wird.
Das von Zoos meistgenannte Argument zur Rechtfertigung ihrer Existenz ist die Behauptung, sie trügen zur Bildung der Besucher bei. Gemäß § 42 Absatz 3 Ziffer 6 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vom 29.7.2009 sind sie auch ausdrücklich verpflichtet, "die Aufklärung und das Bewusstsein der Öffentlichkeit in Bezug auf den Erhalt der biologischen Vielfalt" zu fördern, "insbesondere durch Informationen über die zur Schau gestellten Arten und ihre natürlichen Biotope". Wie sie das machen, ist ihnen selbst überlassen. Es gibt weder Rahmenrichtlinien noch eine Effizienzkontrolle der jeweiligen Bemühungen.
ROLIGALS und NOBOBOS
Das Hauptaugenmerk der "Zooschulen" liegt auf der Arbeit mit Kindern zwischen vier und vierzehn Jahren. Zu vorab vereinbarten Terminen kommen die Kindergarten- oder Schulgruppen zusammen mit ihren ErzieherInnen oder LehrerInnen in den Zoo und werden dort für die Dauer von ein- bis eineinhalb Stunden (gelegentlich auch länger) von eigens dazu abgestellten ZoopädagogInnen betreut. Der Ablauf ist überall der gleiche: nach einer Einführung in die Verhaltensregeln im Zoo werden die Kinder durch die Anlage geführt und erhalten Informationen über die jeweils aufgesuchten Tiere; meist darf auch ein Blick "hinter die Kulissen" (Aufzuchtstation, Betriebshof, Futterküche o.ä.) geworfen werden. Ältere Kinder werden mit zu bewältigenden Erkundungs- oder Beobachtungsaufgaben betraut und in eigenständigen Kleingruppen durch den Zoo geschickt.
Ein in den meisten Zoos vorgehaltener eigener Zooschulraum erlaubt didaktische Vor- und Nachbereitung, in der Regel stehen dort auch Mikroskope, präparierte Tierteile etc. zur Verfügung. Kleinere Kinder können hier malen oder basteln, größere erhalten Arbeitsblätter, auf denen zoologische Fragen behandelt werden wie "Was fressen Zootiere?", "Wer ist Otti Otter?" oder "Warum haben Pinguine einen Frack an?". Ethische Fragestellungen kommen nicht vor. Arbeitsmaterialien und zoopädagogische Betreuung sind über einen Aufschlag auf das reguläre Eintrittsgeld zu bezahlen, mancherorts sind sie auch kostenfrei.
Aufschlussreich ist ein Blick in den "Kinderzooführer", den die Wuppertaler Zooschule für Kinder ab 8 Jahren bereithält. In dem 44-seitigen Geheft werden den Kindern bestimmte Aufgaben gestellt, die sie eigenständig lösen müssen. Im Menschenaffenhaus etwa sollen sie die Artennamen der vorzufindenden Tiere "enthexen": ROLIGALS, NOBOBOS, GARON-NATUS, MEINSCHNAPS. Die vermittelten zoologischen Informationen bewegen sich auf ähnlichem Niveau, vielfach sind sie auch schlichtweg falsch ("Schimpansen und Bonobos sind schwer voneinander zu unterscheiden. Erst 1992 bemerkten Forscher, dass es unterschiedliche Tiere sind". Tatsächlich wurden Bonobos schon Ende der 1920er als eigenständige Art mit erheblichen Unterschieden zu den Schimpansen beschrieben.)
Das Ziel der aufwändig beworbenen Zooschulprogramme liegt angeblich darin, Kindern ein "tieferes Naturverständnis" vermitteln zu wollen. Die Zooschule Bremerhaven beispielsweise steht unter dem Motto: "Der Natur im Zoo begegnen - in der Zooschule die Natur verstehen lernen." Tatsächlich begegnen die Kinder im Zoo gerade nicht der Natur, der wirklichen Tierwelt schon gar nicht. Jeder Dokumentarfilm, wie es sie heute zu jeder in Zoos gehaltenen Tierart in herausragender HD-Qualität gibt, vermittelt mehr Kenntnis und Wissen und weckt mehr Empathie, als ein Zoobesuch dies je vermag. Noch nicht einmal das Argument, im Zoo könnten die Kinder den Tieren "mit allen Sinnen" begegnen, sie also nicht nur sehen und hören wie im Film, sondern auch riechen und anfassen, ist tragfähig. Tiere riechen in ihrer natürlichen Umgebung keineswegs so wie sie im Zoo riechen, wo sie Kot und Urin in ihren beengten Käfigen absetzen und sich direkt daneben aufhalten müssen: Zoos vermitteln insofern ein völlig falsches Geruchsbild (ganz abgesehen davon, dass viele Tiere hinter Panzerglas zur Schau gestellt werden, durch das keinerlei Geruch dringt). Auch die Möglichkeit Tiere zu berühren ist sehr limitiert: sie beschränkt sich in der Regel auf die Streichelzooabteilung, in der Schafe, Zwergziegen, Minischweine usw. angefasst und gestreichelt werden dürfen. (Dass dies für die Tiere oftmals enormen Streß bedeutet, wird den Kindern nicht erklärt.)
Gezielte Manipulation
Freilich geht es der sogenannten Zoopädagogik auch gar nicht um die Vermittlung von Naturverständnis, vielmehr geht es ihr in erster Linie darum, die Kinder möglichst frühzeitig auf die Gegebenheiten des Zoos zu konditionieren, darauf, dass sie es als normal und richtig empfinden, dass Tiere zum Vergnügen des Menschen hinter Isolierglasscheiben, Eisengittern und stromführenden Zäunen eingesperrt sind. Das in Kindern vielfach (noch) vorhandene Mitgefühl mit den in teils absurd winzigen Käfigen zusammengepferchten und offenkundig leidenden Tieren wird ihnen in den Zooschulen systematisch ausgetrieben. Lernziel: Tiere haben es gut im Zoo! Zugleich wird den Kindern vermittelt, dass es völlig normal und richtig ist, Tiere zu nutzen und zu verwerten. Lernziel: Tiere sind für den Menschen da! Und nicht zuletzt wird den Kindern die Begründung und Rechtfertigung für die Existenz von Zoos eingetrichtert. Lernziel: Zoos dienen dem Erhalt der Tierwelt!
3 Kommentare
Kommentare
Claudia am Permanenter Link
Mit ernstzunehmendem Biologieunterricht hat die sogenannte "Zoopädagogik" nichts zu tun. Niemand gibt vor oder kontrolliert, was die selbsternannten "ZoolehrerInnen" da verzapfen.
Elmar am Permanenter Link
"Mehrheitlich von Mitgliedern der jeweiligen Zoofördervereine oder von pensionierten Tierpflegern" sollen die Zooschulen betrieben werden und "In vielen Zoos liegt die Außendarstellung komplett in den H
In den "Zoos", die ich kenne, wird die Zoopädagogik von ausgebildeten Lehrer/inne/n und/oder von Biolog/inn/en durchgeführt.
Es ginge vor allem um die Bindung an die Zoos ...
Da würde ich mir mal die Leitziele und Beobachtungsaufträge der Zooschulen anschauen.
Es lohnt sich nicht die vielen tendenziös zusammengesuchten Informationssplitter weiter zu kommentieren.
Der Hinweis im vorherigen Kommentar auf die Effektivität von Zoopädagogik hat mir gefallen - darüber kann man diskutieren. Aber bitte, nachdem man sich über den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse informiert hat. "Kontrolliert, was die selbsternannten "ZoolehrerInnen" da verzapfen" wird übrigens auch. Wir nennen das aber lieber "evaluieren".
(Ich bin gespannt, ob dieser Kommentar freigeschaltet wird. Sind Sie wirklich für freie Diskussion und Meinungsbildung?)
Antonietta am Permanenter Link
Die Zucht in Gefangenschaft sorgt für einen Überschuss an Tieren.