OBERWESEL. (gbs/hpd) Nach einer positiven Bilanz für das Jahr 2011 blickt die Giordano-Bruno-Stiftung mit Zuversicht nach vorn. Einige Projekte wie die Kampagnen gegen Staatsleistungen und Konkordatslehrstühle werden weitergeführt, doch wird es 2012 auch neue Themen geben. Wobei sich, so Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon, „humanistisches Engagement keinesfalls in der Religionskritik erschöpfen kann“.
Zu den Höhepunkten des vergangenen Jahres zählten laut Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon die Debatte zur Präimplantationsdiagnostik (PID), zu der die gbs-Ethikkommission ein vielbeachtetes Gutachten beisteuerte, die feierliche Verleihung des gbs-Ethikpreises an die beiden Initiatoren des „Great Ape Project“ Paola Cavalieri und Peter Singer in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt sowie die kritischen Aktionen zum Papstbesuch in Deutschland, vor allem die Großdemo „Keine Macht den Dogmen!“ in Berlin, an der rund 15.000 Menschen teilnahmen.
Als „richtungsweisend“ hob Schmidt-Salomon hervor, dass die Giordano-Bruno-Stiftung 2011 neben den klassischen Themen „Trennung von Staat und Kirche“, „Engagement für Menschenrechte“ und „Förderung eines wissenschaftlich-aufgeklärten Weltbildes“ neue Themen für sich erobert habe. So habe sich die gbs durch den Neustart des „Great Ape Project“ erstmals auf das Gebiet der Tierrechte vorgewagt und durch die Beteiligung am Cradle-to-Cradle-Festival in Berlin für neue Ansätze in der Ökologie geworben. Auf diesem Weg wolle die Stiftung weiter voranschreiten, sagte der Stiftungssprecher. Um die evolutionär-humanistische Perspektive auch auf anderen Feldern zu verdeutlichen, sei auf dem letzten Stiftungstreffen im September beschlossen worden, zwei neue Arbeitsgruppen zu den Themen „Ökonomie“ und „sexuelle Selbstbestimmung“ einzurichten.
„Sehr zufrieden“ zeigte sich Schmidt-Salomon damit, „dass die Stiftung 2011 einige Punktsiege vor Gericht erringen konnte“. So hatte das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach im Januar 2011 die Wiederbesetzung eines Konkordatlehrstuhls an der Universität Erlangen gestoppt. Die von der Philosophin Ulla Wessels (Mitglied des gbs-Beirates) geführte Klage tritt gegenwärtig in die entscheidende Phase. Erfolgreich abgeschlossen wurde im August 2011 das Verfahren, das Schmidt-Salomon gegen den Regensburger Bischof Müller angestrengt hatte, nachdem dieser ihn in einer Predigt verleumdete. Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seinem Urteil fest, dass "die religiöse Äußerungsfreiheit, auch soweit es um eine Predigt geht, keinen absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes" genießt. Somit ist nun amtlich bestätigt, dass auch Bischöfe hin und wieder bei der Wahrheit bleiben müssen.
Beeindruckende Arbeit der Regionalgruppen
Von den Veranstaltungen des Jahres 2011 hob Schmidt-Salomon neben dem Festakt zur Ethikpreisverleihung in Frankfurt vor allem das „Denkfest Zürich“ hervor, bei dem auf Einladung der Schweizer Freidenker freigeistige Wissenschaftler, Kabarettisten, Philosophen und Blogger aus aller Welt aufeinandertrafen . „Äußerst beeindruckend“ sei auch die „Religionsfreie Zone“ in Dresden gewesen. Dass die gbs-Regionalgruppe Dresden (GeFAHR e.V.) „mit so wenigen Mitteln ein solch buntes, anspruchsvolles und unterhaltsames Alternativprogramm zum evangelischen Kirchentag auf die Beine stellen konnte“, habe niemand erwartet. „Ohnehin ist es imposant, wie viele Veranstaltungen und Aktionen die gbs-Regionalgruppen vor Ort durchführen“, sagte Schmidt-Salomon. „Es zahlt sich offenkundig aus, dass wir nach dem ‚Graswurzel-Prinzip‘ den einzelnen Gruppen freie Hand in ihrer Arbeit lassen. Nie zuvor bin ich so vielen interessanten, klugen und kreativen Menschen begegnet. Allein für dieses Netzwerk der gbs-Fördermitglieder hätte es sich gelohnt, die Stiftung zu gründen.“
Die soziale Verankerung vor Ort hat, wie Stiftungsgründer Herbert Steffen betont, auch geholfen, um Aktionen wie das „Kirchenaustrittsjahr“ erfolgreich durchzuführen: „Die Mitglieder des Förderkreises haben nicht nur Flyer verteilt, sondern auch Events wie den kollektiven Kirchenaustritt in Mainz begleitet. Das hat der Stiftung und ihren Anliegen zusätzliche Aufmerksamkeit verschafft! “ Ein wichtiger Schritt sei auch der Relaunch der gbs-Website Mitte des Jahres gewesen. Der neue, übersichtlichere und mit multimedialen Inhalten gefüllte Internetauftritt der Stiftung habe ebenfalls zu einem verstärkten Zuwachs des Förderkreises geführt. Glücklich zeigte sich Steffen zudem über den unproblematischen Umzug der Stiftungsräume von Mastershausen nach Oberwesel (Oberes Mittelrheintal, Nähe Loreley). Auf der ersten Veranstaltung im neuen Stiftungsdomizil mit dem neuen Stiftungsmitglied Hamed Abdel-Samad seien so viele Gäste anwesend gewesen wie selten zuvor.
Furioser Start ins neue Jahr
Ins neue Jahr ist die gbs mit einem furiosen Klavierkonzert am Stiftungssitz in Oberwesel gestartet. Der junge Pianist Adel Ferenc Mohsin begeisterte am Neujahrstag das Publikum mit einer atemberaubenden Darbietung ausgewählter Werke von Liszt, Rachmaninow, Bach und Schubert. Die Leichtigkeit, mit der der Siebzehnjährige einige der schwierigsten Stücke der Klavierliteratur meisterte, beeindruckte auch Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon: „Adel musiziert schon jetzt auf absolutem Weltklasse-Niveau. Sein Spiel ist so vollendet, dass man sich eine weitere Steigerung kaum vorstellen kann. Ich bin sehr glücklich, dass ein solches Ausnahmetalent zur Giordano-Bruno-Stiftung gefunden hat." Ohnehin sei es bemerkenswert, "wie viele hochtalentierte, junge Menschen sich dem gbs-Förderkreis angeschlossen haben." Mit Blick auf diese neue Generation von Freigeistern müsse man sich um die Zukunft der Stiftung wohl keine Sorgen machen.
In einer kurzen Ansprache am Ende des Konzerts bedauerte Schmidt-Salomon, „dass die gbs ihre Argumente in der Gesellschaft leider nicht mit der gleichen Virtuosität zu Gehör bringen kann wie Adel Mohsin die Lisztschen Klangkaskaden auf dem Klavier“. Dennoch habe sich die Stiftung für 2012 viel vorgenommen. Sie werde sich unter anderem an einer kritischen Ausstellung und Veranstaltungsreihe zur Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier (14. April bis 17.Juni 2012) beteiligen sowie an der „Religionsfreien Zone“ zum Katholikentag in Mannheim (16. bis 20. Mai 2012). Zudem sei – begleitend zum Erscheinen des 10. Bandes und damit zur Vollendung der „Kriminalgeschichte des Christentums“ (voraussichtlich September/Oktober 2012) – eine Festveranstaltung zu Ehren Karlheinz Deschners geplant. Unterstützen werde die gbs darüber hinaus die von der GWUP ausgerichtete „Weltskeptiker-Konferenz“ in Berlin (18.- 20. Mai 2012) sowie die vom IBKA organisierte „Internationale Atheisten-Konferenz“ in Köln (25.-27. Mai 2012).
Schwerpunkt Bildung
Die Agenda 2012 der Giordano-Bruno-Stiftung ist auch jenseits solcher Großveranstaltungen prall gefüllt: Zum Themenspektrum „Trennung von Staat und Kirche“ will die gbs mit ihren Kooperationspartnern nicht nur die bereits laufenden Kampagnen zur Abschaffung der Staatsleistungen und der Konkordatslehrstühle weiterführen, sondern auch eine Kampagne zur Veränderung des diskriminierenden kirchlichen Arbeitsrechts starten. Zudem sind Aktionen zum „ärztlich begleiteten Suizid“ sowie zur „sexuellen Selbstbestimmung“ geplant. Ein zentraler Schwerpunkt der Stiftungsarbeit soll 2012 wie auch in den kommenden Jahren im Bildungsbereich liegen: Die gbs will der „weltanschaulichen Manipulation von Kindern und Jugendlichen“ mit Initiativen entgegentreten, die zum Ziel haben, die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie möglichst früh und umfassend in der Schule zu lehren sowie Philosophie und Religionswissenschaft gegenüber dem konfessionellen Religionsunterricht aufzuwerten.
Passend zum Schwerpunkt „Bildung“ werden 2012 Bücher auf den Markt kommen, die das Thema in unterschiedlicher Weise aufarbeiten: Bereits im Februar/März wird Michael Schmidt-Salomons Streitschrift „Keine Macht den Doofen!“ bei Piper erscheinen, die mit markigen Worten zum „Widerstand gegen den religiösen, politischen, ökonomischen und pädagogischen Irrsinn unserer Zeit“ aufruft. Im September wird Bastei-Lübbe Philipp Möllers erstes Buch „Isch geh Schulhof“ veröffentlichen, in dem der gbs-Pressereferent „Unerhörtes aus dem Alltag eines Grundschullehrers“ preisgibt und seine mitunter verstörenden Erfahrungen aus der pädagogischen Praxis reflektiert. Zudem soll bis Ende des Jahres im Alibri-Verlag eine aktualisierte Neuauflage des mittlerweile in die Jahre gekommenen Klassikers „Konfessionsfrei in der Schule“ erscheinen.
Erweitertes Themenspektrum
„Gegenüber den Anfangsjahren der gbs, in der die Stiftung fast ausschließlich im Bereich der Religionskritik im engeren Sinne tätig war, hat sich das Themenspektrum enorm erweitert“, erklärte Schmidt-Salomon am Rande des Neujahrsempfangs. „Natürlich müssen wir angesichts unserer begrenzten Ressourcen darauf achten, dass wir uns thematisch nicht verzetteln. Dennoch wollen wir klarmachen, dass sich humanistisches Engagement keinesfalls in der Religionskritik erschöpfen kann. Die Stärke einer säkular-humanistischen, ideologiekritischen Position kann und muss sich auch auf anderen Gebieten erweisen, etwa bei ökonomischen, ökologischen oder pädagogischen Fragestellungen. Es wäre unverantwortlich, diese Themen auszusparen – zumal wir vonseiten der offiziellen Politik in absehbarer Zeit keine ernstzunehmenden Innovationen erwarten dürfen“ (siehe hierzu auch das Interview mit Michael Schmidt-Salomon zur Bundespräsidentenfrage auf wissenrockt.de).
Das neu begonnene Jahr 2012 verspricht demnach, „ein spannendes Jahr“ zu werden, zog Schmidt-Salomon ein Fazit seines Ausblicks.
FL
Panoramafoto gbs-Stiftungssitz: Arik Platzek
Der Artikel wurde in ähnlicher Form bereits auf der Website der gbs veröffentlicht.