Traditionelle Chinesische Pseudomedizin

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"Zhōngyīxué" wird in China die "Lehre der Chinesischen Medizin" genannt, die dort neben der evidenzbasierten Medizin einen hohen Stellenwert hat. Im Westen kennen wir diese unter dem Begriff "Traditionelle Chinesische Medizin". Diese entstand zu einer Zeit, in der das medizinische Verständnis weitestgehend noch auf magischem Denken beruhte. Die meisten der verschiedenen Behandlungsformen, die dabei auch heute noch Anwendung finden, basieren auf Konzepten, die sich wissenschaftlich als nicht haltbar herausstellten. Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere müssen für diese maßgeblich esoterisch geprägten Lehren auch heute noch unnötigerweise leiden. Höchste Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen.

Vor 4.200 Jahren begann in weiten Teilen Europas die frühe Bronzezeit. In Ägypten herrschten zu dieser Zeit Pharaonen in der 6. Dynastie, die Stadt Babylon wurde im 21. Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung auf dem heutigen Staatsgebiet des Iraks von den Amurritern gegründet und im weiter östlich gelegenen asiatischen Raum wurde ungefähr zu dieser Zeit die erste Dynastie in China begründet. Das wissenschaftliche Weltbild der Menschen aus diesen Epochen kann aus heutiger Sicht nur als sehr rudimentär betrachtet werden. Die Vorstellung, dass Geister, Dämonen und Götter die Geschicke der Welt lenken, war weit verbreitet. Selbst alltägliche Geschehnisse wie Blitze und Donner wurden nicht als physikalische Prozesse aufgefasst, sondern meist mit mächtigen, zornigen Wesen im Himmel erklärt. Etwa zu dieser Zeit hat die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ihren Ursprung, die den Anspruch erhebt, Krankheiten und Beschwerden "ganzheitlich" heilen respektive lindern zu können.

Über die Jahrhunderte hinweg wurde dieses Konglomerat von volksmedizinischen Behandlungsmethoden immer weiterentwickelt und findet auch heute noch Anwendung – in China ebenso wie in der "westlichen Welt". Nach dem Krankheitsverständnis der TCM wird ein Zuviel abgeleitet, ein Mangel ausgeglichen, Heißes gekühlt und umgekehrt Kaltes erwärmt. Die dabei angewendeten Behandlungsmethoden umfassen – anders als fälschlicherweise gerne angenommen – weit mehr als nur Akupunktur oder gymnastische Übungen. Vielmehr versteht sich die TCM als eine breit gefächerte Kräuter- und Heilmittelmedizin, die alle gesundheitlichen Problemlagen des Menschen mithilfe ihres Jahrtausende alten Diagnosesystems anzugehen vermag. Aufgrund der langen Zeitspanne, in der diese Behandlungsformen Anwendung fanden und wegen der Tatsache, dass sie über den ganzen Globus verteilt genutzt werden, gibt es viele unterschiedliche Ausgestaltungen und Interpretationen des Wesens und der als vorteilhaft perzipierten Betätigungsfelder der TCM.

Wenn der Glaube nur vortäuscht, Berge zu versetzen

Beispiele für konkrete Behandlungskonzepte, die von vielen Anhänger:innen der TCM genutzt werden, gibt es neben der Akupunktur, bei der zumeist Nadeln entlang von vermuteten Energiebahnen (den sogenannten "Meridianen") des Körpers einige Millimeter bis Zentimeter tief in die Haut gestochen werden, viele. Etwa das Qigong, das – je nach gewählter Variante – aus einer Kombination von Gymnastik, Meditation, Atem- und Konzentrationsübungen oder Kampfkunstübungen bestehen kann. Nach der TCM-Lehre sind diese dazu geeignet, eine "Anreicherung an Qi" zu erreichen, wodurch krankheitspräventive und lebenszeitverlängernde Effekte erhofft werden. Das "Qi" (häufig auch "Ch'i" genannt) basiert ebenfalls auf dem Konzept von "Meridianen", die angeblich den Körper durchziehen, und beschreibt eine esoterische Vorstellung von Lebensenergie, die sich wissenschaftlich in den bisher postulierten Formen nicht nachweisen lässt. Oder auch das "Taijiquan", eine Art Schattenboxen, bei dem bestimmte Bewegungsabläufe einstudiert werden, die vermeintlich in einer Verbesserung des Qi-Flusses resultieren, kann als Beispiel genannt werden.

Bei der Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen der TCM gehen die meisten Anhänger:innen dieser Methodiken von der sogenannten Fünf-Elemente-Lehre aus. Diese fußt auf dem Konzept von "Yin" und "Yang" und nimmt an, dass die Elemente Holz, Feuer, Metall, Wasser und Erde Einfluss auf alle Lebensbereiche hätten. Nach dieser wissenschaftlich längst überholten Auffassung stehe Holz etwa für Aufbruch, Feuer für Ausgestaltung, Erde für Wandel, Metall für Ablösung und Wasser für Ruhe. Zusätzlich stehen diese vermeintlich in einer Interaktion zueinander und können sich gegenseitig verstärken oder abschwächen. Allein die Schwammigkeit der Begriffe und ihrer Zuordnung öffnet esoterischem Denken Tür und Tor – analog etwa zu Horoskop-Texten, die auf jede:n irgendwann und irgendwie zutreffen. Die Idee hinter diesem Konzept ist, dass ein Mangel oder ein Überfluss eines (oder mehrerer) dieser Elemente Krankheiten oder zum Beispiel Naturkatastrophen auslöse. Prinzipiell ließe sich, so die Vorstellung der Befürworter:innen, diese Lehre auf jede Lebenslage und jedes weltliche Ereignis anwenden.

Mehr Pseudomedizin als Wissenschaft

Bei kaum einer dieser Behandlungsformen konnte ein Effekt nachgewiesen werden, der über dem Placeboeffekt liegt. Die wenigen Studien, die unter bestimmten Umständen eine positive Wirkung in Aussicht stellen, wurden – bis auf sehr wenige Ausnahmen – von der evidenzbasiert arbeitenden Fachwelt vielfach aufgrund ihrer methodischen Mängel kritisiert. Dass die meisten dieser stark von magischem Denken beeinflussten Lehren dem heutigen Stand der Forschung nicht ansatzweise entsprechen, kommt nicht von ungefähr: In China war es über lange Zeit verboten, Obduktionen vorzunehmen und somit verunmöglicht, vorläufig gesichertes Wissen über tatsächliche Begebenheiten und Wirkmechanismen aus dem Bereich der Anatomie zu erlangen. Insofern ist auch das Attribut "ganzheitlich" im Zusammenhang mit der TCM fehl am Platz, da die ihr zugrundeliegenden Konzepte rein durch die äußere Betrachtung des Körpers und seiner Ausscheidungen entwickelt wurden.

Zudem kommen im Rahmen einer TCM-Behandlung gelegentlich auch gefährliche Substanzen zum Einsatz, wie zum Beispiel Ephedrin, das zu psychischen Abhängigkeiten sowie Blutdrucksteigerungen und schweren, lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Das im Internet gerne als pflanzlich und harmlos umworbene Präparat zeigt einmal mehr, dass "natürlich" nicht immer gleichbedeutend mit "sinnvoll" ist. Aber auch für den Menschen hoch giftige Schwermetalle wie Cadmium, Blei und Quecksilber lassen sich in einigen Präparaten der TCM nachweisen – ebenso wie Pestizidrückstände, die die zulässigen Grenzwerte weit übersteigen. Bei mindestens 39 der genutzten Kräutermischungen sind schwerwiegende Lebererkrankungen möglich, die in manchen Fällen sogar eine Organtransplantation nötig machen oder aber zum Tod führen. Die Dunkelziffer der durch eine TCM-Behandlung Gestorbenen wird Studien zufolge als hoch eingeschätzt, da viele derartige Substanzen einnehmen, ohne eine:n Mediziner:in vorab dazu zu befragen.

Eine Gefahr für bedrohte Tierarten

Ein weiterer Aspekt ist die Nutzung von Tigerknochen, Rhinozeroshörnern und Schlangen(teilen), denen nach einigen Auslegungen der TCM eine potenzsteigernde Wirkung zugeschrieben wird. Viele der letzten noch lebenden Tigerarten sind hauptsächlich deshalb bedroht, weil sie von illegaler Wilderei betroffen sind. In China ist Wilderei zwar offiziell verboten, dennoch werden von Polizei und Rangern ertappte Täter:innen nicht immer bestraft. Zumal der Schwarzmarkt ein lukratives Geschäft ist: Käufer:innen zahlen pro Tier rund 15.000 Euro – was eine immense Summe in einer Region ist, in der das monatliche Durchschnittseinkommen bei rund 400 Euro liegt. Im Jahr 1993 hat die chinesische Regierung ein Verbot des Handels von Tigerknochen und Nashorn-Horn erlassen. Allerdings wurde eben dieses 2018 für die Überreste von gezüchteten Tieren für die Forschung und die Herstellung von Präparaten im Rahmen der TCM aufgeweicht. Natur- und Tierschutzorganisationen wie etwa WWF befürchten als Resultat dieses Vorgehens die Schaffung von Anreizen, die die Nachfrage nach gewildertem Gut steigern könnten.

Auch für viele weitere Körperteile von bedrohten Tierarten gibt es einen Bedarf in der TCM: Seepferdchen, Haie, Riesenmantas, Antilopen, nigerianische Esel oder asiatische Schwarzbären werden dabei entweder massenhaft gefangen oder in Farmen gezüchtet. Zehntausende dieser Schwarzbären werden, wie Bilder und Reportagen belegen, jedes Jahr unter übelsten Bedingungen gefangen gehalten, ausgebeutet und letztlich getötet. Die Regierung in Peking hat jüngst sogar Bärengalle von Tieren aus diesen Farmen als Heilmittel gegen Covid-19 angepriesen.

Trotz allem weit verbreitet

Trotz dieser eklatanten Mängel ist die TCM auch in der "westlichen Welt" weit verbreitet und selbst unter einigen Menschen beliebt, die den wissenschaftlichen Methodiken prinzipiell zugeneigt sind. Womöglich wäre es sinnvoll, wenn sich Fans der TCM einmal tiefergehend mit den Grundlagen dieser Behandlungsformen auseinandersetzten und sich die aktuelle Studienlage verdeutlichten. Denn aufgrund der längst überholten Konzepte, die bei diesen Behandlungsmethoden angewendet werden und aufgrund der folgerichtig regelmäßig negativ ausfallenden Studienergebnisse, kann eine Risiko-Nutzen-Abwägung aus rationalen Gesichtspunkten insgesamt eigentlich nur gegen die TCM ausfallen.

Die sehr wenigen tatsächlich wirksamen Anteile, wie etwa die aus der TCM bekannte Artemisia-Pflanze, die erfolgreich gegen Malaria eingesetzt wird, können auch über die gängigen evidenzbasierten Verfahren schlicht in die Medizin integriert werden, ohne gleich an das Märchen einer vermeintlich sinnvollen Parallelmedizin zu glauben. Und auch der ethische Aspekt kann hierbei nicht vernachlässigt werden, da bei dieser Form der Täuschung von Patient:innen und Therapeut:innen im Schnitt nicht nur die betreffenden Individuen und durch die entstehenden Mehrkosten die gesamte Gesellschaft negative Konsequenzen tragen, sondern durch die Herstellung bestimmter traditionell-chinesischer Präparate auch viele Tiere gequält und ohne Betäubung umgebracht werden. Vielleicht wäre es daher angebracht, das Kind beim Namen zu nennen: Es handelt sich bei der TCM weitestgehend um gefährliche "TCP" – Traditionelle Chinesische Pseudomedizin.

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