Arzt wegen Totschlags verurteilt: Er leistete einem psychisch kranken Mann Hilfe beim Suizid

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Johann Spittler (Mitte) wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Neben ihm seine Anwälte Frank Sandkuhl (links) und Lars A. Brögeler (rechts).
Johann Spittler mit seinen Anwälten

Das Landgericht Essen hat gestern einen bekannten Psychiater wegen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er einem psychisch Kranken beim Suizid geholfen hatte. Dies könnte viele Ärzte abschrecken und den Zugang zur Suizidhilfe für psychisch Kranke in Zukunft nahezu unmöglich machen. Hier einige Beobachtungen vor Ort bei der Urteilsverkündung.

Der Neurologe und Psychiater Dr. Johann F. Spittler hatte im August 2020 einem 42-jährigen Mann im Beisein seiner Mutter beim Suizid geholfen. Der Mann litt seit 13 Jahren an Schizophrenie. Er war mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung und hatte in der Vergangenheit bereits drei "harte" Suizidversuche unternommen.

Spittler führte mehrere persönliche Gespräche mit ihm. Er erstellte daraufhin ein psychiatrisches Gutachten auf der Grundlage einer umfangreichen Bewertungsmatrix, die er in den vielen Jahren auf Basis seiner zahlreichen Gutachten selbst entwickelt hatte. Spittler war zu 100 Prozent davon überzeugt, dass der Suizident zum Zeitpunkt der Begutachtung und zum Zeitpunkt des Suizids freiverantwortlich handelte. Diese Überzeugung habe er auch heute noch.

Der Richter sah das jedoch ganz anders und folgte weitgehend den Ausführungen des Gutachters der Staatsanwaltschaft. Bei dem 42-Jährigen habe eine akute paranoide Schizophrenie vorgelegen, die seine Entscheidungsfähigkeit stark beeinträchtigt habe. Dennoch habe Spittler ihn in seinem Suizidwunsch bestärkt und ihn schließlich beim Suizid begleitet. Dies stelle eine Tötung in mittelbarer Täterschaft (§ 212 StGB: Totschlag) dar und sei daher mit einer Freiheitsstrafe zu ahnden.

Der Verteidiger betonte in seinem Schlussplädoyer, dass der Gutachter der Staatsanwaltschaft, Prof. Dr. Norbert Leygraf, den Kranken nie gesehen und sein Gutachten ausschließlich nach Aktenlage erstellt habe. Mehrere Punkte der Verteidigung wurden vom Richter jedoch nicht gewürdigt. Der Verteidiger führte an, dass Leygraf in seiner beruflichen Tätigkeit noch nie mit dem Thema Suizidhilfe zu tun gehabt habe. Er sei bisher häufig im religiösen Bereich tätig gewesen und habe im Auftrag der katholischen Kirche mehrere Gutachten zum Kindesmissbrauch in der Kirche erstellt. Bekanntlich hat sich die katholische Kirche immer wieder öffentlich dagegen ausgesprochen, Suizidhilfe zuzulassen.

Ein vom Angeklagten in Auftrag gegebenes Gutachten beurteilte der Richter als oberflächlich. Es sei nicht detailliert genug und inhaltlich nicht überzeugend, so der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Der Vorwurf des Totschlags in mittelbarer Täterschaft, der mit einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren zu bestrafen ist, sei reduziert worden. Das Urteil lautet auf Totschlag in einem minder schweren Fall (§ 213 StGB). Begründet wurde dies damit, dass das Verfahren bereits drei Jahre gedauert habe und das hohe Alter von Spittler berücksichtigt worden sei. Zu seinen Gunsten spreche auch, dass das Mitleid Spittlers mit dem Kranken bei seinem Handeln eine Rolle gespielt haben könnte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Spittler will in Revision gehen. Diese muss innerhalb von sieben Tagen nach Verkündung des Urteils eingelegt werden.

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