Kommentar

Die katholische Kirche übertrifft sich mit ihrem Zynismus selbst

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Kunstaktion vor dem Tagungsort der Bischöfe im Stadtschloss Fulda
Kunstaktion: "Das ist die katholische Kirche"

Vergangene Woche fand die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz statt. Neben der Zementierung der weit hinter den Expertenempfehlungen zurückbleibenden Anerkennungszahlungen fielen einige abenteuerliche Äußerungen des Vorsitzenden Bischof Georg Bätzing auf, die einen nur noch wütend machen können.

Eine Woche ist es nun her, dass die Bischöfe die von ihrem Missbrauchsbeauftragten Stefan Ackermann großspurig angekündigten und dann doch wie immer mickrig ausfallenden Ergebnisse ihrer Herbst-Zusammenkunft verkündeten. Eine Einmalzahlung von bis zu 50.000 Euro sollen Opfer sexueller Gewalt durch Kleriker maximal erhalten. "Bis zu" heißt immer, dass es auch deutlich weniger sein kann. Zum Vergleich: Eine Expertenkommission hatte vor einem Jahr eine pauschale Entschädigung von 300.000 Euro empfohlen.

Während der Abschlusspressekonferenz stellte ein Journalist dann auch die Frage, die wahrscheinlich allen auf der Zunge liegt: Warum es nach zehn Jahren nicht möglich sei, Entschädigungen zu zahlen und es nun weiterhin bei Anerkennungszahlungen bleibe. Der Vorsitzende antwortete ihm wie folgt:

"Das hängt damit zusammen, dass wir im Rechtsrahmen unseres Landes bleiben und die Hürde für die Betroffenen eben so gering halten wollen wie möglich. Entschädigung bedeutet Schadensersatz, dafür gelten Standards, die sind in unserem Land sehr hoch, da braucht es eine Beweispflicht, da braucht es Verfahren, da braucht es gerichtliche Festlegungen, das alles wollen wir nicht, wir wollen es den Betroffenen nicht zumuten. Und viele könnten ein solches Beweisverfahren ja niemals antreten, weil die Täter verstorben sind, weil die Unterlagen nicht zugänglich sind oder gar nicht vorhanden sind. Also, das ist der Grund, weshalb wir sagen, wir bleiben in diesem System von Anerkennungsleistungen und können nicht in ein – sozusagen – Schadenssystem einsteigen."

Aha, im Rechtsrahmen unseres Landes also! Wo war denn dieser Rechtsrahmen bei der Strafverfolgung von Missbrauchstätern? Da wurde eben jener Rechtsrahmen geschickt umgangen, Beweise vernichtet, Zeugen zum Schweigen gebracht, bis ein Großteil der Taten verjährt war. Das ist die hausgemachte Grundlage, weshalb Betroffene "ein solches Beweisverfahren ja niemals antreten" könnten. Organisierte Kriminalität könnte man das nennen, wollte man böse sein.

Noch heute werden entsprechende Verdachtsfälle lieber per kircheninternem Verfahren geregelt als über die weltliche Justiz, wie der Vatikan erst in diesem Sommer im Rahmen eines Leitfadens noch einmal bekräftigte. Auf diesen Widersinn der selektiven Berufung auf staatliches Recht angesprochen, kam von der Bischofskonferenz erwartungsgemäß eine ausweichende Antwort, die nicht darauf einging, sondern lediglich auf die positiven Aspekte des neu beschlossenen Verfahrens verwies.

Es ist schon bemerkenswert, dass besagter staatlicher Rechtsrahmen, der im Angesicht der Verbrechen und des Schutzes der Opfer vor weiteren Übergriffen nicht interessierte, bei der Entschädigung auf einmal eine festgeschriebene Maßgabe darstellt. Denn eine Institution, die sich moralisch überlegen gibt wie keine zweite, könnte von sich aus auch andere Maßstäbe ansetzen – wenn sie denn wollte. Mit diesem Grad an Zynismus hat sich die katholische Kirche jedoch wieder einmal selbst übertroffen: Sie stellt das liebe Geld erneut über die Menschenliebe und tut so, als hätte sie an den Umständen dafür, dass es oftmals keine Möglichkeit für die Betroffenen gebe, das, was ihnen angetan wurde, vor Gericht zu beweisen, keinerlei Anteil. Als wären die Unterlagen durch die Hände des Heiligen Geistes "nicht zugänglich" oder "nicht vorhanden" – eine beispiellos verharmlosende Formulierung ohne jedes Schuldeingeständnis.

Wahrheitsauffassung und Dreistigkeit von Donald Trump

Ob es wirklich nur darum geht, dass man den Betroffenen ein gerichtliches Verfahren ersparen möchte? Oder möchte die katholische Kirche sich vielleicht auch selbst vor einem öffentlichen Prozess schützen, der nicht nur dem Beweis von Taten, sondern auch der Aufdeckung institutioneller Vertuschung dienen würde?

Nach der Frage der Art und Höhe der Entschädigung stellt sich unweigerlich auch jene der Finanzierung. Da möchte man natürlich ungern einräumen, dass die Gesamtinstitution katholische Kirche in Deutschland mit einem von Kirchenfinanzexperte Carsten Frerk auf 200 Milliarden Euro geschätzten Vermögen eine Entschädigung von einer Milliarde leicht stemmen könnte – das wäre die Gesamtsumme, würde man sich nach den Empfehlungen der eingangs genannten Kommission richten.

Wie umgeht man nun die peinliche Tatsache, dass man auf seinem Geld sitzt und nichts davon hergeben will? Man verweist auf den Flickenteppich der 27 Diözesen. Indem man sie einzeln betrachtet, ist der riesige Geldberg schon mal auf viele kleine Häufchen verteilt. Und da sind (zum Glück!) ja auch nicht so reiche dabei, die laut Bätzing nichts anderes als die Kirchensteuer hätten. Heißt: Die Gläubigen sollen die Missbrauchsopfer entschädigen, nicht die Institution, die die Verbrechen mit ermöglicht hat.

Die Krone setzte der Vorsitzende der deutschen Bischöfe seinen Äußerungen mit einer Behauptung auf, die an die Wahrheitsauffassung und Dreistigkeit von Donald Trump erinnert: "Auch die Vermögen von bischöflichen Stühlen oder von Dotationen, die wir haben, sind doch Mittel von Gläubigen, die die der Kirche zur Verfügung gestellt haben. Sonst haben wir keine Mittel." Vor den Zeiten des freien Journalismus konnte die Kirche ihren Schäfchen ja noch weismachen, sie sei arm, aber mittlerweile ist bekannt, dass die deutsche katholische Kirche zu den reichsten der Welt gehört. Abgesehen davon sind Dotationen – besser bekannt als Staatsleistungen – keineswegs Mittel von Gläubigen, sondern Zahlungen des Staates (!) aus allgemeinen Steuermitteln (!!), die seit 101 Jahren abgeschafft sein müssten (!!!).

Dieses Ausmaß an Überheblichkeit und Heuchelei lässt einen fassungslos zurück.

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