Jens Windel verklagt das Bistum Hildesheim auf 400.000 Euro Schmerzensgeld. Sein Vorwurf: Ein Pfarrer habe ihn in den 1980er Jahren immer wieder vergewaltigt. Das Bistum reagiert hinhaltend. Es lehnt einen Vergleich als Mauschelei ab und will dem Opfer zumuten, in einem möglichen Prozess die längst anerkannten Taten beweisen zu müssen. Und denkt daran, sich auf Verjährung zu berufen. Zwei Rechtsprofessoren kritisieren die Taktik der katholischen Kirche scharf.
Ende Mai berichtete der hpd über die schleppende Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs im Bistum Hildesheim. Dort hatte sich ein Pfarrer mit seiner Kirche angelegt, während im gleichen Zeitraum beim Landgericht ein erstes gerichtliches Schmerzensgeldverfahren durch ein Missbrauchsopfer auf den Weg gebracht wurde. Nachdem es zwischenzeitlich so aussah, als würden sich die Wogen glätten, steht nun ein früherer Bischof im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Der 1988 verstorbene Würdenträger heißt Heinrich Maria Janssen und soll Kindern über Jahre hinweg höchstpersönlich sexuelle Gewalt angetan haben.
Das Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche ist nicht neu. Zu viele Enthüllungen in der Vergangenheit sorgten dafür, dass die Institution das Thema nicht vom Tisch bekam. Kaum ein Bistum war hiervon ausgenommen. Seit 2010 beschäftigt das Thema die deutsche Öffentlichkeit. Die Aufarbeitung innerhalb der katholischen Kirche und die Behandlung von Missbrauchsopfern blieb aber weitgehend unsichtbar. Anlass eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Gestern begann die diesjährige Woche der "Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit". Bis zum vergangenen Jahr trug die Veranstaltung den Namen "Woche der Brüderlichkeit". Sie steht in diesem Jahr unter dem Motto "The Sound of Dialogue – Gemeinsam Zukunft bauen". Bereits vor einigen Jahren schrieb Gerhard Czermak einen kritischen Artikel zu dieser Aktion, den der hpd hier in einer aktualisierten Fassung nachveröffentlicht.
Die Organisation Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier (MissBit e.V.) hat versucht, mit Bischof Stephan Ackermann eine formelle Kooperationsvereinbarung zu schließen, die die individuelle Aufarbeitung für Betroffene zum Inhalt hatte. Diese hat er jedoch abgelehnt.
Das Kirchengericht der Erzdiözese Köln hat den früheren Pfarrer von Freisen (Saarland) Otmar M. des sexuellen Missbrauchs von fünf Personen für schuldig befunden. Das Gericht verhängte als Strafe die Entlassung aus dem Klerikerstand. MissBiT e.V. fordert ein Sondergutachten, das nicht von der unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Trier, sondern von Rechtsanwälten sowie einem Kirchenrechtler erstellt wird.
Zum zweiten Mal in diesem Jahr war ein Themenabend des AK Säkulare in Düsseldorf der "Aufarbeitung" des Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen gewidmet. Für die juristische "Aufarbeitung" des Skandals war es dem Düsseldorf AK gelungen, den Mainzer Strafrechtsprofessor und Direktor des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw), Professor Jörg Scheinfeld, als Referenten zu gewinnen.
Schon auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vergangene Woche brodelte die Gerüchteküche. Nun trifft es die EKD wie ein Paukenschlag: Die Ratsvorsitzende Annette Kurschus ist gestern von allen Ämtern zurückgetreten. Der 60-jährigen Ex-EKD-Chefin wird die Vertuschung von sexualisierter Gewalt vorgeworfen.
Diese Woche sind die katholischen Bischöfe in Deutschland zu ihrem Herbsttreffen zusammengekommen. Missbrauchsbetroffene und Medien scheinen nichts mehr zu erwarten. Das Interesse war gering, die Ergebnisbilanz auch. Da hilft nur noch Zynismus.
Für einen wirklichen Wandel müsste die katholische Kirche grundsätzliche Reformen umsetzen. Dazu gehören die Aufhebung des Zölibats, das Priesteramt für Frauen und demokratische Strukturen.
Zusammen mit "Ending Clergy Abuse" (ECA), einer globalen Koalition von Opfern und Überlebenden, Aktivisten und Menschenrechtsanwälten, die Betroffene in 25 Ländern auf 5 Kontinenten vertreten, wird die Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch" im Vorfeld der Weltbischofssynode in Rom präsent sein. Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Forderung an Papst Franziskus noch vor der Eröffnung des Bischofstreffens ein verbindliches und universelles Null-Toleranz-Mandat in der Kirche einzuführen.
Die gestern bekanntgewordenen Vorwürfe gegen den vormaligen Bischof von Essen und Kardinal Franz Hengsbach und der Umgang damit in den Bistümern Paderborn und Essen sind entlarvend für die Selbstaufklärungsbemühungen der katholischen Kirche in Deutschland seit 2010. Wer immer noch nicht verstanden hat, weshalb es keine gute Idee ist, die Organisation, die über Jahrzehnte Missbrauchsverbrechen ihrer Kleriker vertuscht hat, mit der Aufklärung dieser Fälle allein zu lassen, der hat hier ein weiteres gutes Anschauungsbeispiel.
Bayern hat eine staatliche Anlaufstelle für Betroffene sexueller Gewalt eingerichtet. Vergangene Woche ging sie an den Start. Von Missbrauch in der Kirche Betroffene hatten dies gefordert, bisher hatte sich der bayerische Staat jedoch dagegen gewehrt. Was von dem neuen Angebot zu halten ist, darüber hat der hpd mit der Betroffenen und Aktivistin Agnes Wich gesprochen.
Es gilt als gesichert, dass der ehemalige Trierer Bischof Bernhard Stein Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder vertuscht hat. Bistum und Stadt zogen Konsequenzen. Die örtliche Betroffeneninitiative "MissBiT" begrüßt dies.
Im Jahr 2009 starb der spanische Priester Alfonso Pedrajas Moreno in Bolivien. Er hinterließ ein elektronisches Tagebuch, in welches er auch sexuelle Gewalt gegen 85 Minderjährige eintrug. Über seine Erben gelangte das Tagebuch zu seinem Jesuitenorden und an die spanische Zeitung El País, die in den letzten Jahren bereits intensive Aufdeckungsarbeit zu sexueller Gewalt und ihrer Vertuschung in der katholischen Kirche betrieben hat. Das brachte in Bolivien einen Stein ins Rollen, sodass nun 35 Priester wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt wurden.