Es ist ein gutes Jahr her, da machte die Nachricht die Runde, dass der neu gewählte Senat von Berlin den Religionsunterricht wieder als ordentliches Lehrfach einrichten wollte. Von der Idee ist nicht mehr viel übrig, denn der Regierende Bürgermeister rudert zurück.
Wir wollen nicht davon sprechen, dass die Einführung des Religionsunterrichts in Berlin einen grundlegenden Gesetzesverstoß darstellen würde; für Berlin gilt die sogenannte "Bremer Klausel": Diese besagt, dass Artikel 7 Absatz 3 GG ("Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach") keine Anwendung in einem Land findet, in dem am 1. Januar 1949 eine andere Regelung galt.
Der hpd vermutete hinter dem Versuch, die Uhr zurückzudrehen auch Revanche-Gelüste der CDU, die "Schmach" des verlorenen Volksentscheids vergessen zu machen: Walter Otte schrieb im vergangenen Mai dazu: "Die CDU forderte stets ein verbindliches Lehrfach 'Religionsunterricht'. Sie unterstützte im Jahr 2009 vehement gemeinsam mit den beiden großen christlichen Kirchen und anderen Organisationen aus dem christlichen und islamis(tis)chen Spektrum die Initiative 'Pro Reli'. Diese Initiative scheiterte bei der Abstimmung zum Volksentscheid jedoch krachend. Eine deutliche Mehrheit der Abstimmenden lehnte es ab, den Ethikunterricht als Pflichtfach für alle Schüler*innen abzuschaffen und ihnen stattdessen eine Wahl zwischen zwei Wahlpflichtfächern 'Ethik' und 'Religion' vorzuschreiben."
Nun jedoch zeigt sich, dass auch im neuen Schulgesetzentwurf für Berlin keine Rede mehr von einem verbindlichen Unterrichtsfach "Religion" ist. Im Tagesspiegel heißt es (hinter der Paywall) Ende März: "Heimlich, still und leise hat die CDU eines ihrer zentralen Ziele dieser Legislatur von der aktuellen Agenda genommen. Der als historisch gedachte Schritt einer Aufwertung des Religions- und Weltanschauungsunterrichts zu einem regulären Unterrichtsfach der Berliner Schule fehlt im Schulgesetzentwurf, der am Dienstag den Senat passierte."
Die beiden großen Kirchen zeigten sich laut Tagesspiegel nicht überrascht, waren sie doch zuvor von der Senatskanzlei informiert worden. In einem Statement heißt es: "Freilich müssen wir konstatieren, dass die vorgeschlagenen Änderungen lediglich die bislang schon geübte Praxis im Gesetzestext festhalten". Das entspräche nicht dem im Koalitionsvertrag formulierten Ziel der Etablierung des Religionsunterrichtes als ordentliches Lehrfach.
Laut Süddeutscher Zeitung habe die Zeit für die Vorbereitung nicht genügt: "Die Zeit von etwa drei Jahren reiche nicht aus, um ein Wahlpflichtfach Weltanschauungen/Religionen zu entwickeln und einzuführen, sagte die seit einem Jahr amtierende Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Montag bei einem Termin zum neuen Schulgesetz." Die Senatorin bekräftigte aber, dass es weiterhin Ziel des schwarz-roten Senats sei, "Religion" als reguläres Wahlpflichtfach einzurichten: "Wenn die Nachfrage besteht und ein Träger daher diesen anbieten möchte, steht diese Entscheidung nicht zur Disposition der Schule."
Es wird also zukünftig an den Schulen und den Eltern liegen, keinen Reli-Unterricht auszuwählen.
4 Kommentare
Kommentare
Werner Koch am Permanenter Link
Die Nachfrage nach Religionsunterricht wird immer weniger. Der Religionsunterricht befindet sich in einer Strukturkrise.
„Die Annahme/Hoffnung, dass sich die Nachfrage nach dem christlichen Religionsunterricht stabilisieren oder zum Positiven verändern könnte, hat keine empirische Grundlage.“
Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt stetig und ist in Berlin sehr gering: Im Einschulungsalter sind in Berlin 6,1% Mitglied einer ev. oder rk. Kirche. Siehe auch „Einschulungsalter und Religionszugehörigkeit 2023“ https://fowid.de/meldung/einschulungsalter-und-religionszugehoerigkeit-2023
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Religion in den Schulen ist nichts anderes als Indoktrination und sollte per se verboten werden.
Religion ist weltweit nichts anderes als Aberglaube an erfundene Märchengestalten und sollte auch nicht weiter in Schulen verbreitet werden, dies lenkt nur von der Realität ab,
zum Vorteil der Verkünder des Aberglaubens.
Allein die Tatsache, daß in verschiedenen Ländern auch verschiedene "Götter" präferiert werden, sollte doch schon des Nachdenkens wert sein, wobei jede Religion den ihrigen "Gott" als den einzig wahren behauptet, was wiederum die Menschheit entzweit und zu kriegerischen Auseinandersetzungen führt, in denen dann Menschen ihr Leben lassen müssen, nur wegen des unterschiedlichen Glaubens an eine der vielen Märchengestalten,
welche ohne jeglichen Beweis der Realität von "Göttern" in den Köpfen vieler Menschen steckt, welchen schon als Kind derartige Märchen in den Kopf gehämmert wurden.
Wie kann die Menschheit aus diesem Dilemma herausfinden, wenn weiterhin in Schulen
Religionsunterricht stattfindet?
Dies kann nur gelingen, wenn jeder, primär, logisches Denken lernt und sich an Fakten orientiert welche belegbar sind, sowie anders gelagerte Behauptungen hinterfragt und nicht einfach glaubt.
A.S. am Permanenter Link
Dienen unsere Politiker dem Volk oder der Kirche?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Eindeutig den Kirchen!!