Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten

Wahlsieger in Bremen: Die Religiösen

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Dem Himmel so nah ... das Rathaus von Bremen.

In Bremen sind die Wahlpartys beendet und der Koalitionspoker hat begonnen. Unbemerkt blieb die heimliche Wahlsiegerin: die Gruppe der Religiösen, die – verteilt auf die Listen von CDU, SPD und FDP – in "Fraktionsstärke" in der Bürgerschaft vertreten sein wird.

Das Spektrum der Religiösen reicht von Mitgliedern von Kirchenvorständen evangelischer Kirchengemeinden über christliche Evangelikale bis zu Angehörigen islamistischer Moscheegemeinden. 17 von 69 Abgeordneten der Stadtbürgerschaft haben einen stark religiösen Hintergrund, ihr Engagement geht deutlich über die bloße, Beitrag zahlende, Mitgliedschaft hinaus.

Das Bremische Wahlgesetz machte ihnen diesen Einzug in relevanter Stärke möglich. Die Möglichkeit, fünf Stimmen auch an Einzelpersonen auf den Kandidat*innenlisten anzukreuzen, sollte den Einfluss von Parteibürokratien einschränken. Eine Stärkung der Demokratie, weil Wähler*innenwille mehr Gewicht hat, sollte man annehmen.

Bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft 2019 lässt ein Blick auf die Listenbewegungen erkennen, dass es allein größeren Gruppen, vor allem Religionsgemeinschaften, möglich war, ein "Hochwählen" ihrer Gruppenangehörigen durch entsprechende Kampagnen zu organisieren. Dabei handelt es sich um Gruppen, die ein sehr hohes Maß an innerer Geschlossenheit (zum Beispiel durch eine fundamentalistische Religionsauslegung oder eine nationalistische/ethnische Gruppenideologie bzw. Identität) verfügen.

Einige Beispiele (SPD 19 Sitze, CDU 20 Sitze, FDP 4, nur Stadtbürgerschaft Bremen):

Elombo Balayela, SPD, Evangelikaler aus einer BEK/Evangelische Allianz Gemeinde, mit 3303 Stimmen von Platz 44 auf Platz auf 7.

Sigrid Grönert, CDU, sicherer Listenplatz, in den Jahren 2011 und 2015 über Personenwahl eingezogen, Paulusgemeinde, Freikirche.

Birgit Bergmann, FDP, Evangelikale aus einer BEK/Evangelische Allianz, Gemeinde Listenplatz 5, Einzug über 1228 Personenstimmen auf Platz 2.

Mustafa Göngür, SPD, Listenplatz 18, mit 4508 Personenstimmen auf Platz 4, agiert im Umfeld der DiTiB und der Erdogan nahen UETD.

Oszguhan Yazici, CDU, Listenplatz 25, mit 3169 Personenstimmen auf Platz 5, agiert im Umfeld sowohl von DiTiB als auch ATIB Moscheen. ATIB ist der religiöse Zweig der faschistischen Grauen Wölfe.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche neu- bzw. wiedergewählte Abgeordnete, insbesondere aus CDU und SPD, die in ihrer Biographie auf die Mitgliedschaft in Kirchenvorständen oder Anstellungen bei kirchlichen Einrichtungen verweisen können.

Die Partei mit den meisten Abgeordneten mit religiösem Hintergrund ist die SPD mit 8 von 19 (mehr als 40 Prozent), gefolgt von der CDU mit 7 von 20. FDP und Linke verfügen jeweils über eine religiöse Abgeordnete.

Nur ca. 12 Prozent der Bürger*innen der Bundesrepublik gelten als religiös (fowid). Der Anteil der "Religiösen" in der Bremischen Stadtbürgerschaft ist doppelt so hoch.

Dieses Wahlergebnis unterstreicht einmal mehr den enormen Einfluss, den Religionsgemeinschaften als noch immer größter Block der Zivilgesellschaft auf die Zusammensetzung der Parlamente haben.

Die Religiösen haben so ein erhebliches Druckpotential, der Trennung von Kirche und Staat entgegenzuwirken und finanzielle Zuwendungen für kirchliche und muslimische Einrichtungen durchzusetzen. Und Parteien sichern sich umgekehrt mit der Unterstützung religiöser Gruppen Einfluss und Posten.