Moderne Kosmologie und die Frage nach dem Urgrund der Welt

Urknall ohne Schöpfer

Hatte die uns bekannte Welt einen Anfang? Wird sie ein Ende haben? Und warum ist sie eigentlich gerade so, dass es uns gibt? Diese und weitere Fragen standen am Anfang des Vortrags von Rüdiger Vaas, der im Rahmen dieses Aufklärungsdienstes einen guten Überblick über die großen kosmologischen Fragen und den Stand der Forschung gegeben hat.

Rüdiger Vaas ist bekannt als Wissenschaftsjournalist u.a. der Bild der Wissenschaft, Autor zahlreicher Bücher zu naturwissenschaftlichen Themen und Beiratsmitglied der Giordano-Bruno-Stiftung.

In sehr kompetenter Weise führte Vaas vor ausverkauftem Haus durch die Grundfragen der Weltentstehung und die damit verbundenen philosophischen und religiösen Implikationen. Keine einfache Materie, da wir uns hier an den Grenzen des Erfahrbaren und zurzeit erforschten bewegen. Für den Laien umwerfend, waren seine Darlegungen, der inzwischen klar fundierten kosmologischen Theorien bis hin in die ersten Sekundenbruchteile nach der Entstehung des Universums, dem "Urknall". 

Die Tatsache, dass das Weltall expandiert und dass dies auf eine Entstehung vor ca. 13,8 Mrd. Jahren hinweist ist mittlerweile gut begründet und wird wissenschaftlich nicht mehr angezweifelt. Was alles in diesem ersten Moment entstand, den wir mit dem nicht ganz eindeutigen Begriff des "Urknalls" bezeichnen, kann unterschiedlich diskutiert werden – u.a., wenn mit Urknall die Entstehung von Zeit und Raum gemeint ist, eine Anfangssingularität oder die Frühphase unseres Universums. Versucht man sich einen Zustand "vor" dem Urknall vorzustellen, ein Zustand ohne Zeit und Raum, dann versteht man – so Rüdiger Vaas – dass wir uns hier auf unsicherem Terrain befinden.

Als gesichert gilt die Erkenntnis, dass im Urknall und in der Phase des jungen Universums alle Materie entstand und dass die schwereren Elemente aus der Kernfusion im Zentrum der Sterne und die allerschwersten aus Sternexplosionen sowie Kollisionen von ausgebrannten Sternen (den Neutronensternen) stammen. Hier entstanden auch alle die Elemente, die dann auf der Erde eine Evolution ermöglichten und in Konsequenz auch uns, die wir aus organischen Molekülen bestehen. Wir können also folgern, dass wir aus Sternenstaub bestehen – oder etwas weniger poetisch aus der Schlacke verbrannter Sterne.

Weitere Fragen, nämlich die warum das Universum gerade so strukturiert ist, dass es Leben ermöglicht und es uns als Menschen gibt, die über diese Fragen nachsinnen können und die noch fundamentalere Frage, warum es überhaupt etwas gibt und nicht nichts (das "Dass-Sein"), sind noch nicht eindeutig geklärt. Um eine Welt wie wir sie kennen zu ermöglichen, die Leben in bekannter Form hervorbringen kann, ist es erforderlich, dass die Naturkonstanten sehr fein aufeinander abgestimmt sind. Diese Frage bezeichnete Vaas als das "So-Sein" des Universums. Einer Hypothese zufolge gibt es viele parallele Universen (Multiversum-Hypothese) wobei wir naturgegeben nur in einer "lebensfreundlichen" Variante existieren und Kosmologie betreiben können.

Die Bereiche, zu denen die Kosmologie noch keine gesicherten Aussagen treffen kann bieten natürlich Raum für Spekulationen oder Versuche darüber, letztlich wieder eine höhere, planende Instanz, einen Gott ins Spiel zu bringen. Rüdiger Vaas führte aus, dass hier zwar spekuliert werden kann, es jedoch keine irgendwie genauer begründbare Notwendigkeit für einen Schöpfer gibt. Dies entspringt eher dem Wunschdenken der Religionen, deren Erklärungsmodelle durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Ursprung des Universums und des Lebens immer weiter zurückgedrängt wurden. Dabei müssen sich die Religionen fragen lassen, ob ihnen tatsächlich ein Gott plausibel erscheint, der Lückenbüßer für immer kleinere Erklärungslücken bleibt.

In diesem Zusammenhang wies Rüdiger Vaas darauf hin, dass diejenigen, die hier Behauptungen (wie die, dass Gott der erste Verursacher des Urknalls war) aufstellen, in der Beweispflicht sind und nicht umgekehrt die Wissenschaftler, die für die genannten Fragestellungen noch keine schlüssigen Antworten geben können.

Auch der weitere Verlauf des Universums ist noch nicht eindeutig geklärt. Es existieren unterschiedliche Modelle, von einer nicht mehr endenden Expansion bis zu einem wieder "Zusammenstürzen" aller Materie in einer Singularität.

Rüdiger Vaas fasste zum Ende seines Vortrags die aktuellen Fakten zur Weltentstehung, der damit noch verbundenen Rätsel und der Unzulänglichkeiten einer religiösen Erklärung in 8 Punkten zusammen. Sie sind in einem Artikel der MIZ (Ausgabe 4/17, Seite 7) nachzulesen.

Rüdiger Vaas führte uns in diesem spannenden Vortrag an die Grenzen der Zeit, des Universums und der Erkenntnis. Der Vortragsstil war trotz des anspruchsvollen Themas stets ansprechend und anschaulich und blieb auch für Nicht-Kosmologen verständlich. Auch nach der anschließenden, lebhaften Diskussion war klar: Hinter unserem aktuellen Erkenntnishorizont existiert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Gott, der unser Universum im Urknall "gezündet" hat.


Hinweis der Redaktion: Rüdiger Vaas bat darum, keine Fotos von sich im Internet zu veröffentlichten. Die Redaktion hat seinem Wunsch entsprochen.