Frankreich

Macron: Ein Staatschef mit Rückgrat

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich außergewöhnlich deutlich hinter eine Schülerin gestellt, die nach harscher Islamkritik eine ganze Reihe von Vergewaltigungs- und Morddrohungen erhielt. Inmitten der hitzigen Debatte, die stark von Hass und Häme gegenüber der Religionskritikerin geprägt war, ist die Rückendeckung von höchster politischer Stelle ein wichtiges Signal, welches auch anderen Ländern gut zu Gesicht stünde.

Was ist geschehen?

Nachdem Mila Oriol, die Schülerin eines französischen Gymnasiums, vor einigen Wochen als Reaktion auf einen muslimischen Mann, der sie als "dreckige Lesbe" beleidigt hatte, ein islamkritisches Video verbreitete, erhielt sie Vergewaltigungs- und Morddrohungen. Seither ist sie nicht mehr zur Schule gegangen und lebt unter Polizeischutz. Unbekannte haben die Anschrift ihrer Schule veröffentlicht und dazu aufgerufen, die "gottlose Schlampe" umzubringen. Einige der Hasskommentare fantasierten etwa vom Durchschneiden ihrer Kehle, andere vom Verbrennen oder In-Fetzen-Reißen ihres Körpers.

Um diese Vorkommnisse ist in Frankreich eine massive Diskussion zur Meinungsfreiheit ausgebrochen, die das Land in zwei Lager spaltet. Die einen, die der Ansicht sind, dass auch derbe Kritik an Religionen möglich sein muss, ohne die Gefahr für Leib und Leben fürchten zu müssen, stehen der Seite gegenüber, die der Ansicht ist, dass die gotteslästerlichen Aussagen Milas weit über die Stränge schlugen. Nun sind Sätze wie "Im Koran steckt nur Hass, der Islam ist Scheiße" gewiss nicht sachlich, doch dass wegen solchen eine Schülerin kein normales Leben mehr führen kann, kann im 21. Jahrhundert nicht hingenommen werden.

Von fast allen Seiten unter Beschuss

Zeichnung: Jacques Tilly
Zeichnung: Jacques Tilly

Die französische Justizministerin Nicole Belloubet sagte in einem Interview mit dem Sender Europe 1, dass die Beleidigung von Religionen ein Angriff auf die Gewissensfreiheit sei. Damit suggerierte sie, dass Mila ihre missliche Lage selbst zu verantworten habe und die Schuld daran trage. Der Generaldelegierte des französischen Rates der Muslime, Abdallah Zekri, blies in dasselbe Horn als er im Sender Sud Radio verkündete, dass Mila eine Säerin dessen sei, was sie nun erntete. Und ein Oberstaatsanwalt hatte Anklage wegen "Aufruf zu religiösem Hass" erhoben, welche später allerdings wieder fallengelassen wurde. Auf Twitter lässt sich unter dem Hashtag #jenesuispasmila eine ganze Kaskade von Hassbeiträgen finden, die von harmlos kritisch bis extrem abfällig und entmenschlichend reichen.

Der Präsident Frankreichs steht ihr zur Seite

Immerhin einige hochrangige Politiker*innen stehen ihr zur Seite. Marlène Schiappa, die Staatssekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter in Frankreich, bezeichnet die Äußerung Zekris als "kriminell" und "unwürdig". Der Vorsitzende der Republikaner, Bruno Retailleau, verwies darauf, dass Frankreich nicht Saudi-Arabien sei und jede Religion kritisiert werden dürfe, da Blasphemie kein Straftatbestand sei.

Nun hat sich such Emmanuel Macron in der Zeitschrift Le Dauphiné Libéré zu Wort gemeldet. Dort verkündete er die sehr deutlichen Worte: "Die Gesetzeslage ist klar: Wir haben das Recht auf Gotteslästerung" und ergänzte, dass dieses Recht auch die Freiheit umfasse, Religionen zu kritisieren und zu karikieren. Außerdem müssen seiner Ansicht nach Minderjährige stärker gegen die neuen Formen des Hasses und Mobbings im Netz geschützt werden. Dies umfasse gemäß Macrons Äußerungen auch den Schutz an der Schule, im Alltag und auf Reisen.

Mila beruft sich auf eben dieses Recht zur Gotteslästerung, bat jedoch auch um Entschuldigung ob der vulgären Ausdrücke, die in ihrem Videobeitrag vorhanden waren. Das Video selbst ist mittlerweile gelöscht – was über den entfachten Brand um die Grenzen der Religionskritik gewiss nicht gesagt werden kann. Doch eines kann mit ziemlicher Gewissheit gesagt werden: Einen Präsidenten, der Rückgrat beweist und sich von religiösen Institutionen nicht vereinnahmen oder gar einschüchtern lässt, könnten viele Staaten auf diesem Globus bei aktuellen und künftigen Debatten über Religionskritik gut gebrauchen.

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