Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium

FDP greift Spahns Unverfrorenheit bei der Suizidhilfe an

Seit einiger Zeit wird immer konkreter diskutiert, wie die Suizidhilfe geregelt werden kann. Jens Spahn ist bei diesem Thema ein Meister der Verzögerungstaktik, Missachtung von Gerichtsurteilen und Hinterzimmerpolitik. Eine aktuelle Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP zeigt nun, dass der Gesundheitsminister klammheimlich bereits einen hausinternen Entwurf erarbeitet hat.

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr ist empört. Sie fordert gesetzlich geregelte Sicherheit noch in dieser Legislaturperiode, sowohl für die Inanspruchnahme von Suizidhilfe als auch für das Recht zur Hilfeleistung – mit entsprechenden Regularien wie ärztliche Dokumentationspflichten und mit psychosozialen Beratungsangeboten zum Themenkreis Suizidalität. Die Expertin für Gesundheits- und Rechtspolitik war für die Liberalen zusammen mit Otto Fricke federführend für die interfraktionelle Initiative, der Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (LINKE) angehören. Deren liberaler Gesetzentwurf enthält keinerlei Verbotsregelungen.

Still, leise und höchst selektiv

Wie die aktuelle Antwort des Bundesgesundheitsministeriums zum Sachstand Sterbehilfe (siehe Anlage) auf eine Kleine Anfrage der FDP zeigt, hat Jens Spahn seinerseits einen Gesetzentwurf vorbereitet und schreckt dabei auch vor Täuschung des Parlaments nicht zurück. Denn der Minister hatte in der Vergangenheit zunächst beteuert, eine Neuregelung der Suizidhilfe müsse ausschließlich aus der Mitte des Bundestages hervorgehen. Dann habe er vorgegeben, so Helling-Plahr in einer Pressemitteilung vom 12. Februar, einen breiten Austausch zur Neuregelung befördern zu wollen und im April vorigen Jahres hierzu "still und leise höchst selektiv vornehmlich konservative Verbände zu Stellungnahmen aufgefordert. Dem Parlament aber hat er die Einsichtnahme in diese Dokumente verwehrt."

Katrin Helling-Plahr ist Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Diese Zeitschiene informiert über ihre entsprechenden politischen Initiativen und Aktivitäten für ein selbstbestimmtes Lebensende seit April 2018.

Laut Ärztezeitung erklärte das Bundesministerium für Gesundheit, man habe auf Basis von Stellungnahmen von Verbänden und Organisationen einen "hausinternen Arbeitsentwurf" ausgearbeitet – damit sei aber keine abschließende Positionierung der Regierung verbunden. Nach wie vor, so die Ärztezeitung weiter, würden Anträge von Bürger*innen, die Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung erwerben möchten, vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausnahmslos abgelehnt.

Helling-Plahr kritisiert, dass Spahn das ihm nachgeordnete BfArM unbeirrt anweist, eine Entscheidung des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017 nicht zu beachten, nach der Sterbewilligen "in extremen Ausnahmefällen" Zugang zu Substanzen zur Selbsttötung gewährt werden müsse.

Ungeheuerlichkeiten nicht länger durchgehen lassen

Für Katrin Helling-Plahr ist das Vorgehen des Gesundheitsministers "an Unverfrorenheit nicht zu überbieten". Sie empört sich: "Das darf man ihm nicht durchgehen lassen. … Das neuerliche Vorgehen Spahns reiht sich ein in eine ganze Kaskade von Ungeheuerlichkeiten des Ministers zu Fragen der Suizidhilfe. Erst missachtet er ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und lässt betroffene schwer und unheilbar Kranke eine Show-Prüfung absolvieren, nur um dann alle Anträge auf Erlaubnis zum Erwerb eines tödlichen Medikaments ablehnen zu lassen, obwohl er weiß, dass ihnen ein höchstes Gericht dieses Recht bestätigt hat. Und nun verweigert er sich durch seine Hinterzimmerpolitik einer mit offenem Visier geführten Debatte zur Frage der Suizidhilfe."

Besorgniserregend und fadenscheinig

Es sei höchste Zeit, die Debatte zur gesetzlichen Regelung der Suizidhilfe ins Parlament zu holen und noch in dieser Legislaturperiode – und nicht doch wieder Jahre später – Rechtssicherheit für betroffene Sterbewillige zu schaffen. Auch Helling-Plahr ist der Entwurf des Ministers bisher unbekannt, aber sie strebe an, schnellstmöglich Einsicht nehmen zu können: "Nach dem bisherigen Verhalten des Ministers bin ich sehr besorgt. … Wir brauchen dringend eine liberale Regelung, die für die Betroffenen echte Rechtsklarheit schafft. Es gebietet die Menschlichkeit, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Deutschland nicht erneut faktisch leer läuft. Wir müssen deshalb für Betroffene, die selbstbestimmt sterben möchten, auch die Möglichkeit zu ärztlicher Verschreibung von Medikamenten zum Suizid eröffnen", so Helling-Plahr abschließend.

Inzwischen dementierte das Bundesgesundheitsministerium fadenscheinig und gab drei Tage nach der Presseerklärung von Katrin Helling-Plahr bekannt: Es sei nicht nur keine Vorab-Positionierung der Regierung erfolgt, sondern auch im Gesundheitsministerium vorerst kein eigener Vorstoß zur Sterbehilfe geplant – Spahn hätte lediglich einen vorbereitenden Arbeitsentwurf für eine Debatte erstellen lassen.

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