Kommentar

Von Sparern und Zockern

Die katholische Kirche gibt in diesen Wochen kein gutes Bild ab. Im Erzbistum Hamburg sollen acht Schulen geschlossen werden, in Eichstätt werden 50 Millionen verzockt. Die Gewinnoptimierung in jenem Glaubensverein, der sich so gerne als bedürftig präsentiert, scheint das Imageproblem der katholischen Kirche nicht gerade zu verbessern.

Dem Erzbistum Hamburg fehlen 80 Millionen Euro. Deshalb sollen acht der 21 katholischen Schulen im Stadtstaat geschlossen werden. Die kann der kirchliche Träger angeblich nicht weiter finanzieren, und das, obwohl er nur für den geringsten Teil der Kosten aufkommen muss: 80 bis 90 Prozent werden durch die Regelsätze für staatliche Schulen gedeckt, obendrauf kommt das Schulgeld, das für die Eltern je nach Einkommen und Zahl der Kinder, die eine der Schulen besuchen, zwischen null und 100 Euro pro Schuljahr beträgt. Das scheint nicht gereicht zu haben, trotz Erhöhung der Gebühren.

Aus humanistischer Sicht ist es ja zu begrüßen, dass sich die Kirche aus ihrem favorisierten gesellschaftlichen Bereich, der ideologischen Beeinflussung Minderjähriger, ein Stück weit zurückzieht. Was aber verwundert, ist die dann doch wieder sehr monetäre Orientierung des Nächstenliebe-Konzerns: Wenn nicht gewinnbringend gewirtschaftet werden kann, wird eben eingespart, knallhart, wie sonst auch in der freien Wirtschaft. Wo sind denn da Verantwortungsbewusstsein und solidarisches Handeln, zwei der "Früchte der Bildungsarbeit" wie auf der Website der Schulen im Erzbistum Hamburg zu lesen ist?

Laut fowid (Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland) ist Hamburg ein sehr kleines Bistum, nur zehn Prozent der Hamburger sind Katholiken. Trotzdem ist die katholische Kirche erstaunlicherweise der größte freie Träger schulischer Angebote. Damit scheint sie sich übernommen zu haben. Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand lehnte Schulsenator Ties Rabe (SPD) bislang ab. "Hamburg kann nicht einen einzelnen Schulträger besser stellen als die anderen", zitiert ihn die Süddeutsche Zeitung. Immerhin.

Eine Lösung bot eine Bürgerinitiative, die alle katholischen Konfessionsschulen in eine Schulgenossenschaft übernehmen wollte. Aber wer hätte es gedacht: Das Unternehmen Kirche will Träger der 13 nicht defizitären Schulen bleiben. Das wiederum lehnt die Bürgerinitiative ab: Sie wolle laut NDR nicht zur "Bad Bank" der Pleiteschulen werden. Hier mischte sich die Politik ein, die Fraktionsvorsitzenden der rot-grünen Koalition mahnten die Kirche zu "ernsthaften, ergebnisoffenen Gesprächen" und mehr Flexibilität. Das war zu viel für die katholischen Glaubensvertreter, sie fühlten sich in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt. Als Konsequenz ließen sie vergangene Woche einen Termin platzen, bei dem sich Vertreter von Bistum und Genossenschaftsinitiative den Fragen der Bürger stellen wollten. Der Erzbischof will jetzt selbst zu Gesprächen einladen – und zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die Kirche tut also das, was sie immer tut – ihre Pfründe sichern und Hinterzimmergespräche führen. Genau das, was viele Menschen an der Kirche so ärgert, wird weiter fortgesetzt. Auch hier bringt die katholische Kirche gerade wieder diejenigen, die ihr eigentlich wohlgesonnen sind, gegen sich auf. Eltern und Schüler protestieren gegen die Schulschließungen und haben sich sogar schon an den Papst gewandt. Der könnte ja theoretisch aus der vatikanischen Portokasse aushelfen, sollte man denken. Man wundert sich sowieso, warum nicht auch die katholische Kirche in Deutschland mit ihrem sagenhaften Gesamtvermögen von geschätzten 170 Milliarden Euro und Zuwendungen aus allgemeinen Steuergeldern in Höhe von fast 10 Milliarden Euro in der Lage ist, dem Bistum im Norden unter die Arme zu greifen.

Eine weitere Glanzleistung kirchlicher Beliebtheitsmomente spielt sich derzeit in Eichstätt ab. Hier soll ein leitender Mitarbeiter der Finanzkammer der Diözese 50 Millionen Euro über Kreditvergaben in dubiose Immobiliengeschäfte in den USA investiert haben. Ob und wie viel von diesem Geld das bayerische Bistum wiedersieht, wird sich zeigen, man rechnet aber mit einem hohen Verlust. Das Geld ist gerade einmal ein Sechstel jenes Kirchenvermögens, das für Finanzanlagen vorgesehen ist. Denn: Es sei Auftrag der Kirche, das Geld zu mehren, soll Erzbischof Gregor Maria Hanke gesagt haben. Im Sommer vergangenen Jahres zeigte die Diözese ihren Ex-Mitarbeiter wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr an. Er sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Neu an der ganzen Angelegenheit ist: Hanke hat den Skandal selbst öffentlich gemacht. Das gehört zu seiner Transparenz-Offensive, die er 2015 gestartet hat. Dabei soll auch das Vermögen des Bistums offengelegt werden, das bisher nicht bekannt ist.

"Wir sind Opfer und nicht Täter", so Anwalt Ulrich Wastl, der die Kirche vertritt. Es soll sich um einen Einzeltäter mit einem externen Komplizen gehandelt haben. Weder Finanzdirektor noch Diözesanvermögensverwaltungsrat sollen davon gewusst haben. Ob das tatsächlich so ist, wird das weitere Ermittlungsverfahren zeigen.

Was beiden Fällen gemeinsam ist: Sie wurden durch externe Wirtschaftsprüfer aufgedeckt. Die katholische Kirche beginnt, ihr Vermögen betriebswirtschaftlich zu organisieren und nach handelsrechtlichen Grundlagen darzustellen. So soll die Glaubwürdigkeit gestärkt werden. Bisher waren hier nur Theologen am Werk, so fielen dubiose Finanzgeschäfte beziehungsweise Finanzierungslücken nicht weiter auf. Im Rahmen dieser Maßnahmen treten jetzt Defizite zu Tage. Eichstätt zeichnet sich hier durch ein Bemühen um Transparenz positiv aus, während in Hamburg jetzt wieder hinter verschlossenen Türen beraten wird. Es bleibt die Frage, warum ein so offensichtlich auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen, das es gleichzeitig schafft, von der Öffentlichkeit immer als arm und bedürftig wahrgenommen zu werden, vom Staat mit Milliardenzahlungen finanziert werden sollte – vom Verstoß gegen das verfassungsmäßige Neutralitätsgebot ganz zu schweigen.