Das von Bischof Ackermann angekündigte "für alle zufriedenstellende Ergebnis" entpuppte sich bei der Abschlusspressekonferenz der Bischofskonferenz dann doch wieder als das Übliche: Das Nötigste, Unvermeidliche, verkündet wie immer im Brustton moralischer Überlegenheit. Das zog einige kritische Journalistenfragen nach sich und die enttäuschte Reaktion der Betroffenen ließ nicht lange auf sich warten.
Gestern, 12:30 Uhr auf dem Bonifatiusplatz in Fulda: Bischof Stefan Ackermann, Missbrauchsbeauftrager der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), erschien tatsächlich zum vereinbarten Termin, um öffentlichkeitswirksam und vor laufenden Kameras die "Lange Bank des Missbrauchsskandals" mittels Handsäge zu kürzen. Denn, so hatte er am Dienstag angekündigt, noch in dieser Woche werde es ein verbindliches und für alle zufriedenstellendes Ergebnis zur Missbrauchsaufarbeitung und –entschädigung geben.
Davon kann jedoch keine Rede sein. In der Abschlusspressekonferenz stellte Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, den Beschluss einer Verfahrensordnung für ein erneuertes System von Anerkennungsleistungen zum neuen Jahr vor. Inhaltlich war jedoch im Vergleich zu den im Frühjahr veröffentlichten Entschädigungsvorhaben kein großer Unterschied erkennbar: Orientiert an gerichtlichen Urteilen zu Schmerzensgeldern sollen Einmalzahlungen an Betroffene bis maximal 50.000 Euro auf Grundlage einer Plausibilitätsprüfung geleistet werden.
Was denn jetzt daran neu sei, fragte ein Journalist dann auch etwas irritiert. Laut Bätzing, der von einem "erheblichen Fortschritt" sprach, seien das der einheitliche Leistungsrahmen für alle Diözesen, die eindeutige Zuständigkeit und unabhängige Steuerung sowie die Zahlungsermöglichung: Bei einer eigenen Stelle, die unabhängig von den Bistümern ist, können ab 1. Januar 2021 Anträge gestellt werden. Dieses kirchenunabhängige Gremium, interdisziplinär zusammengesetzt aus Mitgliedern verschiedener Bereiche wie Medizin, Recht, Psychologie und Pädagogik, entscheidet individuell, ob und wie viel gezahlt wird, Pauschalen werde es nicht geben.
Es könnten auch Personen Anträge stellen, die schon Zahlungen erhalten haben. Bei wem bereits die Plausibilität festgestellt wurde, der könne davon ausgehen, dass es auch dabei bleibe. Mit dem neuen System der Anerkennungsleistungen solle der gesamte Bereich der katholischen Kirche abgedeckt werden, also auch die Ordensgemeinschaften. Woher die Mittel für die Anerkennungsleistungen stammen sollen, müssten die zuständigen Gremien der einzelnen Bistümer selbst entscheiden, so der DBK-Vorsitzende weiter. Er als Bischof könne das nicht entscheiden.
Mit den angestrebten Zahlungen gehe man "wirklich in einen hohen Bereich", an die "absolut obere Grenze", befand Bätzing. "Wir haben uns entschlossen, in dem Kontext zu bleiben, in dem auch die staatliche Gesetzgebung unseres Landes steht. (…) Ein 'nur' kann ich hier wirklich nicht sehen", antwortete er einem weiteren Journalisten, der wissen wollte, warum die Entschädigungszahlungen nicht höher ausfielen, so wie von Betroffenen gefordert.
Betroffenenverbände sind enttäuscht
Diese zeigten sich dann auch entsprechend enttäuscht: "Die Entscheidung führt in die Irre. Denn es geht in den 5.089 in den Akten der Kirche dokumentierten Missbrauchsfällen nicht um den Ausgleich für aktuelle Taten, wie sie mit Schmerzensgeldtabellen staatlicher Gerichte erfolgt, sondern es muss um einen Ausgleich gehen für jahrzehntelange systematische Vertuschung und Verdunkelung von Verbrechen an Kindern und Jugendlichen durch die Institution Kirche und die Folgen, die dies in den Biografien der Opfer hinterlassen hat. Deshalb fordern wir, die Empfehlungen der unabhängigen Kommission zu sexuellem Missbrauch aus 2019, in denen Expertinnen und Experten Schmerzensgeldzahlungen zwischen 40.000 und 400.000 Euro empfohlen haben, zur Grundlage von Gesprächen zwischen Betroffenen und Bischöfen zu machen", heißt es in einer ersten Stellungnahme der Betroffenenorganisation Eckiger Tisch zur Entscheidung der Deutschen Bischofskonferenz.
Auch von dem von der DBK eingerichteten und mittlerweile mit zwölf Personen besetzten Betroffenenbeirat, der seine "Interessen und Perspektiven" in die Arbeit der DBK einbringen soll, sind die Vertreter des Eckigen Tisches nicht überzeugt: "Wir begrüßen es, wenn die Kirche sich in Zukunft von Betroffenen beraten lässt. Wir stellen aber klar, dass ein Gremium, welches die Kirche selbst zusammenstellt, kein Ersatz für den Austausch zwischen der Täterorganisation und ihren Opfern sein kann."
Kunstaktion und Petition der Betroffenen
Betroffeneninitiativen wie der Eckige Tisch waren während der dreitägigen Herbstvollversammlung der DBK vor Ort in Fulda und machten gemeinsam mit der Giordano-Bruno-Stiftung auf ihre Forderungen aufmerksam. Im Zuge der symbolischen Absägung der "Langen Bank des Missbrauchsskandals" kam es außerdem in Anwesenheit von Medienvertretern von WDR, BR, Arte und Domradio zu einem direkten Gespräch zwischen Bischof Ackermann und Matthias Katsch, dem Sprecher des Eckigen Tisches, an jener kleinen grünen Biergarnitur, die für Hoffnung steht (Erklärung der Symbolik der Kunstaktion hier). Laut Katsch habe es das in dieser Form vorher noch nie gegeben.
Am Mittwoch hatten Aktive und Vertreter des Eckigen Tisches, der Initiative Ehemaliger Johanneum Homburg, des Vereins MoJoRed und gedenkort.net eine Kunstaktion auf dem Domplatz veranstaltet: Sie verteilten 50 schwebenden Helium-Ballons mit dem Aufdruck "Ausgleichende Gerechtigkeit" auf der Fläche vor der Kirche. Jeder stand symbolisch für 100 Missbräuche und an jedem war eine Karte mit einem beispielhaften Tatort befestigt. Ein schwarzer Luftballon symbolisierte die vielen schon verstorbenen Betroffenen, deren Fälle nie mehr aufgearbeitet und entschädigt werden können. Die großen leeren und damit unsichtbaren Räume zwischen den Ballons galten den vielen noch unbekannten Taten.
Am selben Tag reichte Matthias Katsch in Abstimmung mit weiteren Betroffenen und Betroffenenvertretern eine Petition beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ein. Darin wird unter anderem gefordert, Aufarbeitung, Hilfe und Entschädigung der Opfer des sexuellen Kindesmissbrauchs im Parlament zu diskutieren und bereits verjährte Verbrechen auf gesetzlicher Basis unabhängig aufzuarbeiten.
Auch Aktionskünstler David Farago, Erbauer der "Langen Bank des Missbrauchsskandals", ist nicht zufrieden mit den vorgestellten Ergebnissen, jedoch auch nicht überrascht: "Ich habe nicht wirklich erwartet, dass etwas Anderes herauskommt als in Mainz, aber ich bin wahnsinnig enttäuscht, dass das Ergebnis heute in Fulda sogar hinter dem der Frühjahrkonferenz zurückgeblieben ist. Denn in Mainz hieß es noch, dass im Einzelfall auch mehr als 50.000 Euro gezahlt werden könnten. Der jetzige Beschluss sagt ja, dass bei 50.000 Schluss ist. Damit wurde eine klare Obergrenze festgelegt." Andererseits sei er aber "stolz drauf, dass wir das Gespräch zwischen Ackermann und Katsch ermöglichen und den Anliegen von Betroffenen auf diese Weise etwas mehr Gehör verschaffen konnten."
Das sechs Zentimeter große, abgesägte Stück Bank werde er wieder anleimen. Das hatte er vorab bereits mit Bischof Ackermann vereinbart, für den Fall, dass er die Beschlüsse der DBK nicht ausreichend findet. Im Gegenteil soll die "Lange Bank" zur nächsten Bischofskonferenz noch verlängert werden – entsprechend der Größe der Enttäuschung.
11 Kommentare
Kommentare
Alwu am Permanenter Link
O wie Medienwirksam doch dieses Abschneiden eines Stück Holzes war. Und damit hat es sich schon. Und wenn jemand nach Entschädigung anfängt, bekommt er vermutlich dieses rote Stück Holz gleich mal aufs Maul.
M. Landau am Permanenter Link
»» Ein 'nur' kann ich hier wirklich nicht sehen
... das feilschen nicht irgendwelche Freier um schuldig geblieben Huren- bzw.- Stricher-Lohn, ne?
»» Der jetzige Beschluss sagt ja, dass bei 50.000 Schluss ist.
»» Damit wurde eine klare Obergrenze festgelegt.
Und wer hat das beschlossen? Die Führer der katholische Kirche höchstselbst. Unter den 'Würdenträgern' dieser Konferenz, könnten durchaus Täter, oder ehemalige solche, sein.
Wer muss jahrelang, in endlosen und demütigenden Prozeduren, dem Geld hinterherrennen und als Bittsteller bei genau jenen 'vorsprechen', die jahrzehntelang die Kinderschänder aus den eigenen Reihen vor der Justiz versteckt haben oder, wahrscheinlich sogar selbst... Wie auch immer, beteiligt sind sie so oder so, auch im Sinne des Strafrechts.
Entschädigungen der Opfer von Verbrechen werden von Gerichten festgelegt - Titel: »Urteil« und »Im Namen des Volkes« - NICHT: »Abspeise« - »Im Namen aller Heiligen«.
Die Justiz schaut dem Treiben der offensichtlich allmächtigen Kirchenführer, tatenlos zu. Das ist eines Rechtsstaates, auf den sich vor allem C-Politiker immer wieder berufen, unwürdig.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Von diesen "Leuten" war eigentlich nichts anderes zu erwarten, als wieder der selbe Mist wie immer und nichts wird geschehen die Opfer des Missbrauchs gerecht zu Entschädigen.
Menschen wie diese, die Nächstenliebe und Humanität predigen und sich an wehrlosen Kindern vergreifen, sollten von der Gesellschaft geächtet werden.
Leider sieht die Realität dazu anders aus, wir alle, auch wir Atheisten, sind von Staatswegen gezwungen diese Heuchler übermäßig zu finanzieren durch unsere Steuerabgaben, welch jährlich in Höhe von ca. 20 Milliarden an die beiden Kirchen fliesen,
ausser der Kirchensteuer, welche den Kirchen noch einmal ca. 19 Milliarden jährlich einbringt. Gelder die der Bevölkerung an allen Ecken und Enden fehlen und den Kirchen zu unermesslichen Reichtum verhelfen. Dieser Reichtum gibt ihnen auch die Macht, sich über
alle Gesetze, welche ihnen nicht in den Kram passen, hinwegzusetzen.
Wie lange wird diese Ungerechtigkeit vom Staat und von den Bürgern noch geduldet, wir leben schon lange nicht mehr im Mittelalter, so wie momentan noch islamische Staaten
und sollten daher etwas gegen dieses Unrecht, dessen Berechtigung längst abgelaufen ist, unternehmen.
Die Kirchen werden noch immer mit Samthandschuhen angefasst, der Sinn dahinter erschließt sich mir nicht. Mitleid kann ich, wenn überhaupt, nur mit den Gläubigen und verdummten Kirchgängern haben, die von dem System Kirche nur für ihre Zwecke ausgenutzt werden, jeder der über dieses System einmal nachdenkt, muss zu dem Schluß kommen, dass alles nur ausgedachter Schwindel ist, um ein paar Scharlatanen ein Leben ohne Arbeit und in Reichtum zu ermöglichen.
Als Beweis für meine Behauptungen, der Vatikan ist nach den USA der zweitreichste Staat der Erde und dies kann er nicht leugnen.
Haimo Herrmann am Permanenter Link
Wenn man die Äusserungen der Kleriker in den letzten 10 Jahre genau betrachtet, wird ein ganz menschlicher aber zuhöchst unchristlicher Zug verschiedener Bischöfe deutlich.
Haimo Herrmann
Anerkanntes Missbrauchsopfer des Bistum Regensburg
Willie am Permanenter Link
"Das sechs Zentimeter große, abgesägte Stück Bank werde er wieder anleimen."
Ich würde es abgeknickt wieder ansetzen, damit diese Halbherzigkeit deutlicher zu sehen ist.
Leon S. am Permanenter Link
50 000 €, 5 Mio €, 50 Mio €.
Kein Betrag kann solche (und andere!) Erfahrungen in der Kindheit
ent-schädigen.
Glücklich die, die durch den Zufall ihrer Gene resilient sind. Den Anderen hilft alles Geld der Welt nicht, ihren Seelenfrieden nach traumatischen Erfahrungen wieder zu finden.
Wirklich helfen kann ihnen nur eine seriöse Therapie, meistens wohl eine Psychoanalyse. Genau die sollte die Kirche auch bezahlen.
Darüber hinaus gehende Forderungen entspringen wohl dem (durchaus verständlichen! )
Zorn, der Suche nach Vegeltung und ähnlichen Motiven.
Alles durchaus verständlich, aber eben nichts, was das Problem ernsthaft angehen würde.
Deshalb erscheint das Angebot der Kirche, sich am juristisch verwendeteten Schadenersatzlevel zu orientieren, durchaus plausibel.
Günter Rack am Permanenter Link
"Mit den angestrebten Zahlungen gehe man "wirklich in einen hohen Bereich", an die "absolut obere Grenze", befand Bätzing."
Das ist wohl die "absolute Obergrenze" der klerikalen Portokasse; die gebunkerten und ergaunerten Milliarden dürfen auf gar keinen Fall angefasst werden.
Conni am Permanenter Link
....gebunkert werden. Na klar, die werden ja auch z. B. im Kölner Bistum von einem extra angestellten Broker verwaltet, der die nach Schätzung etwa 3 Milliarden an der Börse vermehren soll.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Das Beitragsfoto mag als Sinnbild gelten.
Im Grunde bleibt nur noch eine gesetzliche Einstufung als kriminelle Organisation und Beschlagnahmung des Vermögens.
Null Komma Nix am Permanenter Link
Bis zu 50.000 € kann auch bedeuten, daß "Opfer" mit einem Euro oder weniger "entschädigt" werden, zumal die Kirche allein entscheidet, ob und in welchem Maße die Opfer einen Schaden erlitten - oder
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Diese "Hirten" haben als Nachfolger der Jünger Jesu die Gabe erhalten, Sünden zu vergeben.