Braucht Berlin mehr Religion?

Der in Berlin amtierende Erzbischof Heiner Koch ist der Meinung, dass die deutsche Hauptstadt religionsfeindlich sei. Er verkennt, dass es zwei Drittel der Bevölkerung schlichtweg egal ist, was die Kirchen sagen.

Anders als der ebenfalls in Berlin ansässige Bundestag und die Bundesregierung sind die normalen Menschen in der Stadt ziemlich desinteressiert an dem, was Herr Koch und seine Kirche meinen; wo und wie sie glauben, belehren zu müssen. Didaktisch erhobene Zeigefinger haben in dieser Stadt noch nie sonderlich gut funktioniert.

Das allerdings kann Koch so nicht hinnehmen. So sagte er der Berliner Morgenpost: "Berlin verträgt Religion und braucht mehr Religion, als es heute hat." Darauf antwortet der Berliner zwischen Currywurst und Döner: "Hä? Lass mir mit den Quatsch in Ruhe!"

Nun ist ja klar, dass sich so ein Zugezogener erst einmal akklimatisieren und den Gegebenheiten der neuen Wirkungsstätte anpassen muss. Allerdings ist Herr Koch einerseits nun schon etliche Jahre in Berlin und zum anderen hat er wohl bisher noch nie die Nase aus seinem Amtssitz gesteckt. Denn sonst hätte er einen Satz wie den hier nicht einer Berliner Tageszeitung ins Mikro diktiert:

"Einen nicht-religiösen Menschen gibt es nicht. Die Grenze zwischen gläubig und ungläubig ist ohnehin fließend."

Vielleicht sollte sich der gute Mann mal zu den anderen an einen Currywurst- oder Dönerstand stellen und bei ner Portion Pommes rot/weiß mit den Menschen reden.

(Ich frag mich gerade, ob Herr Koch meine Existenz bezweifelt. Hallo, Herr Koch, es gibt mich tatsächlich! Und ich bin vollständig areligiös! Ich habe nicht einmal den von Ihnen im zweiten Satz unterschwellig unterstellten Hang zur Ersatzreligion Esoterik.)

Doch welch arroganter Hochmut zeigt sich erst, als der Erzbischof zu seiner Meinung zur Verleihung des Status der Körperschaft öffentlichen Rechts an den Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg (HVD BB) gefragt wird. Darauf antwortet er ernsthaft: "…kann der HVD nicht für alle Religionslosen sprechen, sondern nur für seine 13.000 Mitglieder in Berlin und Brandenburg." Das nenne ich Doppeldenk: Die von ihm vertretene katholische Kirche maßt sich schließlich permanent an, für alle Menschen zu reden. Auch für die Zweidrittelmehrheit der konfessionslosen Berliner.