"Der Beruf des Politikers ist bedauerlicherweise kein klassischer Ausbildungsberuf, der ein Mindestmaß an Know-how voraussetzt. Ansonsten müsste Markus Söder wissen, dass auch bayerische Politiker dem Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates verpflichtet sind!" Mit diesen Worten kommentierte gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon den Entschluss des bayerischen Ministerpräsidenten, Kreuze in den öffentlichen Einrichtungen seines Landes aufzuhängen.
"Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1965 festgestellt, dass das Grundgesetz den deutschen Staat als 'Heimstatt aller Staatsbürger' zu 'weltanschaulich-religiöser Neutralität' verpflichtet", erklärte Schmidt-Salomon. "Söders Entscheidung, die dieses Gebot offen verletzt, stellt daher einen klaren Verfassungsbruch dar, den wir nicht klaglos hinnehmen werden! Offenbar will er sich bei PEGIDA und der AfD anbiedern und sich als 'Retter des christlichen Abendlandes' aufspielen. Aber das ist das denkbar schlechteste Mittel, um die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen. Wohin diese sonderbare Mixtur aus religiösen Werten und nationalem Chauvinismus führt, kann man an Trump, Putin oder Erdogan studieren."
Dass das Kreuz angeblich "kein religiöses Symbol" sei, bezeichnete Schmidt-Salomon als "grotesk", dass es "als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland" anzubringen sei, wertete der gbs-Sprecher "als klaren Beleg dafür, dass Söder beim Geschichtsunterricht wie auch bei seinem Jurastudium entweder an den entscheidenden Punkten weggehört hat oder aber falsch informiert wurde": "Tatsache ist nämlich, dass die deutsche Rechts- und Gesellschaftsordnung seit der Entfernung christlicher Sittlichkeitsparagraphen aus dem Strafgesetzbuch, etwa dem Verbot der Kuppelei, das den vorehelichen Sex kriminalisierte, oder dem Anti-Schwulenparagraphen 175 StGB, mit dem Zehntausende Homosexuelle verfolgt wurden, nicht mehr christlich geprägt ist. Fakt ist ebenfalls, dass Söders 'Kreuzzug' nicht die offene Gesellschaft stärkt, sondern die Ressentiments jener Ewiggestrigen, die von dem gesellschaftlichen Trend hin zu mehr Freiheit und Vielfältigkeit überfordert sind und sich daher in die 'gute alte Zeit' zurückwünschen, die allerdings bei genauerer Betrachtung für weite Teile der Bevölkerung alles andere als gut gewesen ist."
Eine "Flut an Klagen"
Schmidt-Salomon kündigte dem bayerischen Ministerpräsidenten eine "Flut an Klagen" an: "Die Bayern gelten ja als ein recht widerständiges Völkchen und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine von der Landesregierung verordnete Zeitreise in den Muff der 1950er Jahre hinnehmen werden!" Er verwies dabei auf einen Kommentar der zweiten Vorsitzenden des bfg München, Assunta Tammelleo, die auch Beirätin der Giordano-Bruno-Stiftung ist: "Wir fordern die bayerische Staatsregierung auf, den Beschluss zurückzunehmen. Ansonsten werden wir als Humanisten und Konfessionsfreie alle Mittel einsetzen, um das Anbringen von Kreuzen zu verhindern. Die Palette der Maßnahmen ist groß und reicht vom Boykott des Betretens öffentlicher Einrichtungen bis hin zum Rechtsweg durch alle Instanzen."
"Dass dies keine leeren Drohungen sind, zeigt das 2016 durch den bfg München erstrittene Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches das im bayerischen Feiertagsgesetz verankerte uneingeschränkte Tanzverbot an Karfreitag als verfassungswidrig erklärte", erläuterte Schmidt-Salomon. "Söders Kreuze-Verordnung wird es nicht anders ergehen, auch sie wird als Verstoß gegen die staatliche Neutralität aufgehoben werden. Wir werden die entsprechenden Verfahren mit unseren erfahrenen Juristinnen und Juristen vom Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) begleiten und es wird uns eine Freude sein, die Prinzipien des liberalen Rechtsstaats gegen Söders Rechtspopulismus ins Feld zu führen."
Erstveröffentlichung: Giordano-Bruno-Stiftung
12 Kommentare
Kommentare
Henk am Permanenter Link
Meine volle Unterstützung!
Konrad Schiemert am Permanenter Link
"Der Beruf des Politikers ist bedauerlicherweise kein klassischer Ausbildungsberuf, der ein Mindestmaß an Know-how voraussetzt."
Rainer Bolz am Permanenter Link
Herr Söder : Viele Kulturelle und Religiöse Überlieferungen sind aus heutiger Sicht faktisch falsch und ABERGLÄUBISCHER UNSINN !!
annen anne Nerede am Permanenter Link
That's the spirit. Danke MSS.
Jürgen Roth am Permanenter Link
Der Erklärung der GBS kann man nur zustimmen. Spannend ist darüber hinaus aber auch die Erkenntnis, wie gefährlich jeder Eingriff in die Neutralität staatlicher Hoheitsbereiche tatsächlich ist.
Klemens am Permanenter Link
Das Bild zeigt kein Kreuz, sondern ein Kruzifix. Wie lautet eigentlich der Kabinettsbeschluss genau?
Kay Krause am Permanenter Link
zu Klemens: Wie gut, dass es so gebildete Menschen gibt, die diesen weltbewegenden Unterschied kennen und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen! Danke Klemens!
Hans Trutnau am Permanenter Link
OK, das ist der offizielle Weg.
Zwischenzeitlich empfehle ich zivilen Ungehorsam:
Kreuz abhängen und entsorgen.
Gert Hantke am Permanenter Link
Geht es hier vielleicht (auch ?) um eine Querschußtaktik gegenüber der deutschen Gerichtsbarkeit? Ganz auf der Linie der Verzögerungs- bzw. Verweigerungstaktik bzgl der Herausgabe von Natrium-P.
Interessant dürfte dabei auch sein, wieviele der im Zweifel qualifizierte(re)n Behördenleiter/innen sich vor diesen Karren spannen lassen. Und wieviele Disziplinarverfahren es nachfolgend gibt angesichts einer offensichtlichen Mißachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Wolfgang am Permanenter Link
Ein Folter-und Hinrichtungsinstrument in jeden Eingang einer Behörde; so wahr mir Gott helfe! Der dreifaltige Gott heißt Dummheit, Intoleranz, Ignoranz.
Kay Krause am Permanenter Link
hallo Wolfgang! So weiß der Bürger doch gleich, wer und was in der Behördeauf ihn zukommt.
A.Feivel am Permanenter Link
Ich wohne in einem Landstrich, der vom Katholizismus mehr als durchseucht ist.
Wie kommt es nur, das mir jedesmal das KOTZEN kommt wenn ich IHN sehe, und dabei an meine Kindheit denke?