gbs-Regionalgruppentreffen

"Die Stiftung ist das, was ihre Mitglieder leisten"

In diesem Jahr fand das Regionalgruppentreffen der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) aus Infektionsschutzgründen wie schon beim letzten Mal per Videokonferenz statt. 29 Personen und mit ihnen 15 Regional- und Hochschulgruppen nahmen an der virtuellen Veranstaltung am 4. September teil, tauschten sich über durchgeführte Projekte aus und planten neue.

Fast eine Stunde dauerte der Rückblick über das Stiftungsjahr seit dem vergangenen Regionalgruppentreffen im August 2020. Trotz Corona-Maßnahmen sei "unglaublich viel passiert", so Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon nach dem Ende seiner Präsentation: von gewonnenen Gerichtsverfahren über Vor-Ort-Aktionen mit kirchenkritischen Großplastiken bis hin zu einer Briefaktion an EU-Parlamentarier. Außerdem berichtete Schmidt-Salomon vom 100. Geburtstag des gbs-Gründungsbeirats Hans Albert und der erfolgreichen Erstausschreibung von Stipendien des Bertha von Suttner-Studienwerks sowie der Veröffentlichung einer Website, die dem Paragraph 219a geschuldeten Informationsdefizit beim Thema Schwangerschaftsabbruch entgegenwirken soll ­– um nur einige Beispiele zu nennen.

Berichte aus den Regionalgruppen

Auch die Regionalgruppen hatten 2020/21 allerhand auf die Beine gestellt: Janosch Rydzy blickte auf das Karlsruher gbs-Jahr zurück; unter anderem hält die Regionalgruppe regelmäßige Übungstreffen auf dem Street Epistemology-Discord-Server ab, um diese Gesprächstechnik zu trainieren. Eine eigene Website zum Thema ist im Aufbau.

Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) präsentierte eine Foto-Aktion, die er in Zeiten fehlender persönlicher Treffen ins Leben gerufen hatte, um mehr Gesicht zu zeigen: Mitgliedern des DA! wurden selbstgewählte Bezeichnungen ins Gesicht projiziert und dann in einem Portraitfoto festgehalten. "Das hatten wir schon ewig vor", kommentierte Ricarda Hinz aus dem Vorstand, die Aktion zeige die Vielfalt der säkularen Aktivisten in der ganzen Breite. Die Projektionen umfassten Begriffe wie "Humanimal" oder "total unchristlich", Aussagen wie "science fucking rocks" oder Symbole wie die Menschenrechtshand werden jetzt per Zufallsgenerator auf der Startseite der Düsseldorfer Regionalgruppe angezeigt.

Diese hat außerdem den "Evolutionsweg für Zuhause" entwickelt: Kinder können auf den Führungen die einzelnen Stationen als Aufkleber auf einem zwei Meter langen Seidenband fixieren und könnten dann den Eltern die Evolution erklären. "Auf die Art hat man gleich (…) die ganze Familie aufgeklärt", resümierte Hinz schmunzelnd. Zusätzlich nutzt der Aufklärungsdienst auf seinen Führungen Fossilien und ein von einem Pädagogen entwickeltes Quiz sowie dazu passende Spiele.

Überregionaler Austausch in Corona-Zeiten

Wie ein Austausch Corona-konform gelingen kann, zeigten die Die Säkularen Humanisten – gbs Rhein-Neckar: Sie haben das "Humanistische Forum" ins Leben gerufen. Moderiert von Adrian Gillmann finden die 90-minütigen Treffen zu verschiedenen Themen statt; gedacht waren die virtuellen Zusammenkünfte als regionaler Austausch, doch sie erfreuten sich auch darüber hinaus großer Beliebtheit, erläuterte Friedrich Coradill. Zur besseren Vernetzung in Baden-Württemberg haben die dortigen sechs Regionalgruppen zusätzlich einen Landesverband gegründet.

Im weiteren Verlauf des Treffens berichtete Coradill, seit Mai Sprecher des Bündnisses Altrechtliche Staatsleistungen Abschaffen (BAStA), dass von allen sieben Parteien, die vermutlich erneut im Bundestag vertreten sein werden, lediglich drei den Verfassungsauftrag zur Abschaffung der Dotationen im Parteiprogramm hätten: Grüne, Linke und FDP, die bereits den abgelehnten Gesetzentwurf von 2020 eingebracht hatten. Außerdem erzählte er von seinem von städtischer Seite abgelehnten Angebot, ehrenamtlich Kirchenaustrittanträge zu bearbeiten.

Einen lokalen Erfolg konnte Peter Koch aus Braunschweig vermelden: Einem Mitglied der dortigen Regionalgruppe war es gelungen, gegen neu eingeführtes, nicht-liturgisches Kirchenglockengeläut vorzugehen, das zweimal pro Tag zusätzlich zum normalen Läuten erklang.

Zukunftsausblick

Anschließend folgte der Blick nach vorne: "Wenn wir uns die Prognosen anschauen, können wir davon ausgehen, dass in zehn Jahren, also im Jahr 2032, 50 Prozent der Bevölkerung konfessionsfrei sein werden", so gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon. Nun gehe es darum, bewusst zu machen, dass dieser soziale Wandel sich im politischen Raum widerspiegeln müsse, weshalb sich auch das Selbstverständnis der Säkularen ändern sollte: "Weg vom Lamentieren, hin zum aktiven Gestalten der Gesellschaft". Diese Haltung passe gut zum kommenden Jahr, in dem die Giordano-Bruno-Stiftung 18 Jahre alt werde, also "endlich volljährig".

Im nächsten Jahr werde aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Fall von Kristina Hänel, die in ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Paragraphen 219a StGB ("Werbung für den Schwangerschaftsabbruch") von der gbs unterstützt wird, vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden. Bei dem Prozess gehe es letztlich darum, "das juristische System von religiösen Normen zu befreien, die in der Bevölkerung ihren Rückhalt längst schon verloren haben", konstatierte Schmidt-Salomon.

Projektideen

Im letzten Teil der Online-Konferenz tauschten sich die Teilnehmenden über neue Vorhaben aus. Dieter Kaiser von der Regionalgruppe Bodensee schlug ein musikalisches Projekt vor – die Umwandlung von geistlicher Musik in weltliche: "Die Melodien der Kirchenmusik sind vielen Bürgern sehr geläufig, sodass sie diese immer wieder gerne hören. Um zu vermeiden, dass die zeitlich überholten und zum Teil lächerlichen Texte dabei gesungen werden müssen, wäre es sinnvoll, weltliche Texte auf diese beliebten Melodien zu komponieren", erläuterte er seine Idee. Er lud alle Humanisten dazu ein, sich daran zu beteiligen, "damit die liebgewonnenen Melodien in Zukunft mit vernünftigen Texten gesungen werden können".

Das Schlusswort kam von Stiftungsgründer Herbert Steffen: Er habe auf der virtuellen Veranstaltung viel über die Aktivitäten der Regionalgruppen gelernt, und sei "glücklich und stolz darauf, dass wir so tolle Leute vor Ort haben": "Die Stiftung ist das, was ihre Mitglieder leisten."

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