Bundestag stimmt über Gesetzentwurf zu Staatsleistungen ab

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Im Deutschen Bundestag wird heute über Staatsleistungen diskutiert.

Heute Abend wird im Deutschen Bundestag abschließend über den Gesetzentwurf von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen beraten. Eine Ablehnung des Entwurfs durch die Parlamentsmehrheit von CDU/CSU und SPD ist sehr wahrscheinlich.

Die von den Ländern an die Kirchen gezahlten Staatsleistungen sind ein historisches Relikt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Damals wurde beschlossen, die Kirchen für die Folgen der Säkularisation zu entschädigen. Bereits vor über einhundert Jahren waren die Väter der Weimarer Reichsverfassung bereits der Ansicht, dass diese Zahlungen nicht mehr zeitgemäß seien und abgeschafft werden müssten und schrieben dies als Auftrag in die Verfassung. Da man zur Zeit der Weimarer Republik jedoch drängendere Probleme zu lösen hatte, blieb dieser Verfassungsauftrag zunächst uneingelöst. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er schließlich in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen.

Passiert ist seitdem wenig bis nichts. Außer einer jährlichen horrenden Steigerung der Staatsleistungen an die Kirchen, die die Länder den Religionsgemeinschaften ohne irgendeine Gegenleistung oder Verwendungseinschränkung zahlen. Waren es laut Berechnungen der Humanistischen Union 1949 gerade mal (in heutige Währung umgerechnet) 23 Millionen Euro pro Jahr, die von den Ländern an die Kirchen flossen, so ist man 2021 bereits bei knapp 581 Millionen Euro angekommen – Tendenz steigend. Zaghafte Versuche von Oppositionsparteien, auf Bundesebene eine notwendige gesetzliche Grundlage für die Ablösung der Staatsleistungen auf Länderebene zu schaffen, wurden von den regierenden Parteien stets abgeschmettert. Und genau das wird sich vermutlich auch heute in der 227. Plenarsitzung des Deutschen Bundestags wiederholen.

Vor über einem Jahr, am 13. März 2020, hatten die Oppositionsparteien FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen einen gemeinsam erarbeiteten Gesetzenwurf für ein sogenanntes Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen vorgestellt. Der Entwurf sieht vor, dass die Staatsleistungen durch Zahlung von Ablösesummen abgegolten werden sollen, die sich am sogenannten Äquivalenzprinzip orientieren und damit als maximale Höhe das 18,6-Fache der jährlich zu leistenden Zahlungen im Jahr 2020 betragen, welche bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs noch mit 548 Millionen Euro veranschlagt wurden.

Hieraus ergäbe sich eine maximale Ablöseleistung von gut 10 Milliarden Euro, die durch einmalige Zahlung, Ratenzahlung oder – durch Verhandlung und Vertrag mit den Kirchen – auch in anderer Form als durch Geldleistungen, also beispielsweise durch das Überschreiben von Grundstücken oder Gebäuden, erbracht werden kann. Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, dass die Länder innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Grundsätzegesetzes eine geeignete Landesgesetzgebung zur Ablösung der Staatsleistungen zu erlassen haben und dass innerhalb von zwanzig Jahren nach Inkrafttreten des Grundsätzegesetzes die Ablösung abgeschlossen sein muss. Während dieser Zeit fließen neben der Ablösesumme die Staatsleistungen weiter.

Der Entwurf stieß auf Kritik von verschiedenen Seiten. Während säkularen Organisationen die Ablösesumme viel zu hoch schien, war aus kirchenfreundlichen Kreisen zu hören, dass man die Ablösesumme für zu gering hält. Doch auch Lob erntete der Gesetzentwurf, weil er sich endlich eines seit über hundert Jahren vernachlässigten Themas annahm, durch das die öffentlichen Kassen jährlich um mehr als 500 Millionen Euro geschröpft werden. Denn dass es früher oder später zur Abschaffung der Staatsleistungen kommen wird, ist allen, die sich mit dem Thema beschäftigen, klar. Angesichts ständig sinkender Kirchenmitgliedszahlen werden diese Zahlungen der Bevölkerung nicht mehr lange vermittelbar sein. Das wissen auch die Kirchen, die deshalb gern so schnell wie möglich einen noch lukrativen Ablöse-Deal herausschlagen wollen, ehe jüngere und säkularere Politiker-Generationen die Staatsleistungen möglicherweise ohne oder mit wesentlich geringeren Ablösezahlungen abschaffen.

Über den aktuellen Gesetzentwurf der Oppositionsparteien wurde am 5. November 2020 im Deutschen Bundestag diskutiert und am 12. April 2021 schließlich im Innenausschuss des Bundestags beraten. Heute findet nun unter dem Tagesordnungspunkt 37 der 227. Plenarsitzung die abschließende zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen FDP, die Linke und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten "Entwurfs eines Grundsätzegesetzes zur Ablösung der Staatsleistungen" statt. Für die um 18:40 Uhr beginnende Diskussion über den Vorschlag zur Einlösung des seit über einem Jahrhundert bestehenden Vefassungsauftrags hat man gerade einmal 40 Minuten eingeplant.

Kein Wunder, denn die Sache scheint bereits entschieden: Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD hatten bereits während der ersten Diskussion des Gesetzentwurfs im November vergangenen Jahres mehr als deutlich gemacht, dass ihnen dieser Entwurf zu wenig kirchenfreundlich sei. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat legt deshalb der Mehrheit der Parlamentarier die Ablehnung des Gesetzentwurfs nahe – ohne jegliche inhaltliche Begründung wohlgemerkt. Für einen entsprechenden Entwurf für ein Staatsleistungsgesetz der AfD, das ebenfalls heute unter diesem Tagesordnungspunkt diskutiert werden wird, liegt noch keine Beschlussempfehlung vor. Doch auch hier ist aufgrund mangelnder parlamentarischer Mehrheiten mit einer Ablehnung zu rechnen.

Die heutige Plenarsitzung kann man im Internet über die Webseite des Deutschen Bundestags live und im Nachhinein verfolgen.

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