BERLIN. (hpd) Gestern, am Freitagnachmittag, ging die 10. und letzte Tagung des Runden Tisch Heimerziehung zu Ende und: "... man lag sich in den Armen". Ja, wirklich und warum? frage ich mich. Weiter wird von Blumen und Sekt und einem einstimmigen Beschluss gesprochen. Die drei ehemaligen Heimkinder haben also wie bisher zugestimmt, ihre drei anwesenden ständigen Vertreter hatten keine Stimmberechtigung, so ist das Procedere.
Ein Kommentar von Evelin Frerk
Ist das ein verwunderliches Ergebnis? Nein, höre ich nach Sitzungsschluss, es wurde unglaublicher Druck auf die drei ehemaligen Heimkinder Sonja Djurovic, Eleonore Fleth, Dr. Hans-Siegfried Wiegand und deren ständige Vertreter Stefan Beuerle, Jürgen Beverförden, Rolf Breitfeld ausgeübt. Und der drang hinaus bis zu den Wartenden vor der Sicherheitstür: Erst sorgte die Vorsitzende dafür, dass von den sich Sträubenden zumindest die festen Mitglieder den Saal betraten, später Marlene Rupprecht, Mitglied des Petitionsausschusses und des Deutschen Bundestages, die bewegt und gestikulierend auf die vor der Saaltür sich beratende Gruppe der Ehemaligen Heimkinder einwirkte.
Die sechs Vertreter der ehemaligen Heimkinder hatten, untereinander in der davor liegenden Zeit nicht immer einig, zur 8. Sitzung (1. bis 2. Juli 2010) dem Gremium Lösungsvorschläge zum offenen Tagesordnungspunkt 5.3 "Entschädigung" vorgelegt.
Es gab viel hin und her aber keine Annäherung in dieser Frage. So hatten die sechs Heimkinder-Vertreter sich auf diese letzte Sitzung weiter vorbereitet. Eine doppelseitige Erklärung gekoppelt an die Aufforderung, die jeweiligen Institutionen mögen sich offen zu ihrer Vorlage positionieren. Mit dieser Entschlossenheit betraten drei von ihnen den Sitzungssaal in der Annahme, diesen in Kürze wieder zu verlassen, denn den bisher vorgelegten Abschlussbericht wollten sie in keinem Fall akzeptieren.
Aber so einfach blieb es nicht. Politik wird von Politikern gemacht. Man begann zu reden und als Zahlen genannt wurden kamen die bis dahin vor der Tür wartenden Stellvertreter dazu, um an dem Angebot weiter mit zu arbeiten.
Der Runde Tisch Heimerziehung ist nun Auslaufmodell geworden. Es folgt die Veröffentlichung des Abschlussberichtes am Montag, den 13.Dezember 2010 und später die Weiterreichung der Empfehlung über den Bundestag an die einzelnen Beteiligten wie Länder, Kommunen sowie die ehemaligen Heimträger. Das Wort "Zwangsarbeit" wird nicht enthalten sein, dafür steht "Zwang zur Arbeit".
Erlittenes Unrecht und Leid, das Kindern und Jugendlichen zwischen 1949 bis 1975 widerfahren ist anzuerkennen und zu bedauern, darin war man sich von Anbeginn im Jahr 2009 einig, nicht aber, wie eine Entschädigung erfolgen soll. Nun sollen zwei Fonds aufgelegt werden (100 Millionen + 20 Millionen Euro). Man geht von 30.000 Antragstellern aus und das bedeutet rein rechnerisch für jeden 4.000 Euro. Im Vergleich zur finanziellen Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter ein höherer Betrag, im Vergleich zu den geforderten 300 Euro monatlicher Rente bzw. 54.000 Euro einmalige Abgeltung eine Kleinigkeit. Und mit Bezug darauf, dass die meisten der am Tisch sitzenden Vertreter von Staat und Kirchen wohl ein höheres Gehalt pro Monat bekommen, beschämend. Ein ehemaliges Heimkind deprimiert dazu: "Das Geld für eine höhere Entschädigung ist ja gar nicht da, keiner weiß, wo es herkommen soll".
Nehmen wir an, der Bund, die Bundesländer und die beiden Kirchen füllen diese Fonds zu je einem Drittel mit 40 Mio. Euro auf und betrachten wir dabei, dass die Bundesländer an die Kirchen pro Jahr 442 Mio. Euro an Personalzuschüssen für Priester, Pastoren und Bischöfe bezahlen, ja, dann verstehe ich die Umarmungen, den Sekt und die Blumen.
Dirk Friedrich, Pressereferent des Vereins ehemaliger Heimkinder stimmt dem nicht zu: "Unsere Forderungen nach einer Opferrente und einer einmaligen Zahlung wurden nicht erfüllt. Aber, wir bestehen darauf."
Der Endbericht steht nicht vor dem 13.12.2010, also der Pressekonferenz des Runden Tisches zur Verfügung. Die Betroffenen sollen ihn erst am Montag zur Pressekonferenz erhalten. Sie haben damit keine Gelegenheit überhaupt zu prüfen, ob alle Änderungen aufgeführt sind, so Monika Tschapek-Günter, Vorsitzende des Vereins ehemaliger Heimkinder.
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