Aufklärung gegen Gewohnheitsdenken, Kritikimmunisierung und Manipulationstechniken

Einwände zur Fleischkonsumkritik in der Prüfung

Der hpd-Autor Armin Pfahl-Traughber greift noch einmal die Debatte um die Fleischkonsumkritik auf und macht dabei in vielen Kommentaren inhaltliche Fehlschlüsse und Manipulationstechniken aus. Er plädiert demgegenüber für Aufklärung gegen Gewohnheitsdenken und Kritikimmunisierung. Einwände sollten sich nicht auf das angeblich Gesagte, sondern auf das tatsächlich Gesagte beziehen.

Wenn beliebte Einstellungen, Gewohnheiten oder Glaubensinhalte hinterfragt werden, reagieren nicht wenige Menschen mit emotionaler Vehemenz. Dabei tragen sie häufig Aussagen vor, welche den Eindruck von Sachlichkeit vermitteln sollen, aber für Fehlwahrnehmungen, Kritikimmunisierung oder Manipulationstechniken stehen. Dies lässt sich sowohl bei privaten Auseinandersetzungen und politischen Diskussionen wie bei beruflichen Konflikten und ethischen Kontroversen feststellen.

Dabei können auch formal Hochgebildete die Grundlagen des vernünftigen Argumentierens ignorieren, sofern bei ihnen Gewohnheiten, Interessen, Kritikimmunität oder Statusdenken im Vordergrund stehen. Beliebte Argumentationsmuster sind dabei, dass dem Andersdenkenden persönliche Motive unterstellt, seine Auffassungen einseitig oder falsch wiedergegeben, ganz andere Fragen in den gemeinten Kontext gebracht, inhaltlich falsche Gleichsetzungen vorgetragen, absurde Positionen unterstellt oder die Sein-Sollen-Unterscheidungen ignoriert werden.

Für das Gemeinte stehen hier als Musterbeispiele bestimmte Reaktionen, die auf zwei Beiträge des Verfassers erfolgten. Er hatte am 25. November 2018 in Nürnberg einen Vortrag gehalten, worin die Begründungen für den Fleischkonsum einer kritischen Prüfung ausgesetzt wurden. Dieser findet sich mit "Die Ereignisse vor dem Schnitzel" als Titel auch auf Youtube. Darüber hinaus erschienen die dort vorgetragenen Auffassungen im Humanistischen Pressedienst, der das dafür zugrundeliegende Thesenpapier am 5. Dezember 2018 veröffentlichte. Daraufhin erfolgten viele Kommentare, welche die dort vorgetragenen Auffassungen kritisieren wollten. In der Folge der Kontroverse kam es noch zu einem Interview, worin der Autor am 21. Dezember 2018 seine Positionen erneut vortrug. Auch dazu wurden viele Kommentare veröffentlicht. Sie bilden für die folgende Analyse die Materialgrundlage, um exemplarisch die gemeinten Fehlschlüsse, Kritikimmunisierungen und Manipulationstechniken bei diesem Thema zu verdeutlichen.

Armin Pfahl-Traughber / Screenshot YouTube-Video
Armin Pfahl-Traughber / Screenshot YouTube-Video

Zu den bekanntesten Manipulationstechniken gehört die "Strohmann"-Taktik: Dabei wird dem Kritisierten eine bestimmte Position unterstellt, welche entweder gar nicht in seinen Aussagen vorhanden war oder sie wird mit Übertreibungen referiert. Beides soll dazu dienen, den Andersdenkenden lächerlich zu machen. Ein Leser bemerkte etwa: "Menschenrechte sind ein Kooperationsinstrument von und für Menschen … Das Konzept auf Tiere auszuweiten, die es gar nicht verstehen, verwässert es nur und stellt uns alle schlechter". Doch der Autor forderte gar keine Ausdehnung von Menschenrechten auf Tiere. Ganz im Gegenteil, der kantianisch ausgerichtete Ansatz (Tom Regan) wurde sogar ausdrücklich kritisiert und der Fleischkonsum als Folge einer vom Menschen vorgenommenen ethischen Positionierung verworfen. Ein anderer meinte: "Was ist an einer 'Vitamin-B12-Supplementierung' eigentlich noch 'natürlich'?". Doch von einer derartigen "natürlichen" Ernährung war gar nicht die Rede.

Eine weitere weit verbreitete Manipulationstechnik ignoriert die Sein-Sollen-Unterscheidung. Dabei wird aus einer beschreibenden Aussage eine normative Forderung abgeleitet. Nur weil aber etwas ist, muss es nicht so sein. Das folgende Beispiel steht für einen derartigen naturalistischen Fehlschluss: Ein Kommentator schrieb: "Wir müssen akzeptieren, dass wir Tiere sind, die in eine Welt des (evolutionär bedingten) Fressen-und-Gefressen-Werdens leben. … Die Wirklichkeit hat uns dazu verurteilt, Lebewesen zu essen …" Diese Aussage ist zunächst inhaltlich falsch: In seiner evolutionären Entwicklung hat sich der Mensch sowohl fleischlich wie pflanzlich ernährt. Demnach kann er seine Ernährungsform wählen und ist hier von der Natur zu nichts verurteilt. Bedeutsamer ist aber, dass in dieser Denkperspektive das Handeln des Menschen von der Natur abhängig gemacht wird. In seiner Geschichte gab es auch immer Kriege, Morde und Unterdrückung. Dies alles würde in dieser "Logik" dann auch durch die Natur gerechtfertigt.

Gern genutzt wird auch die Taktik der thematischen Verschiebung, wobei eine Abschottung der eigenen Auffassungen durch den anklagenden Hinweis auf angeblich problematische Bestandteile der anderen Position erfolgt. Ein Kommentar bemerkte: "Woher nehmen sich diese Leute das Recht zu entscheiden, welche Lebewesen man töten und essen darf und welche nicht. Darf man pflanzliche Lebewesen zu minderwertigen Spezies erklären, die man töten und essen darf …" Hier stellt sich zunächst die Frage, warum eine solche Aussage vorgetragen wird. Geht es um das behauptete Leiden von Pflanzen oder die Legitimation von Tiertötungen? Ersteres soll in vielen Fällen letzteres rechtfertigen. Denn es wird dabei meist nicht auch gegen pflanzliche Ernährung argumentiert. Damit erfolgt ein Abdrängen der Debatte auf andere Themen. Zur Sache selbst lässt sich sagen: Es fehlen bislang die wissenschaftlichen Belege dafür, dass von einer Leidensfähigkeit von Pflanzen ähnlich wie der von Tieren gesprochen werden kann. Die Aussage geht am Thema vorbei.

In der Auseinandersetzung um die Fleischkonsumkritik tauchte eine ansonsten sehr häufig vorkommende Manipulationstechnik nicht auf: der genetische Fehlschluss, der sich auf die Herkunft, aber nicht auf die Inhalte von Positionen bezieht. Dabei gelten die Einwände häufig einer Person, der bestimmte Absichten oder Einstellungen unterstellt werden. Gleichzeitig erscheint die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gesagten überflüssig.

Derartige Aussagen gab es jedoch bei anderen Artikeln des Verfassers: Etwa bei der kritischen Einschätzung der AfD ("Die AfD ist eine rechtsextremistische Partei" vom 20. November 2018) und einmal von Rosa Luxemburg ("Rosa Luxemburg – eine demokratische Sozialistin?" vom 15. Januar 2019). Im ersten Fall ging ein Leser davon aus, dass die Auffassung des Autors "links" sei, im zweiten Fall meinte ein andere Kommentator, dass die Kritik ein "reaktionärer Versuch" sei. Entscheidend sind aber die inhaltlichen Argumente und nicht die angeblichen Positionen: Egal ob "links" oder "reaktionär", um richtig oder falsch sollte es gehen.

Die vorstehenden Beispiele aus der Fleischkonsum-Kontroverse stehen auch für das, was im Interview mit folgendem Satz gemeint war: "Um sich damit nicht selbstkritisch auseinandersetzen zu müssen …, reagieren nicht wenige emotional über, wobei das intellektuelle Niveau hierbei nicht selten sinkt." Dabei ging es nicht nur um die provokativen Kommentare, sondern um die oben erwähnten Manipulationstechniken im öffentlichen Vernunftgebrauch. Darauf hinzuweisen, dürfte erneut persönliche Herabwürdigungen auslösen. Wer keine besseren Argumente hat, spricht von "arroganter Überheblichkeit". Auch der "Gutmensch"-Vorwurf darf da nicht fehlen. Derartige Beleidigungen sind wie die Manipulationstechniken erfreulich und ärgerlich zugleich: Sie sind ärgerlich, weil sie für schlechtes Benehmen sprechen. Sie sind erfreulich, weil sie die sachlichen Gegenargumente ersetzen sollen. Insofern sind die Beleidigungen doch wieder ein Kompliment.


Literaturhinweise:

  • Alt, Jürgen August Alt: Richtig argumentieren oder wie man in Diskussionen recht behält, München 2000.
  • Beck, Gloria: Verbotene Rhetorik. Die Kunst der skrupellosen Manipulation, München 2007.
  • Edmüller, Andreas/Wilhelm, Thomas: Argumentieren, sicher, treffend, überzeugend. 1Trainingsbuch für Beruf und Alltag, Planegg 2000.
  • Edmüller, Andreas/Wilhelm, Thomas: Manipulationstechniken. Erkennen und abwehren, Planegg 2002.
  • Schleichert, Hubert: Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren. Anleitung zum subversiven Denken, München 1997.
  • Thiele, Albert: Argumentieren unter Stress. Wie man unfaire Angriffe erfolgreich abwehrt, München 2007.
  • Thomson, Anne: Argumentieren – und wie man es gleich richtig macht, Stuttgart 2001.
  • Weimar, Wolfgang: Logisches Argumentieren, Stuttgart 2005.