ROM / METTLACH. „Am 21. März 2007 überreichten Wendelin von Boch, Vorstandsvorsitzender der Villeroy & Boch AG, und seine Frau
in einer Generalaudienz auf dem Petersplatz das neue Papstgeschirr an Benedikt XVI."
Ein Freund, dem ich davon berichtete und der gerade sein Pferd striegelte, betrachtete die Riemen und Schnallen des Pferdegeschirrs und blickte mich fragend an: „Papstgeschirr?"
Ich war irritiert und schaute zu Hause gleich im klassischen Deutschen Rechtswörterbuch nach, was für Arten von klassischem „Geschirr" es gibt - ein Papstgeschirr war nicht dabei - allerdings auch kein „Nachtgeschirr", von dem meine Großmutter noch bisweilen in Erinnerung ihrer Kindheit gesprochen hatte.
Vielleicht gibt es so etwas noch aus der Zeit, als der jetzige Papst seine bayerische Heimat besucht hatte - eine besondere Devotionale? Aber der Bavarian Store hatte nichts im Angebot, was dem entsprochen hätte. Ja, es gibt dort Papstgelee, Papstbrand, Papstbier im 4er-Karton, Papsthonig, Papst-Lesezeichen, weiße Papst T-Shirts und Große Papst-Holzikonen aber kein -geschirr.
Also zurück an die Quelle. Unter Themen findet der Interessierte „Aufmerksamkeiten und Werbemittel für jeden Anlass" - sei es für das Büro, für Wellness, Gourmet, Bar & Wine und das Superereignis jedes Jahres: für „Christmas". Und ähnlich wie bei den „Geheimnissen des Glaubens" heißt es beinahe durchgehend: „Die Preise erhalten Sie auf Anfrage" - abgestimmt auf die individuelle Mengenanfrage.
Wo liegt Mettlach? Im Saarland - katholisch. Und der Firmensitz? Seit 1809 im Barockbau der ehemaligen Benediktiner-Abtei in Mettlach an der Saar. Auch katholisch. Färbst so etwas ab?
Und das Papstgeschirr? Laut offizieller Firmendarstellung geht das so: „Fünf Päpste hat Villeroy & Boch mit Geschirr ausgestattet, beginnend bei Pius XII (1955), darauffolgend Johannes XXIII (1959), Paul VI (1964) und Papst Johannes Paul II. In einer Privataudienz dieses Papstes überreichten Wendelin von Boch und seine Frau das Geschirr im Jahr 1980. Anwesend waren damals auch deren Kinder im Alter von drei und einem Jahr, denen der bekannt kinderfreundliche Papst sich bald zuwandte. Den kleinen Franziskus, den er auf den Arm nahm, interessierte vor allem die Kopfbedeckung des Papstes, die er gleich zu greifen versuchte und schließlich auch sein Petri Fischer Ring, den es ihm in kürzester Zeit gelang, vom Finger zu ziehen, so dass er bald auf dem Boden lag und verschwand. Alle suchten auf den Knien, bis der kostbare Symbolring in einer Ecke wieder auftauchte."
Mein Gottchen, stellen Sie sich einmal vor, dieser demütig viel geküsste Ring wäre damals in einer Bodenritze verschwunden - Unsinn, die gibt es im Lateranpalast nicht -, der Papst und 1,2 Milliarden Gläubige hätten mit einem nachgemachten Duplikat leben müssen?
Und jetzt, nach siebenundzwanzig Jahren, Familie von Boch am 21. März 2007 wieder in Rom und: „Klirrende Kälte hielt den Papst nicht davon ab, ausführlich über Erinnerungen an Rottach-Egern zu erzählen, der Heimatstadt Brigitte von Bochs." Der Mann weiß schließlich, was sich gehört: „Als Lieferant der Papstgeschirre blickt Villeroy & Boch auf eine Tradition zurück, die bis zu Pius XII zurückgeht."
Doch nicht nur das, der "Lifestyle-Konzern" bemerkt in aller Bescheidenheit. „Seit über einem Jahr ist nun Benedikt XVI im höchsten Amt des Christentums. Ein Gelehrter, ehemals Professor Ratzinger, von dem niemand geglaubt hätte, welche Sympathien, ja Begeisterung er bei den Menschen, vor allem bei der Jugend weckt. Sein natürlicher Zugang zu jungen Leuten, sein Interesse und Verständnis für diese Generation, machte nicht zuletzt der Weltjugendtag der Kirche deutlich. Auch sein persönliches Geschirr kommt aus Mettlach."
Wie beschreibt der Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft e.V. einen solchen Vorgang: „Merchandising meint auch die Produktvermarktung durch Verwendung eines bekannten Imageträgers, der eine Verbindung mit den zu vermarktenden Produkten eingeht. In jedem Fall müssen umfassende oder partielle Verwertungsrechte an Marken oder deren Trägern erworben werden. Dabei können die Markeninhaber Lizenzen oder Rechte an Licensing-Agenturen abtreten, die diese an Hersteller oder Vertriebsfirmen weiterveräußern."
„Es war ein überwältigendes Erlebnis", so von Boch nach der Übergabe des Geschirrs. „Er kam auf uns zu, in seiner gelassenen, heiteren Art. Ein charismatischer Papst. Er hat sich sehr gefreut und nahm sich Zeit, über Erinnerungen an Rottach-Egern zu erzählen. Hier hat er meinen Schwiegervater kennengelernt, der ihm einen Hut schenkte, den er heute noch besitzt."
Und dass muss für Unwissende einmal festgestellt werden: „Dieses Geschirr benutzt der Papst nicht nur selbst. Es wird ebenso eingesetzt anlässlich unzähliger, meist offizieller Besuche im Vatikan. Villeroy & Boch hat diesbezüglich eine lange Erfahrung: Im Laufe seiner rund 260jährigen Geschichte erhielt das Unternehmen zahlreiche Aufträge von Herrscherhäusern für Sonderanfertigungen, vom russischen Zar Nikolaus über den Märchenkönig Ludwig II bis zum spanischen König Juan Carlos." Und nun das Herrscherhaus der Ratzingers.
„So hat Villeroy & Boch auch hier individuell für dieses hohe geistliche Amt und den hiermit verbundenen Anspruch ein Geschirr entworfen. Man setzte das edelste aller Porzellane ein, Bone China mit seinem typischen weichen Glanz und feiner Translueszenz und wählte eine klassische, schlichte Grundform." Denn das persönliche Wappen des Papstes „ist auf nahezu alle 224 Teile des Kaffee- und Speiseservice umfassenden Geschirrs angebracht und harmoniert mit einer dezenten Ornamentleiste aus Blattgold an den Rändern. Harmonisch korrespondiert der edle Dekor vor allem mit der eleganten Grundform des Geschirrs aus der Serie Royal."
Zur Erinnerung die Anreden in der katholischen Hierarchie: Hochwürden (Priester), Hochwürdigster Herr (Generalvikar), Exzellenz (Bischof), Eminenz (Kardinal), "Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten Petrus, Oberhaupt der weltumspannenden Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom und Souverän des Staates Vatikanstadt" (Papst).
„Nach der Übergabe bat von Boch den Papst um seinen Segen für die Mitarbeiter des Unternehmens." Ja sicher: Eine Hand wäscht die andere, oder für die Leute mit klassischer Bildung: „Do ut des" (Ich gebe, damit du gibst).
Grete Meißel