(hpd) Noah Sows Streitschrift wider den alltäglichen Rassismus hierzulande "Deutschland Schwarz Weiß" liegt seit dem 31. Juli als Hörbuch vor, von der Autorin selbst gelesen. Ihr Thema ist die Offenlegung alltäglicher weißer Verhaltensweisen, die Schwarze Menschen bewußt und unbewußt diskreditieren.
Dabei wird nur allzudeutlich, wie festgefahren unsere Menschenbilder noch immer sind und wie soziale Prägung unser Denken und Handeln beeinflussen – ganz ohne es böse oder tatsächlich rassistisch zu meinen. Denn, das nochmals betont, unsere Sozialisation und damit unser Handeln basieren immer noch auf einem eurozentristischen, kolonialen Menschenbild. Schwarz meint bei Noah Sow weniger die Hautfarbe, sondern die ganz eigene gemeinsame Erfahrungswelt Schwarzer Menschen in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft. Als Humanistin lehnt sie phänotypische, also rassistische Einteilungen der Menschen konsequent ab und mahnt den Respekt vor dem Individuum an. Rassismus steht daher für die Autorin auf einer Ebene mit Sexismus oder Homophobie.
Die Autorin ist selbst Schwarze Deutsche, geboren 1974 in Bayern, und sie hat ihr ganzes Leben lang erfahren müssen, daß "echte" Deutsche für die meisten von uns nur weiße Deutsche sind. Noah Sow arbeitet seit ihrem 18. Lebensjahr fürs Radio als Moderatorin, Sprecherin, Produzentin und Hörspielautorin. Den gewöhnlichen, alltäglichen Rassismus in Deutschland erlebt sie trotz ihrer Bekanntheit immer wieder am eigenen Leib. Deshalb hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Rassismus zu bekämpfen, ja, diesen überhaupt als solchen zu identifizieren. Das gelingt Noah Sow sowohl in ihrem Buch als auch mit diesem Hörbuch. Gerade dem Hörbuch gelingt es auf unterhaltsame, aber keinesfalls lächerliche Weise, uns Weiße über das Thema Rassismus aufzuklären. Dazu tragen Sprachmächtigkeit und eine deutliche Sprache ebenso bei wie Noah Sows tiefgründiger Humor. Letzterer kommt beim Hörbuch sogar noch besser zur Geltung als in der gedruckten Version.
Noah Sow führt uns diesen deutschen Rassismus, diese Diskriminierung wegen nicht weißer Hautfarbe oder anderen Äußerlicherkeiten anhand vieler Beispiele vor Augen. Allseits bekannte Sprüche wie "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?" untermalen "graue" Theorie. Wer hat denn schon mal drüber nachgedacht, welches Menschenbild hiermit vermittelt wird? Uns Weißen muß so etwas deutlich gesagt werden, da wir solche Erfahrungen am eigenen Leib nirgends in der Welt erleben müssen.
Oder wie oft berichten die Medien über tätliche Angriffe auf Schwarze und schreiben undifferenziert von "fremdenfeindlichen Akten". Doch die Betroffenen ist oft keine Fremden, keine Ausländer, sondern Mitbürger, hier geborene Deutsche.
Die Autorin benennt zunächst unerfreuliche Gewohnheiten seit der Kolonialzeit, wie Begriffe, Bezeichnungen und Benennungen. Nach wie vor seien die Alltagssprache und auch die Werbung von einer rassistischen Wort- und Bildsprache geprägt. Als Beleg führt Noah Sow konkrete Beispiele aus dem Fernsehen, den Printmedien und dem Showgeschäft an. Der von ihr gegründete Verein "brauner mob e.V." prangert regelmäßig auf seiner Webpräsenz eben diese aktuellen und alltäglichen rassistischen no-goes an.
Aber auch für deutsche Behörden konstatiert sie in ihrem Buch latenten Rassismus. So wenn Staat und Polizei das "Racial Profiling" als Fahndungstechnik praktizieren würden. Hierzulande heiße das zwar "verdachtsunabhängige Personenkontrolle": Doch die Polizei stelle nichtweiße Personen bei Kontrollen generell unter Verdacht, Straftaten zu begehen – und das nur wegen ihrer Hautfarbe oder vermeintlichen ethnischen Zugehörigkeit. Bei solchen Kontrollen blieben weiße Menschen weitgehend unbehelligt... Wenn Noah Sow konkrete und bekanntgewordene Beispiele für Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen detailliert beschreibt, dann kommen schon Zweifel am "demokratischen Rechtsstaat" auf.
Doch die Autorin bleibt nicht beim Beschreiben von Zuständen stehen; sie stellt Überlegungen an und Forderungen auf. Es gelte, neue Muster für eine wahrhaft antirassistische Gesellschaft und vor allem für persönliches Verhalten zu schaffen . Und sie formuliert 12 konkrete Forderungen wie beispielsweise einen antirassistischen Medienrat und die Entkriminalisierung antirassistischer Aufklärungsarbeit.
Es ist sowohl für den Leser als auch für den Hörer schmerzlich, zu erkennen, daß selbst aufgeklärte Menschen vor Fehlern nicht gefeit sind. Doch dieses Erkennen ist ein erster Schritt in die richtige Richtung auf einem leider noch langen Wege zur Überwindung von des so alltäglichen Rassismuses. Folgen wir Noah Sows Aufforderung und wagen wir ein jeder für sich und wir alle gemeinsam diesen Schritt zur Umsetzung der Menschenrechte auch bei diesem Thema.
Alles in allem sind Buch und Hörbuch für Leser bzw. Hörer jeden Alters höchst empfehlenswert. Das Hörbuch betont vor allem den praktischen Ansatz des Buches und eignet sich durch seine sprachliche ausdrucksstarke Gestaltung gut für den Einsatz im Schulunterricht und für die Weiterbildung von Multiplikatoren.
Lysett Wagner & Siegfried R. Krebs
Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus. Hörbuch. Hamburg 2010 (Jeanne Dark Records) 13,99 €
Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus. München 2009 (Wilhelm Goldmann Verlag). Taschenbuch. 320 S. 8,95 €