Märchenstunde bei Bertelsmann

 

KÖLN. (hpd) Ein Erfahrungsbericht zum Thema: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt". Das wollte jetzt auch mal die Bertelsmann Stiftung

ausprobieren. Als Thema wurde die „Religiosität" gewählt. Überaus passend und nicht weniger zufällig erfahren wir eine Woche vor dem „Heiligen Abend":
70 % der Bundesbürger sind religiös.
Wenn das nicht die Herzen erwärmt und die Freudentränchen in die Augen treibt. Die Gläubigen sind doch nicht allein.

Bertelsmann schickt indes nicht die drei Weisen aus dem Morgenland zur Datenerhebung sondern bereitet fünf Fragen vor, die in einem Religionsmonitor zur Messung des Grades der Religiosität geeignet erscheinen.

Statt der drei Weisen ein Fragebogen

So geschieht denn auch das Wunder, dass bereits die erste Frage („Wie oft denken Sie über religöse Themen nach?") jeden interessierten Atheisten der sich mittels Lektüre der Kriminalgeschichte des Christentums in religiösen Fragen fortbildet, zum Hochreligiösen mutieren lässt. Ganze 5 Punkte bringt die ehrliche Antwort ein. Respekt ihr Bertelsmännchen, dass habt ihr aber geschickt eingefädelt.

Bei Frage zwei („Wie stark glauben Sie daran, dass es Gott oder etwas Göttliches gibt?") kann man dann auch als Atheist mit gutem Gewissen für sein „gar nicht" nur einen Punkt für „nicht religiös" einstreichen.

Bei Frage drei (Wie häufig nehmen Sie an Gottesdiensten .... oder religiösen Handlungen teil?") kommt man als Gottloser ins Überlegen. Die Beerdigungsfeier für die verstorbene alten Tante in der Kirche – war das nun ein Gottesdienst? Mmh, zumindest eine religiöse Feier. Und wenn ich am 24.12. abends wieder den Opa mit seinem Rollstuhl in die Kirche fahre und dann dort bei ihm bleibe – dann ist das eindeutig die Teilnahme an einem Gottesdienst. Also Antwort: „selten / wenig", das bringt 2 Punkte.

Bei Frage vier („Wie häufig beten Sie? Wie häufig meditieren Sie?") meldet sich bei dem einen oder anderen Religionslosen das schlechte Gewissen: „Wie ist das denn mit autogenem Training? Gilt das auch als Meditation?" Der Jahreszeit und Fußkälte angemessen beantwortet man also diese Frage mit „gelegentlich" und kassiert 3 Punkte.

Die letzte Frage („Wie oft erleben Sie Situationen, in denen Sie das Gefühl haben, dass Gott oder etwas Göttliches in Ihr Leben eingreift? Wie oft erleben Sie Situationen, in denen Sie das Gefühl haben, mit Allem Eins zu sein?") lässt die Geschicklichkeit der Test-Ersteller dann richtig erstrahlen.
Nein, natürlich hat man nicht das Gefühl, dass ein göttliches Wesen irgendwie eingreift, aber selbstverständlich ist das Gefühl mit „Allem Eins zu sein" ein ständiger Begleiter: (Auf dem Klo, in der Badewanne, im Orgasmus, im Vollrausch etc. etc.) Also „ziemlich / oft" angegeben und noch schnell 4 Punkte addiert und fertig ist der Test.

Hurra, Hurra! Als Atheist 15 Punkte, und...

Und siehe da Hurra, Hurra, der Gottlose erhält 15 Punkte und ist richtig „religiös", ein echter Schenkelklopfer. Und: „Religiös" wäre man auch ohne kalte Füße (mit 12 Punkten) gewesen.

Also, bei allem was Recht ist, aber diese Erhebung unterbietet sogar das Niveau von Persönlichkeitstests der Marke „Wie treu sind Sie?" in Frau im Spiegel. Doch Hauptsache ist ja, dass bei Bertelsmann die richtige Vorfreude aufs Fest einkehrt. Da will man nicht so nickelig sein.

Petra Daheim.