Landgericht Essen glaubt Missbrauchsopfer:

Bistum zu Schadensersatz verpflichtet

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Mit Urteil vom 25. April 2025 hat das Landgericht Essen entschieden, dass das Bistum Essen dem Kläger Wilfried Fesselmann für den durch den damaligen Kaplan Peter H. erlittenen sexuellen Missbrauch alle entstandenen materiellen Schäden ersetzen muss.

In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es unter anderem: "Nach der Begründung der Kammer habe der Kläger gegen das beklagte Bistum Essen im Rahmen der sog. Amtshaftung einen Anspruch auf Ersatz aller bereits entstandener und zukünftiger materieller Schäden, die kausal auf die festgestellte Missbrauchstat zurückzuführen seien. Da der Kaplan im Rahmen kirchlicher Aufgaben tätig geworden sei, müsse das Bistum für sein Handeln einstehen. Dies gelte auch dafür, dass der Kaplan den Kläger durch das Ausnutzen seiner Position bei dem Bistum zu sich nach Hause gelockt und dort sexuell missbraucht habe.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe für die Kammer fest, dass der Missbrauch – so wie vom Kläger geschildert – stattgefunden habe. Soweit die Angaben des als Zeugen vernommenen Kaplans von den Schilderungen des Klägers abgewichen seien, habe die Kammer die Aussage des Kaplans als nicht glaubhaft bewertet und sei ihr nicht gefolgt."

Dem Urteil kommt Signalwirkung zu, auch wenn dort letztlich eine prozessuale Selbstverständlichkeit umgesetzt wurde: Es ist ureigene Aufgabe des Gerichts, sich eine Überzeugung zu bilden und diese kann sich auch – wie hier – auf die glaubhaften Angaben des Klägers stützen.

Ein Wermutstropfen für den Kläger ist indes, dass das Gericht es abgelehnt hat, ein weitergehendes Schmerzensgeld zuzusprechen als die 45.000 Euro, die er bereits vom Bistum erhalten hatte. Die Richter*innen begründeten ihre Entscheidung unter anderem mit "vergleichbaren Referenzentscheidungen anderer Gerichte". Dabei übersehen sie jedoch, dass im Bereich des sexuellen Missbrauchs die Schmerzensgeldentscheidungen in den meisten Fällen gemessen an der tiefen Rechtsverletzung und den massiven Beeinträchtigungen in der Vergangenheit unangemessen niedrig ausfielen. Kritik hierzu äußert immer wieder (z.B. hier und hier) der ehemalige Vorsitzende eines Zivilrechtssenats beim Oberlandesgericht Köln, Lothar Jaeger. Er ist zugleich Verfasser eines juristischen Standardwerks zu Schmerzensgeld. Gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger brachte er letztes Jahr die besondere Situation von Missbrauchsopfern auf den Punkt und kritisierte die zu niedrigen Schmerzensgeldhöhen bei Fällen wie diesen: "Sexueller Missbrauch kann ein ganzes Leben zerstören. ... Die Richter haben einfach nicht verstanden, was man unter einem psychischen Schaden versteht."

Vor zwei Jahren hatte das Landgericht Köln einem Opfer klerikalen Missbrauchs 300.000 Euro zugesprochen – für über 300 Fälle schweren sexuellen Missbrauchs. Verglichen zu Schmerzensgeldsummen, die etwa bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten zugesprochen werden, ist das offensichtlich nicht nachvollziehbar. So bekam bereits im Jahr 2000 Caroline von Monaco 200.000 Mark vom Oberlandesgericht Hamburg zugesprochen, weil durch veröffentliche Fotos ihre Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien.

Gleichwohl dürfte der Kläger mit der Entscheidung nicht gänzlich unzufrieden sein, denn er bekommt immerhin alle materiellen Schäden, etwa Verdienstausfall, Kosten für Therapien usw., ersetzt. Das Gericht hat das Bistum nämlich dazu verpflichtet, auch materiellen Schaden aus der Vergangenheit zu ersetzen, soweit er kausal auf die Tat zurückzuführen ist.

"Diese materiellen Schäden sind in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung oft weit größer als das Schmerzensgeld", so Rechtsanwalt Christian Roßmüller, der zahlreiche Opfer klerikalen Missbrauchs vertritt. "Sie belaufen sich häufig auf deutlich über 100.000 Euro – bis hin zu Millionenbeträgen". Hierfür seien insbesondere ein oft lebenslanger Verdienstausfall und Rentenschaden mitverantwortlich, sowie nicht abgedeckte, aber notwendige hohe Heilbehandlungs- und Pflegekosten.

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