Ökologie einer humanistischen Wirtschaft

Müll ist dumm

Ein Produkt, das die Umwelt zerstört und nur Müll wird, ist ein schlechtes Produkt. Ohnehin sieht es Braungart als unsinnig an, dass Produkte in Verpackungen geliefert werden, deren Lebenszeit die der Produkte oftmals um Jahrzehnte überdauert. Schampooflaschen, Plastikbeutel aus Verbundstoffen, mit giftigen Chemikalien behandeltes Holz stellen allesamt Produkte dar, die nicht wieder verwertbar sind, die höchstens downgecycelt werden können und am Ende ein Müllproblem darstellen. In „Müll“ stecken aber sehr viele wertvolle Rohstoffe, die man nicht verbrennen kann oder sollte: Firmen, die wahrhaft recycelbare Produkte herstellen, werden zu Rohstoffbanken.

Langhaltende Produkte dagegen sind langhaltend, weil sie viele giftige Substanzen enthalten. Der Prozess der Verbrennung von „Müll“ lässt sich nicht einmal zur Energiegewinnung nutzen, da Öl zur Befeuerung zugeführt werden muss und die zu verbrennenden Stoffe meist so giftig zusammengesetzt sind, dass etliche Filter eingesetzt werden müssen, um der Umwelt nicht (noch mehr) zu schaden.

Biomimetisch verfahren ist klug

Wie der Biokreislauf sollte auch der Rohstoffkreislauf gestaltet sein. Der Abfall eines Kirschbaums schädigt nicht die Umwelt, sondern nützt ihr. Ein gutes Produkt ist eines, das wir uns vom Produzenten quasi leasen, etwa um damit fernsehen zu können. Wenn es alt ist, geben wir es dem Produzenten zurück, der es in seine Bestandteile zerlegt, um daraus neue Fernseher zu machen. Wir kaufen also lediglich die Nutzung, etwa 10.000 Stunden Fernsehen. Das Gerät geht dann zurück und wir holen uns einen neuen Fernseher oder Toaster oder Tisch.

Der Technokreislauf ist von vorneherein so konzipiert, dass die verwendeten Rohstoffe wieder aus den Produkten gewonnen werden können. Es entsteht eine Art technischer Kompost.

Das funktioniert, wenn das Risiko bei dem Verursacher bleibt. Heute ist der Gewinn individualisiert, das Risiko vergesellschaftet. So kann es nicht bleiben. Eine Firma, die ihren Müll selbst entsorgen muss, wird dafür sorgen, dass kein Müll entsteht. Eine Firma, die die Kosten für die Rohstoffgewinnung komplett zu tragen hat, kümmert sich darum, dass sie die Rohstoffe aus den bereits verarbeiteten Materialien zurückgewinnen kann. Produktzyklen werden von Anfang an vollkommen anders geplant. Niemand und nichts kommt dabei zu Schaden, alle profitieren von der Entstehung bis zur Wiederentstehung.

Dass sein Konzept aufgeht, haben Michael Braungart und sein Kollege William McDonough bereits in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Unternehmen bewiesen. Der Professor für Chemie hat u.a. schon kompostierbare T-Shirts, vollwertig recycelbare Stühle, essbare Bezugsstoffe und biologisch abbaubares Toilettenpapier entworfen.

Die beiden (und andere) waren bereits in Jordanien, Mexiko, Indiana, Belgien, Dänemark oder Holland unterwegs und haben mit den dortigen Einwohnern und Arbeitern nach Lösungen gesucht, die örtliche Gegebenheiten nutzen und diesen auch nützen. Häuser, Abwasser, Energiegewinnung wurden lokal konzipiert und fügen sich bestens in die Umgebung ein. Warum riesige Windradanlagen in die Landschaft stellen, wenn es kleine Windmühlen besser tun? Mit billigen Solarzellen das Dach decken. Dächer begrünen. Abwasser mit Mikroben und Sporen reinigen. Häuser aus vorgefundenen Materialien bauen und damit die Generationen zusammenbringen, wenn die Jungen von den Alten lernen, wie das geht.

Kommunikation und Kultur

Es ist nicht nur eine Materialfrage, sondern eine Frage der Kommunikation, der Kultur. Unternehmen sparen Geld, wenn sie nicht mehr strenge Auflagen erfüllen müssen, da ihre Produkte der Umwelt nicht schaden, sondern ihr nützen. Unternehmen freuen sich darüber, dass sie ihre Produkte zurück erhalten, da sie die darin enthaltenen Rohstoffe wieder entnehmen und für neue Produkte nutzen können. Konsumenten freuen sich, da sie ohne schlechtes Gewissen konsumieren können und ihre Umgebung hell, luftig und grün ist.

Kulturelle Veränderungen, die für ein Umdenken nötig sind, können schnell vorangehen. Die Akzeptanz von PC und Mobiltelefonen ging beispielsweise weltweit innerhalb weniger Jahre vonstatten. Wenn diese erst einmal so designt sind, dass sie auch noch der Umwelt nützen, statt in riesigen Müllhalden in Afrika das dortige Ökosystem zu belasten, können wir kaufen, was der Geldbeutel zulässt, ohne uns anschließend Fernsehdokumentationen über die Resultate unseres Kaufverhaltens anschauen zu müssen, die uns ein schlechtes Gewissen machen (sollen).

Eine humanistisch produzierende Ökonomie wäre gleichzusetzen mit einer humanistischen Ökologie – eine humanistische Ökologonomie. Fortan könnte jeder Mensch und jedes Unternehmen strahlend verkünden, ohne als „Ök“ abqualifiziert zu werden: Ich bin ein Humanök. Ich bin „gut“, nicht „weniger schlecht“. Gebrauchen und verbrauchen ist gut für dich und mich!


Fiona Lorenz

 

Zum Weiterlesen: Michael Braungart/William McDonough: Einfach intelligent produzieren. Bvt Berliner Taschenbuch Verlag; Auflage: 1 (2008) 240 S.

Website von Prof. Dr. Michael Braungart

Video auf youtube vom Cradle to Cradle Festival Berlin

 

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