BERLIN. (hpd) Der Erfolg einer Weltanschauung wird manchmal auch daran gemessen, welches ökonomische Potential sie hat und ob sie Menschen ‚ernährt‘. Ein britisch-irischer Schuhmacher in Berlin zeigt nun, dass der Atheismus auch in dieser Hinsicht ein großes Potential hat.
Ein Freund aus London schickte einen Link auf ein Video über einen „gottlosen Schumacher“, der in Berlin lebt und arbeitet. Anlass, ihn zu treffen und mit ihm zu sprechen.
Er lebt in Kreuzberg, und so verabreden wir uns dort in einer Kaffeebar, in der Nähe des Landwehrkanals, und es ist nicht so leicht, ihn sofort zu erkennen. Etwa Anfang/Mitte dreißig, schlank, leger gekleidet, einen Bart im Gesicht und kurze Haar auf dem Kopf - so sehen hier einige der Männer aus, doch dann ist schnell klar, so lächelt nur einer: David Bonney.
Geborener Brite, in Irland aufgewachsen, hat er erst Evolutionäre Psychologie in London studiert und dann in der Werbebranche gearbeitet. Doch London erschien ihm immer enger, überwachter, kontrollierter, beinahe wie ein Gefängnis, und so war es für ihn ein Leichtes, mit seiner damaligen deutschen Freundin nach Berlin zu wechseln. Vor drei, vier Jahren war Berlin so etwas wie ein „gelobtes Land“. David lächelt bei solchen Begriffen, und schaut in Gedanken anscheinend etwas zurück. Mit der Freundin ist er nicht mehr zusammen, aber er ist geblieben, es ist die Lebensqualität dieser Stadt, die er schätzt.
Nach verschiedenen Arbeiten als Freelancer in der Werbebranche und als Musiker, saß er eines Tages mit einem Freund zusammen, der ihm Bilder zeigte und irgendwie kamen sie beim Blödeln drauf, dass sie vielleicht „Jesus shoes“ machen sollten, „Walking on the water! Water resistent!“, doch dann bleiben sie bei ihrem Leisten.
Er hatte schon immer eine Liebe zu feinen Schuhen gehabt und dieser Wunsch hatte ihn jetzt gepackt. Er hatte Mentoren, die ihn bestärkten, traf die Schuhmacherin Jule, die ihm als Meisterin alles beibrachte und David lächelt: „I designed shoes in my taste.“ Trotz drei Jahren Berlin ist sein Deutsch in der internationalen Gemeinschaft immer noch recht holprig, und er redet lieber Englisch.
Er ist begeistert über die Weichheit der Oberfläche des Leders, streicht selber sanft darüber und lässt uns voller Intensität über die Oberfläche streichen, man könnte die Augen dabei schließen. Aber es sollten ja ‚atheistische Schuhe‘ werden, die nicht nur sinnlich sind, sondern auch eine Symbolik haben. Der schwarze große Punkt symbolisiert für ihn das schwarze Loch der Astronomie, die immense Kraft, die nichts bedeutet. Das kleine rote Dreieck seitlich an der Sohle steht für das A des „Atheist“. Der Clou ist dann natürlich die Sohle, auf der zu lesen ist: „Ich bin Atheist“. Geht man damit zum Beispiel über Sand, hinterlässt man diese Spuren, aber eigentlich ist es unaufdringlich gedacht: man sitzt im Kaffee, schlägt die Beine locker übereinander, so dass die Schuhsohlen zu sehen sind, kann Hallo sagen…
David ist stets für einen fröhlichen Schalk gut: Sie haben auch schon daran gedacht, Kinderschuhe anzufertigen. Auf der rechten Sohle soll dann stehen: „I believe in Mummy!“, auf der linken: „I believe in Daddy!“
Die Schuhe ließen sich in der gewünschten Form anfertigen, Muster waren fertig und als Nächstes ging es darum, auf dem Portal Reddit, einem Kommunikationsportal zum ‚Weitersagen‘, zu testen, ob die Idee von der atheistischen Community angenommen wurde.
Diese Platzierung im Januar auf reddit, die mit der Kategorie „atheism“ auf nzbsopts.org auch eines der größten Internetportale (mit derzeit rund 590.00 Freunden) für Atheisten, Agnostiker und säkulares Leben hat, plus die Fotos der Schuhe, in den Stadien der Herstellung…, alles fand so schnell Zustimmung und Begeisterung, dass innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden bereits über eintausend Paar Schule bestellt wurden.
Das zeigte David und seinen Freunden, dass die Idee ein ökonomisches Potential hat. Gleichzeitig wurde klar, dass sie mit der kleinen Werkstatt von Maura niemals die Nachfrage bedienen konnten. Einen Schuh herzustellen brauchte vier Wochen, drei Wochen alleine, um das Leder geschmeidig zu machen und allmählich als Schuh zu formen.
Ihr Weg führte sie nach Portugal, wo es noch die Manufakturen gibt, in denen zwar noch per Hand Schuhe gefertigt werden, aber auch Maschinen vorhanden sind, die in der Lederbearbeitung eine kürzere Zeit brauchen und deshalb eine größere Stückzahl herstellen können. Hinfahren, mit den Leuten reden, sich Kennenlernen, verhandeln, alles ging gut.
Nun brauchte es noch das Startkapital und es folgte der nächste Schritt, die Herstellung eines Videos und es mit der Projektbeschreibung auf dem Existenzgründerportal Kickstarter zu platzieren. 30.000 US-Dollar sind ihrer Ansicht erforderlich, um die Produktion und den Start zu finanzieren. Aktueller Stand vom Dienstagmittag: 38.054 US Dollar.
David ist fröhlich, und auf die Frage, wie es weiter gehen wird, lächelt er sein ansteckendes Lächeln, es wird sich zeigen. Ein kleines Schuhgeschäft? Eine größere Werkstatt, sei es in Berlin oder in Portugal? Warum nicht? Er hat diese großartige Mischung aus Begeisterung und Skepsis, mit der er pragmatisch einen Schritt nach dem anderen geht, was ihn vorwärts bringt und umsichtig bleiben lässt. Nun, mit der Manufaktur, sollen die Schuhe 120 Euro das Paar kosten. Wenn es jemandem zuzutrauen ist, dass sie das Projekt nachhaltig realisieren, dann David und seinen Freunden.
Gibt es Schwierigkeiten, absehbare Probleme? Insgesamt nicht, nur eines. Unter Atheisten gibt es auch zahlreiche Veganer, die vermutlich nicht glücklich sind, dass die Schuhe aus Leder angefertigt werden. Aber vielleicht können sie akzeptieren, dass sie sich der notwendigen Sorgfalt und der Verantwortung bewusst sind.
C.F.