Hat da der Teufel die Hände im Spiel?

Esoterik vor Gericht

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Blicke in die Glaskugel, Kartenlegen oder Schamanismus – solche Phänomene landen auch immer wieder vor Gericht. Wer auf entsprechende Heilsversprechen setzt und sich dann übers Ohr gehauen fühlt, darf nicht unbedingt darauf hoffen, dass die Justiz ihm oder ihr aus der Patsche hilft. Doch nicht nur in zivilrechtlichen Fällen, auch im Strafrecht können Richter mit höchst kreativen Formen der Tatbegehung konfrontiert sein.

Krimi-Liebhaber kennen diverse Methoden, wie ein Mensch einen anderen umbringen kann. Und Gerichte haben ihre Paragrafen, mit denen sie die Tat einordnen und aburteilen. Interessant wird es, wenn die Methode der Tatbegehung aus dem Rahmen fällt. Wie in einem im Jahr 1900 vom damaligen Reichsgericht zu beurteilenden Fall:

Eine Frau wollte ihren Gatten aus dem Weg räumen und setzte sich zu diesem Zweck mit zwei, wie es in dem Urteil heißt, "Frauenspersonen" in Verbindung. Denn sie hatte gehört, dass diese Damen besondere Fähigkeiten hätten: einen Kontakt zum Teufel herzustellen, auf dass dieser den Ehemann zu sich hole. Und andererseits seien sie auch Expertinnen in der Anwendung von Zauber, Riten, Beschwörungsformeln und geheimen Kräften. Das Ganze war nicht erfolgreich, die Richter mussten also nur überprüfen, ob die Bestrebungen der Ehefrau und der von ihr angesprochenen Gehilfinnen als Mordversuch strafbar waren.

Das Reichsgericht zeigte schon damals eine Einstellung, die man heute als "evidenzbasiert" bezeichnen würde. Was die Böses im Schilde führende Ehefrau getan habe, möge zwar durchaus moralisch zu verurteilen sein. Aber, so das Gericht: "So wenig der noch im Inneren des Menschen verschlossene böse Wille Gegenstand des Strafrechts ist, ebensowenig können solche Handlungen als strafbare Äußerung desselben gelten, die völlig sowohl außerhalb der physischen als auch der psychischen Kausalität liegen." Keine Bestrafung wegen Mordversuchs also. Freispruch für die Ehefrau.

Übersinnliche Kräfte hätten die Verteidiger eines angeklagten Mannes gern auch 78 Jahre später vor dem Bundesgerichtshof in Anspruch genommen: Der Mann war wegen Totschlags an seiner Frau verurteilt worden. In einem Indizienprozess. Denn die Leiche der Frau wurde nie gefunden. Der Mann ging in Revision, und die Verteidiger mutmaßten vor dem Bundesgerichtshof, die Frau sei gar nicht tot. Das lasse sich auch klären. Nämlich mit Hilfe einer Hellseherin. Diese könne leicht feststellen, ob das angebliche Opfer noch lebe und wo. Und wenn es doch gestorben sei, könne die Hellseherin die Leiche finden – und dann lasse sich per Obduktion herausfinden, dass nicht der Ehemann sie getötet habe. Auf solche Spielchen ließ sich der Bundesgerichtshof jedoch nicht ein. Parapsychologische Sachverständige seien "völlig ungeeignete Beweismittel". Im Strafverfahren gelte vielmehr, dass Glaube, Aberglaube oder Wahnvorstellungen nicht vom Gericht als Quelle realer Wirkungen anerkannt werden könnten.

Zivilrecht: Kartenlegen, Energiefelder und Schamanismus

Magische Kräfte spielen nicht nur in strafrechtlichen Urteilen eine Rolle, sondern auch im Zivilrecht – also bei der Frage, ob eine Person gegen eine andere einen finanziellen Anspruch hat. Ein solcher Fall beschäftigte den Bundesgerichtshof im Jahr 2011.

Eine Frau war in eine Lebenskrise geraten. Eine Dame, die sogenanntes "life coaching" anbot, versprach Hilfe. In Form von Kartenlegen. Allein durch diverse Sitzungen innerhalb eines Jahres kassierte sie dafür von ihrer Klientin 35.000 Euro. Als sie für weiteres Kartenlegen im Folgejahr weitere 9.000 Euro in Rechnung stellte, kamen der Kundin denn doch Bedenken. Sie verweigerte die Zahlung, die Kartenlegerin zog vor Gericht. Hat sie einen solchen Anspruch?

Der Bundesgerichtshof stellte zunächst einmal klar, dass die von der Kartenlegerin versprochene Leistung unmöglich im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches sei. Hintergrund: bei einer unmöglichen Leistung entfällt grundsätzlich auch der Anspruch auf die Gegenleistung. Die Richter urteilten: "Eine Leistung ist objektiv unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann. So liegt es beim Versprechen des Einsatzes übernatürlicher, magischer oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten."

Allerdings, so die Richter, folge aus der objektiven Unmöglichkeit der versprochenen Leistung nicht zwingend, dass der Vergütungsanspruch entfällt. Es gelte nun mal die Vertragsfreiheit. Und das heiße auch: Wer möchte, kann sich verpflichten, gegen Entgelt Leistungen zu erbringen, "deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen". Wenn die Kundin mitspielt und sich solche Leistungen erkauft, obwohl sie erkennen muss, dass die Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist, müsse auch ein solcher Vertrag möglich sein. Freilich müssten die Gerichte – der Bundesgerichtshof verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine niedrigere Gerichtsinstanz zurück – in einer solchen Situation genau prüfen, ob hier nicht der eine Vertragspartner den anderen in einer Notlage ausnutze. Entsprechende Verträge könnten also, trotz der grundsätzlich geltenden Vertragsfreiheit, im Einzelfall sittenwidrig sein. Dann entfiele ein Anspruch auf das Honorar.

Das Amtsgericht Bad Segeberg hat eine solche Sittenwidrigkeit in einem 2015 entschiedenen Fall bejaht.

Es ging um eine energetische Beratung und Behandlung, mit deren Hilfe "körpereigne Energiefelder harmonisiert beziehungsweise wiederhergestellt werden sollten". Der Spaß sollte 3.700 Euro Kosten. Diesen Betrag klagte die esoterische Dienstleisterin ein. Das Amtsgericht Bad Segeberg hielt sich an die Vorgaben des Bundesgerichtshofs, dass die Vertragsfreiheit durchaus Spielraum lasse für die abstrusesten Vereinbarungen – wenn beide Seiten sich darauf einigen. Wenn aber die Leichtgläubigkeit einer Partei ausgenutzt und diese überrumpelt werde, so wie in dem vom Gericht entschiedenen Fall, liege eine Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit vor. Doch Vorsicht: Die Anforderungen dafür sind hoch. Auch das Amtsgericht Bad Segeberg betont, dass grundsätzlich jeder für sich und seine Geschäftsabschlüsse selbst verantwortlich ist: "Die Vertragsparteien und nicht die Allgemeinheit oder die Gerichte haben über die Sinnhaftigkeit des Vertrages zu entscheiden."

So urteilte auch das Landgericht Traunstein im Jahr 2019, dass es einer Frau nicht helfen könne, die sich per Vertrag auf ein schamanisches Ritual eingelassen hatte und ein bereits gezahltes Honorar von 12.500 Euro erstattet haben wollte.

Die Frau hatte sich von der Schamanin geprellt gefühlt. Diese habe ihr vorgespiegelt, sie habe eine schwere schädliche "Besetzung" in sich, die sie leiden ließe und die auch auf die nachfolgende Generation übergehen könne. Das Phänomen der "Besetzung" lässt sich dabei offenbar so verstehen, dass sich Geister im Körper befinden. Die Schamanin habe versprochen, die Besetzung aufzulösen, für Schmerzfreiheit zu sorgen und ihr finanziellen Erfolg zu sichern. Der finanzielle Erfolg war nach dem Urteil des Landgerichts jedoch der Schamanin sicher. Sie durfte das Geld behalten. Dass das Honorar so hoch war, sollte sich auch dadurch erklären, dass Schamanen als "Vermittler zwischen Menschen und der Geisterwelt" eine harte und aufwändige Arbeit hätten. Es war von einer "ziemlichen Drecksarbeit" die Rede. Das soll die Schamanin gegenüber der sich betrogen fühlenden Frau behauptet haben.

Das Gericht hörte mehrere Zeugen in dem Prozess an, machte sich ein Bild von den entsprechenden Ritualen. Und musste am Ende darüber urteilen, ob ein entsprechender Vertrag sittenwidrig und daher nichtig sei. Ist er nicht, so das Urteil. Und fast schon verständnisvoll formulierten die Richter: "Zwar mag es für den Durchschnittsbürger zunächst anrüchig erscheinen, dass ein Ritual unter anderem zum Inhalt hat, dass Hühnchen aufgespießt werden, Gegenstände verbrannt und Essen in Flüsse geworfen werden. Hierbei muss jedoch die Geschichte entsprechender Rituale mit bewertet werden. Die Rituale haben ihren Ursprung nicht in der westlichen Welt; dies ist den Teilnehmern auch bewusst. Auch wenn die Maßstäbe für die Bewertung der Sittenwidrigkeit grundsätzlich dem Inland zu entnehmen sind, ist die Abwägung vor diesem Hintergrund vorzunehmen. Das Ritual soll letztlich auf geistiger Ebene Prozesse auslösen und bedient sich hierbei den Mitteln alter Kulturen, welche im asiatischen Raum verwurzelt sind."

Starker Tobak, was da von einem deutschen Gericht "anerkannt" wurde. Wobei "anerkannt", das sei gesagt, gewiss zu weit geht. Den Richtern kann nicht unterstellt werden, dass sie den Schamanismus anerkennen. Wohl aber die Vertragsfreiheit, die es nach deutschem Recht den Vertragspartnern überlässt, was sie vereinbaren und für was sie Geld auszugeben bereit sind. Das Landgericht Traunstein sagt es so: "Beiden Parteien war ersichtlich, dass die dem Ritual zugeschriebenen Ergebnisse auf mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht überprüfbare oder objektivierbare Leistungen gerichtet sind, sondern letztlich im Glauben oder in übernatürlichen, naturwissenschaftlich nicht überprüfbaren Fähigkeiten begründet sind." Das Honorar sei vereinbart worden, und die entsprechenden Gegenleistungen – ein Ritual und Gespräche, die helfen sollten.

Aber zu einem Preis von Tausenden Euro? Dazu sagen die Richter nur spröde: "Die Auffassungen darüber, welche Leistungen einer Gegenleistung würdig sind und in welcher Höhe, unterliegen im Lauf der Menschheitsgeschichte vielen Veränderungen und sind nur in Abhängigkeit vom historischen und kulturellen Kontext zu beantworten."

Als Fazit daher die Warnung: Wer sich mit Scharlatanen, Schamanen, Kartenlesern, Glaskugelguckern, Knochenlegern und anderen dubiosen Lebenshelfern einlässt, darf nicht darauf zählen, dass ihm die Justiz später aus der Patsche hilft.„“

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