Der aus Saudi-Arabien stammende Arzt und Psychiater Taleb A., der am Freitagabend einen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt verübte, hat den Zentralrat der Ex-Muslime und die Säkulare Flüchtlingshilfe über mehrere Jahre hinweg terrorisiert. Allem Anschein nach teilte er Überzeugungen aus dem ultrarechten Spektrum der AfD und glaubte an eine großangelegte Verschwörung, die darauf abzielt, Deutschland zu islamisieren. Seine wahnhaften Vorstellungen gingen so weit, dass er annahm, selbst islamismuskritische Organisationen seien Teil der islamistischen Verschwörung.
"Die Nachricht vom Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat uns sehr bestürzt!", erklärte Mina Ahadi, die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, am Samstagmorgen. "Der Attentäter Taleb A. ist für uns ja kein Unbekannter, denn er hat uns seit Jahren terrorisiert. Anfangs vermuteten wir, er könnte ein Maulwurf der islamistischen Bewegung sein. Inzwischen denke ich jedoch, dass er ein Psychopath ist, der ultrarechten Verschwörungsideologien anhängt. Nach langjähriger Erfahrung kann ich sagen: Der Attentäter von Magdeburg hasst nicht nur Muslime, sondern alle, die seinen Hass nicht teilen!"
Taleb A. kritisierte die "linke" humanistische Ausrichtung des Zentralrats der Ex-Muslime und der eng befreundeten Säkularen Flüchtlingshilfe, die sich gezielt für religionsfreie Migrant*innen aus islamisch geprägten Ländern einsetzt. "Längst nicht alle Menschen, die aus islamischen Ländern fliehen, sind Muslime. Wir sind als Organisation zwar explizit religionskritisch, aber wir kämpfen nicht gegen liberale Muslime, sondern für sie, da sie besonders oft zu Opfern des Islamismus werden. Dies hat Taleb A. sehr aufgeregt!", sagt Mina Ahadi. "Als er merkte, dass er mit seinem Hass auf alles Muslimische bei uns nicht ankam, ist er dazu übergegangen, einzelne Aktive der Säkularen Flüchtlingshilfe öffentlich zu diffamieren."
Mutmaßliches Tat-Motiv: Hass nicht nur auf Muslime, sondern auch auf deutsche Behörden
Gegen die Verleumdungen durch Taleb A. waren Aktive der Säkularen Flüchtlingshilfe vorgegangen. Im August 2023 wurde vor Gericht erstritten, dass Taleb A. die Verleumdungen unterlassen muss, wogegen der saudische Arzt Berufung einlegte. In der Berufungsverhandlung Ende Oktober 2024 zeichnete sich ab, dass Taleb A. das Verfahren nicht gewinnen kann, was ihn zu einer Wutrede vor Gericht animierte. Dabei führte er aus, dass er Europa vor der Islamisierung retten werde, wozu die deutschen Gerichte nicht in der Lage seien.
Taleb A. hatte bereits mehrfach zuvor angedeutet, dass er die Deutschen dafür zahlen lassen wolle, dass sie die Gefahr des Islamismus ignorierten. Mitte 2024 hatte sich sein rechter Verschwörungsglaube bereits so stark verfestigt, dass sich sein Hass nicht mehr nur gegen "die Linken" richtete, sondern auch gegen deutsche Behörden. So schrieb er im Juni auf der Plattform X, dass seiner Erfahrung nach, "die deutsche Polizei der echte Treiber des Islamismus in Deutschland" sei: "Wir brauchen die AfD, um die Polizei vor sich zu schützen!" Nach seinen Posts auf Social Media reichte eine Aktivistin der Säkularen Flüchtlingshilfe bereits im vergangenen Jahr Strafanzeige gegen Taleb A. ein und warnte die Polizei vor einem Anschlag, den dieser vorbereiten würde. Das LKA Sachsen-Anhalt kam in seiner Bewertung jedoch zu dem Schluss, dass von Taleb A. keine konkrete Bedrohung ausgehe – zu Unrecht, wie der verhängnisvolle Anschlag in Magdeburg gezeigt hat.
"Der Terrorakt von Taleb A. führt uns vor Augen, dass nicht nur Islamisten Weihnachtsmärkte mit Fahrzeugen angreifen, sondern auch rechte Verschwörungsfanatiker", erklärte Michael Schmidt-Salomon, der als Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung die Gründung des Zentralrats der Ex-Muslime und der Säkularen Flüchtlingshilfe begleitet hat. "Seit vielen Jahren weisen wir schon darauf hin, wie sehr sich islamischer Fundamentalismus und rechte Muslimfeindlichkeit gegenseitig aufschaukeln. Dies hat ein Klima des Hasses geschaffen, unter dem vor allem säkulare und liberale Muslime zu leiden haben, da sie nicht nur von Islamisten, sondern auch von rechten 'Islamkritikern' bedroht werden. Ich denke, es ist höchste Zeit, die falschen identitären Wahrnehmungsmuster zu überwinden, die diesem Hass zugrunde liegen: Es gibt eben nicht 'die Muslime', 'die Flüchtlinge' oder 'die Islamkritiker'! Zumindest dies sollten wir aus dem Magdeburger Anschlag lernen: Wer hätte im politischen Berlin damit gerechnet, dass ein aus Saudi-Arabien stammender Arzt und AfD-Sympathisant einen Anschlag auf einen deutschen Weihnachtsmarkt verüben könnte, um dem Islamismus entgegenzuwirken? Die Welt ist deutlich komplexer und verrückter, als dies gemeinhin wahrgenommen wird."
Erstveröffentlichung auf der Website der Giordano-Bruno-Stiftung.
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