Anmerkungen zur Potsdamer Garnisonkirche

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Carl Hasenpflug, Die Garnisonkirche zu Potsdam, 1827 (wikimedia commons)

POTSDAM. (hpd) Am kommenden Samstag wird in Potsdam eine Werbeausstellung für „Die Garnisonkirche. Fragmente und Perspektiven“ eröffnet. Mit Geldern des Wissenschafts- und Kultusministerium unterstützt, soll für den Wiederaufbau der Garnisonkirche geworben werden. Dagegen sind aber einige Einwände zu erheben.

Ausgehend von der Darstellung, dass „preußisch-deutsches Denken und das christliche Denken“ nicht zu trennen seien, soll zur „Wiedergewinnung der historischen Mitte Potsdams“ die ehemalige Hof- und Garnisonkirche wieder aufgebaut werden. Im April 1945 ausgebrannt, wurden Königsgruft und Kirchenschiff im Mai 1968 gesprengt. Ein Förderverein und eine Stiftung haben sich gebildet, die den Wiederaufbau propagieren: 2005 wurde ein Grundstein gelegt und 2017 soll der Turm wieder stehen und geweiht werden.

Die aktuell beginnende Ausstellung ist nur Teil einer Öffentlichkeitsarbeit, an deren Spitze der ehemalige Landesbischof Prof. Dr. Wolfgang Huber steht. Der angestrebte Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche wird mit ihrer Bedeutung als Kunst- und Kulturdenkmal, als Hauptwerk des preußischen Barocks, als bedeutender protestantischer Kirchenbau und als bestimmende Dominante des historischen Stadtbildes begründet. So sagte der Alt-Bischof Huber Mitte Dezember 2011 in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“: „Ich finde die Garnisonkirche in Potsdam absolut faszinierend. […] Sie symbolisiert die guten preußischen Tugenden […] viel stärker als den Militarismus […] Da war dann dieser fürchterliche 21. März 1933 […] Und gleichzeitig war es die Kirche des Infanterieregiments Nr. 9, aus dem später […] militärische Widerstandskämpfer gegen Hitler hervorgingen […]“
 

Ein Beitrag und Kommentar des Potsdamer Freidenkers Frank W. Baier

Wir sollten uns die Bedeutung und die Geschichte dieser Kirche genauer ansehen. Es ist zwar richtig, dass Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) in seiner Regierungszeit keine Kriege geführt hat. Aber für ihn war der brutale militärische Drill typisch. Am Ende seiner Herrschaft hatte Preußen die viertgrößte Armee Europas. Dem entspricht auch die Charakterisierung im „Spiegel“ (1991): „Inbegriff nicht nur Potsdams sondern des ganzen Militärstaates Preußen war Philipp Gerlachs berocke Garnisonkirche von 1732/35. Ihr grenadierhaft aufragender Turm bestimmte die Silhouette der Stadt - und machte gleichsam deutlich, wo oben und wo unten war.“

Dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. folgte Friedrich II., der auch Friedrich „der Große“ genannt wird. Für ihn gilt die Einschätzung, dass „seine entscheidende und einschneidende historische Tat im Jahre 1740 – also noch im Jahr seiner Thronbesteigung – der militärische Einfall in Schlesien war. Mittels dreier Kriege – dem 1. Schlesischen Krieg (1742), dem 2. Schlesischen Krieg (1744/45) und dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) konnte er dieses Gebiet nach vielen Opfern und Verlusten schließlich an Preußen binden. Er setzte voll auf die Tradition seines Vaters, der aus Preußen eine die Zeitgenossen in Schrecken versetzende Militärmaschinerie gemacht hatte.“(Spiegel 1991) Die Schlesischen Kriege des Königreiches Preußen mit Hunderttausenden von Toten werden von Martin Möller als ein Verbrechen […] und als Prototyp des modernen Vernichtungskrieges bezeichnet.

Friedrich II. schrieb an den Generalfeldmarschall Carl Dubislav von Natzmer, dass Preußen ein (noch) ungefestigter Staat sei, der Annexionen lebensnotwendig brauche und „Ich schreite voran von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stolz neue Welten zu erobern vor“. Das galt auch für spätere preußische Herrscher wie Wilhelm I. (Preußischer König von 1861-1871 und Deutscher Kaiser von 1871-1888). Die „Erfolge“ seiner Kriege – des Preußisch-Dänischen Kriegs (1864) mit 4.500 Toten sowie des Kriegs gegen Österreich (1866) mit 7278 Toten – wurden besonders in der Potsdamer Garnisonkirche gefeiert. So schrieb der Hofprediger Rogge: „Zu einer Reihe von […] Fest- und Dankgottesdiensten gaben die glänzenden Siege der Armee in dem Feldzug von 1866 Veranlassung […] in welchem es um die Zukunft Preußens und seine Stellung in Deutschland ging […].“ Und 1914 erinnerte Rogge an den Krieg von 1866 so: „Es war, als ob diese 50-jährige Erinnerung der großen Zeit in den Tagen der Väter unserem Volk von Gott besonders geschenkt worden wäre, um dasselbe zu den Kämpfen zu stärken, die unmittelbar darauf in einer Reihe von Kriegen den Söhnen und Enkeln bevorstanden.“ Zu diesen „unmittelbar bevorstehenden“ Kämpfen gehörte aber auch schon der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, der über 180.000 Soldaten das Leben kostete. Danach predigte Rogge in der Garnisonkirche: „Es sind die Edelsten unseres Volkes, die hier, in fremder Erde, ihr Grab gefunden haben […] Die Leichensteine, die dereinst diese Stätte schmücken werden, sie werden dem vorübergehenden Wanderer die Namen der ehrwürdigsten Geschlechter unseres Vaterlandes nennen.“

1871 wurde Wilhelm I. in Versailles zum deutschen Kaiser gekrönt. Sein Denken und Handeln war von dem folgenden Ausspruch bei einer Rede an „seine“ Soldaten geprägt: „[…] Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, dass ich euch befehle, eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen, […] aber auch dann müsst Ihr meine Befehle ohne Murren befolgen.“

Im Jahre 1888 wurde Wilhelm II. deutscher Kaiser. Bei der Verabschiedung von deutschen Truppen, die zur Bekämpfung des Boxeraufstandes nach China geschickt wurden, hielt er am 27. Juli 1900 seine berüchtigte Hunnenrede, in der er sagte: „Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschlands in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ Er befürwortet den „bevorstehenden Rassenkampf der Germanen gegen die übermütigen Slawen“, die „nicht zum Herrschen, sondern zum Dienen geboren“ seien. Und nach seinem „kaiserlichen“ Ende 1918 schrieb er im Jahre 1927: „Die Presse, die Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muss […] Das Beste wäre wohl Gas.“

Alle seine Ziele wurden dann im „3. Reich“ umgesetzt. Es führt eine gerade Linie von „Friedrich dem Großen“ (Zitat: „ Ich schreite von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stolz neue Welten zu erobern vor.“) bis zu den Weltherrschaftsplänen der Faschisten. Am 9.8.1914 rief der Kaiser während eines Feldgottesdienstes im Potsdamer Lustgarten seine Soldaten zum neuen Blutvergießen auf: „Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten, um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens.“

Und die evangelische Kirche stimmte leider in diese Kriegstiraden mit ein. Bereits am 4. August 1914 predigte Ernst von Dryander – Oberhofprediger und Vizepräsident des preußischen Oberkirchenrates: „Im Aufblick zu dem Staat, der uns erzogen, zum Vaterland, in dem die Wurzeln unserer Kraft liegen, wissen wir, wir ziehen in den Kampf für unsere Kultur gegen die Unkultur, für die deutsche Gesittung, gegen die Barbarei, für die freie deutsche an Gott gebundene Persönlichkeit wider die Instinkte der ungeordneten Masse, und Gott wird mit unseren gerechten Waffen sein.“ Der 1. Weltkrieg kostete 17 Millionen Menschen das Leben. Der Kaiser resümierte vor seinen Truppen: „Es hat das Jahr 1917 mit seinen großen Schlachten gezeigt, dass das deutsche Volk einen unbedingt sicheren Verbündeten in dem Herrn der Heerscharen dort oben hat. Auf den kann es sich bombenfest verlassen, ohne ihn wäre es nicht gegangen.“ Der Präsident des deutschen evangelischen Kirchentages in Dresden Reinhardt Möller klagte im Jahre 1919: „Die Herrlichkeit des deutschen Kaiserreiches, der Traum unserer Väter, der Stolz jeden Deutschen ist dahin. Mit ihr der hohe Träger der deutschen Macht, der Herrscher und das Herrscherhaus, das wir als Bannerträger deutscher Größe so innig liebten und verehrten […] Wir können nicht anders, als hier feierlich es bezeugen, welcher reiche Segen von den bisherigen engen Zusammenhängen von Kirche und Staat auf beide […] und durch beide auf Volk und Vaterland ausgegangen ist.“

Im Jahre 1932 schrieb der Garnisonprediger Dr. Vogel in seinen „persönlichen“ Erinnerungen: „Und dann stand ich wieder auf der Kanzel, am Totensonntag 1918. Draußen Chaos und Soldatenrat. Nun, ich habe mir als Prediger nichts verraten lassen, sondern die Wahrheit deutlichst verkündigt und die Fürbitte für den Kaiser und König, unseren Herrn, beibehalten […] Ihr seht das Unglück, darinnen wir sind, dass Jerusalem wüste liegt, und ihre Tore sind mit Feuer verbrannt. Kommt, lasst uns die Mauern Jerusalems bauen, dass wir nicht mehr seine Schmach sehen.“

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  Bundesarchiv, Bild 183-S38324
Wir wissen heute, mit wem er die Mauern Jerusalems wieder aufbauen wollte, mit dem neuen „Reichskanzler“ Adolf Hitler, der am Tag von Potsdam, am 21.3.1933 von Hindenburg symbolträchtig in dieses Amt befördert wurde und dazu sagte: „Es gibt kein höheres Symbol, als dass […] jetzt die nationale Regierung nach Potsdam geht, um an der Bahre des großen unsterblichen Königs in der Garnisonkirche das neue Werk des deutschen Wiederaufbaus zu beginnen.“ Diese Veranstaltung in der Garnisonkirche wird heute von den Befürwortern ihres Wiederaufbaus als „Betriebsunfall“ und als ein singuläres Ereignis dargestellt. Klar ist aber, dass es dabei nicht blieb.

Die evangelische Kirche in Deutschland und dieser Kirchenbau wurden fest in das Aktionsprogramm der Faschisten integriert. Einige Beispiele: Am 6.6. 1932 wurde die Vereinigung der „Deutschen Christen“ gegründet. Einer ihrer Führer war Ludwig Müller, der am 23.9.1934 im Berliner Dom offiziell in das Amt des Reichsbischofs eingeführt wurde. In den Richtlinien der „Deutschen Christen“ heißt es: „Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnungen. […] Daher ist der Rassenvermischung entgegenzutreten. […] In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper. […] Insbesondere ist die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden zu verbieten.“ Ludwig Müller und der „Reichsjugendführer“ Baldur von Schirach schlossen schon am 20. November 1933 ein „Abkommen über die Eingliederung der evangelischen Jugend in die Hitler-Jugend“. In dem Abkommen heißt es, dass „das evangelische Jugendwerk die einheitliche staatspolitische Erziehung der deutschen Jugend durch den nationalsozialistischen Staat und die Hitler-Jugend als Träger der Staatsidee“ anerkennt. Im Januar 1934 organisierten beide eine Großkundgebung der Hitler-Jugend in der „Königlichen Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam“. Und am 24. Januar 1934 „zelebrierte“ Baldur von Schirach in der Garnisonkirche eine Fahnenweihe für 342 Banner der Hitler-Jugend mit der so genannten „Blutfahne der deutschen Jugend“, der Herbert Norkus-Fahne. An diesem Tag fand dort auch eine „feierliche“ Fahnenweihe der neuen Banner der Hitler-Jugend aus der „Ostmark“ und dem „Sudetengau“ statt. Aus diesem Anlass erklärte Baldur von Schirach: „Es gibt in ganz Deutschland kaum einen Raum, in dem die Jugend sich mehr zu Hause fühlen kann als in dieser Kirche.“

Während der Zeit des Faschismus fanden in der Potsdamer Garnisonkirche regelmäßig „militärische Feiern mit religiöser Weihe“, Ansprachen, Predigten und Feldgottesdienste statt, bei denen sehr intensive Kriegspropaganda betrieben wurde. Das betraf unzählige Vereidigungen, Geburts- und Todestagsfeiern, Lazarett-Gottesdienste, feierliche Flaggenhissungen, Schul- und Schulanfangs-Gottesdienste mit militärischem Drill, Reformationsfeiern, allgemeine Gottesdienste für Soldaten, Feld-Gottesdienste, Treffen von Kolonial-Kriegervereinen, Seesoldaten- und Marinevereinen, Zusammenkünfte der Gustav-Adolf-Stiftung, des Königin-Luise-Bundes, des Großvereins der Generalfeldzeugmeister sowie unzähliger anderer Bünde und Vereine, Langemarck-Feiern, Gedenktage an große Schlachten und Siege.

Als Beispiel sei aus einer Predigt beim Feldgottesdienst am 7. November 1935 zitiert, bei der man zu frieren beginnt: „Soldaten, deutsche Männer! Das ist heute ein großer und leuchtender Tag in Eurem Leben und im Leben unseres Volkes. Zum ersten Mal soll ein ganzer Jahrgang deutscher wehrhafter und waffenfähiger Jugend auf den obersten Befehlshaber der Wehrmacht, den Führer und Kanzler vereidigt werden. Das ganze deutsche Volk nimmt daran freudigen und stolzen Anteil. So leidenschaftlich kann Wehrfreiheit und Wehrhaftigkeit nur ein Volk ergreifen, dem Soldatenblut tief im Herzen steckt und dem man seine ruhmreiche, scharf geschliffene Waffe zerbrochen hat. […] Wer ist ein Mann? Der sterben kann für Freiheit, Pflicht und Recht. […] In Sturm und Wetter, in Angst und Grauen, in Not und Tod soll es heißen: Ich will mich lieber bei lebendigem Leib in Stücke hauen lassen, als dass ich ein Feigling, ein Verräter und ein ehrloser Mann werde. Der ist ein Mann, der sterben kann, wie Eure Väter 1914, da Ihr geboren wurdet, in den großen Schlachten des Weltkrieges kämpften, siegten, bluteten und starben. […] Darum steht das >Gott mit uns< auf Eurem Koppel. Wer als Christ glauben und beten kann, der wird auch seinen Fahneneid halten, wird freudig sein zu jener harten und schweren Pflicht, auch freudig zum Bluten und Sterben.“

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Koppelschloss der deutschen Wehrmacht
Der dann vom Faschismus initiierte Zweite Weltkrieg zerstörte halb Europa und kostete 55 Millionen Menschen (Soldaten und Zivilisten) das Leben. Trotzdem versucht man heute wieder Rechtfertigungen für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu konstruieren. So heißt es im „Ruf aus Potsdam“: „Viele der Männer des Widerstandes (gegen Hitler) – insbesondere des 20. Juli 1944 – waren Gemeindeglieder der Garnisonkirche.“ Hiermit wird wohl die Geschichte endgültig pervertiert. Wie und wann fand eigentlich der viel gepriesene „Widerstand“ des deutschen Militärs (gegen Hitler) seinen Ausdruck? Und war es eigentlich wirklich ein Widerstand gegen System des Faschismus oder (nur) der Versuch eines Tyrannenmordes? Wir müssen uns den Zeitpunkt genau ansehen, zu dem es „endlich“ zum viel gepriesenen Attentat kam: Der 20. Juli 1944. Bereits 1943 fügte die Rote Armee den deutschen Truppen die schwere Niederlage bei Stalingrad zu. Am 6. Juni 1944 eröffneten die westlichen Alliierten die 2. Front und vom 23.-27. Juni 1944 erreichte die sowjetische Armee den Bug. Jedem Realisten war klar, dass die militärische Niederlage Deutschlands unausweichlich war, wenn man es nicht schaffte, eine ungewöhnliche Wende herbeizuführen. Und das war auch das Ziel der „Widerstandskämpfer“ des 20. Juli. So sagte denn auch der in drei Armeen – der Reichswehr, der Wehrmacht und der Bundeswehr – gediente Johann Adolf Graf von Kielmannsegg später: „Im Vordergrund der Befürchtung stand für uns nicht Hitler, sondern der Bolschewismus. Deutschland sollte den Kommunisten nicht zum Opfer fallen […] Es war die Idee Stauffenbergs, den Westen aufzumachen und die Ostfront um jeden Preis zu halten.“

Das 1921 aufgestellte Infanterie-Regiment No. 9 war von 1933 bis 1935 für die militärische Ausbildung von Hitlers Leibstandarte zuständig und nahm unter dem Truppenkennzeichen „Fridericus Rex“ sehr aktiv an den Überfällen auf Polen, auf Frankreich und auf die Sowjetunion teil. Es galt als das exklusivste Regiment der Wehrmacht. Der Hörfunkjournalist Konstantin Sakkas sagte am 24.07.2011 im Deutschlandfunk: „Dem viel gepriesenen Opfergang des deutschen Adels […] ging eine lange und tiefe Kollaboration mit dem NS-Regime voraus.“ Noch klarer formulierte es der Arzt und Schriftsteller Friedrich Reck-Malleczewen. Er schrieb in seinem „Tagebuch eines Verzweifelten“: „Ein wenig spät, ihr Herren, die ihr diesen Erzzerstörer Deutschlands gemacht habt, die ihr ihm nachliefet, solange alles gut zu gehen schien, die ihr […] unbedenklich jeden von euch gerade verlangten Treueid schworet, die ihr euch zu armseligen Mamelucken des mit hunderttausend Morden, mit dem Jammer und dem Fluch der Welt belasteten Verbrechers erniedrigt habt […].“

 

Henning v. Tresckow begrüßte 1933 die Machtübernahme der Faschisten. Von 1942-1943 hatte er die Leitung der Partisanenbekämpfung im Bereich der Heeresgruppe Mitte der Ostfront inne. Die Neue Züricher Zeitung (14.9.2000) schreibt, dass der „spiritus rector der zum Tyrannenmord entschlossenen Militärs nicht vor völkerrechtswidrigen Befehlen zurückgeschreckt sei, die die Ermordung unschuldiger Zivilisten und insbesondere vieler Juden zur Folge hatte.“

Claus Schenck Graf von Stauffenberg begrüßte am 30.1.1933 die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler ausdrücklich und war an der militärischen Ausbildung der SA beteiligt. Den Beginn des 2. Weltkrieges empfand der Berufssoldat Stauffenberg als „erlösend“. Während seines Einsatzes im Polenfeldzug (1939) schrieb er an seine Frau: „Die Bevölkerung ist ein unheimlicher Pöbel […]. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun. In Deutschland sind sie sicher gut zu gebrauchen […].“ Stauffenberg unterstützte grundsätzlich die Rassenpolitik der Faschisten. Später nahm er als Generalstabsoffizier an der Westoffensive gegen Frankreich teil. Er schwärmte: „Welche Veränderungen in welcher Zeit“ und „Der Vater dieses Mannes (Hitler) ist kein Kleinbürger; der Vater dieses Mannes ist der Krieg.“ Er erlebte den Frankreich-Feldzug wie im Rausch. Im Juli 1944 wurde er Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres und erklärte noch zu dieser Zeit: “[…] Wir bekennen uns im Geist zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, die durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge im germanischen Wesen das abendländische Menschentum schufen […]“ Die aussichtslose militärische Lage führte ihn dann offensichtlich zu der bekannten Kehrtwende, „den Westen aufzumachen und die Ostfront um jeden Preis zu halten.“

Axel Frhr. von dem Bussche-Streithorst, Major, trat 1937 in das Infanterie Regiment No 9 ein. 1939 wurde er Leutnant, 1941 Oberleutnant, 1943 Hauptmann und 1944 schließlich Major. Er war von 1942 bis 1944 aktiv an der Ostfront in Verbindung mit der SS-Polizei-Panzer-Grenadier-Division und mit den SS-Polizei-Regimentern 1 und 2 im Einsatz. Während seiner Dienstzeit erhielt er viele militärische Auszeichnungen. Nach seiner Verwundung wurde er im SS-Lazarett Hohenlychen behandelt. Dieser Ort war auch ein Treffpunkt hochrangiger NSDAP-Führer wie Hitler, Himmler, Göring und Speer. Verbindungen zur SS sind also unverkennbar. Das sollte bei der zweifelhaften Charakterisierung als „Widerstandskämpfer“ berücksichtigt werden.

Walter Graf v. Brockdorff-Ahlefeldt, General der Infanterie, wurde 1937 Generalmajor, 1939 Generalleutnant und 1940 General der Infanterie. Er nahm aktiv am Polenfeldzug, am Westfeldzug sowie am Feldzug gegen die Sowjetunion teil, wobei besonders sein „persönlicher Einsatz“ bei der Einnahme der Festung Kowno (Kaunas) in Litauen im Jahre 1941 hervorgehoben wurde. Er erhielt folgende Auszeichnungen: 1938 die „Medaille zur Erinnerung an den 1.10.1938“, 1939 das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Eiserne Kreuz I. Klasse, 1941 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes und die Medaille Winterschlacht im Osten, 1942 das von Hitler gestiftete Demjansk Schild und das Eichenlaub zum Eisernen Kreuz. Er erkrankte im November 1942 schwer an Rheuma und wurde im Januar 1943 „zu Wiederherstellung der Gesundheit“ in die Führer-Reserve versetzt. Am 9. Mai 1943 verstarb er im Reserve-Lazarett 123 in Berlin-Zehlendorf. Am 19. Mai 1943 fand ein Staatsakt für ihn im Berliner Zeughaus statt.

Die hier betrachteten fünf Personen Johann Adolf Graf von Kielmannsegg, Henning v. Tresckow, Claus Schenck Graf von Stauffenberg, Axel Frhr. von dem Bussche-Streithorst und Walter Graf v. Brockdorff-Ahlefeldt waren keine wirklichen Widerstandskämpfer gegen den Faschismus, sie waren höchstens potentielle Königsmörder, die bestenfalls glaubten, dass man alle mit dem Faschismus verbundenen Grausamkeiten und Verbrechen auf die Person Adolf Hitler zurückführen konnte und dass mit seiner Beseitigung alle Probleme zu lösen seien. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie dieses System Faschismus im Innersten befürworteten, dass sie sich wirklich als „deutsche Herrenmenschen“ fühlten, für die die anderen Völker zu arbeiten hätten. Als sie dann sahen, wie das – auch von ihnen unterstützte – System ins Wanken geriet und schließlich zusammenzustürzen drohte, suchten sie einen Ausweg, eine Lösung für sich, die heute leider als Widerstandskampf bezeichnet wird.

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Bundesarchiv Bild 183-J31422
Wirklicher Widerstand gegen den Faschismus hat anders ausgesehen. Viele deutsche Menschen – zehntausende – haben den breiten Widerstand gegen dieses schlimmste uns bekannte System realisiert, als die Herren Offiziere noch ihrer militärischen Karriere frönten und dadurch Millionen andere ins Unglück zu stürzen halfen. Sie haben ihren nicht unwesentlichen Anteil zum 2. Weltkrieg beigetragen. Sie haben mit ihrer Überheblichkeit und ihren Waffen die Zerstörung in die Welt getragen – wie schon mehrfach in der Vergangenheit. Diesmal allerdings kam die Zerstörung nach Deutschland zurück, in fast das gesamte Land. Wir kennen die Nachkriegsbilder aus Dresden, Berlin und auch Potsdam. Beim Luftangriff auf Potsdam in der Nacht vom 14. zum 15. April 1945 zerstörte ein britischer Luftangriff im Rahmen der Area bombing directive-Strategie große Teile der Potsdamer Innenstadt. Nach nur sehr kurzer Vorwarnzeit begann um 22:16 Uhr ein Bombardement, bei dem 1700 Tonnen Bomben abgeworfen wurden und 1593 Potsdamer zu Tode gekommen sind. Bei dem Angriff wurden fast 1000 Gebäude in der Innenstadt völlig zerstört, wodurch rund 60.000 Menschen obdachlos wurden.

Anfang 1745, zweihundert Jahre vor Hitlers Ende, schrieb Friedrich II. aus seinem schlesischen Hauptquartier an Podewils nach Berlin: "Entweder werde ich meine Macht behaupten, oder ich will, dass alles zugrunde geht und bis auf den preußischen Namen mit mir begraben werde." Hitler nahm als einzigen Schmuck für den Führerbunker ein Portrait Friedrich des Großen mit und sagte später: „Wenn das deutsche Volk nicht bereit ist, für seine Selbsterhaltung sich einzusetzen, gut: Dann soll es verschwinden.“

Das darf niemals geschehen. Wir wollen uns nicht nur „selbst erhalten“, d.h. mit „preußischer Macht“ im herrschenden Sinne erhalten; wir wollen mit allen anderen Völkern gleichberechtigt auf dieser Erde leben. Darum müssen wir verhindern, dass uns die in diesem okkultistischen Todeshaus gepflegten Ideen ein drittes Mal in eine unübersehbare Katastrophe führen.

 

Eine weitaus ausführlichere Darstellung (27 Seiten) mit 75 Quellenangaben findet sich in dem Info 11/2011 der Brandenburger Freidenker (ab Seite 7).