Religionsfreie Zone Köln

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Fotos: Björn Daheim und Rainer Ponitka

KÖLN. (hpd) Erst sah es aus, als könne am Karfreitag 2013 keine Religionsfreie Zone (RFZ) des IBKA NRW stattfinden: Das Kölner Filmhauskinos hatte Insolvenz angemeldet. 14 Tage vor dem Termin stellte sich jedoch heraus: Das Kino spielte wieder und so gab es termingerecht Proteste, Kinofilme und Ent-taufungen.

Die neuen Wirte des Kölner Filmhauses nahmen den IBKA gerne wieder auf, um die Forderung nach der Säkularisierung des Feiertagsgesetzes durch das öffentlichkeitswirksame Event zu bekräftigen.

Suche nach Location gestaltete sich schwierig

Schon im Vorfeld der ersten RFZ des IBKA in Köln gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Kino als schwierig: Manche Eigner fanden die Idee höchst Unterstützens wert, waren aber in Sorge, dass sie künftig an ‚Stillen Feiertagen‘ von Aufführungsverboten bedroht würden. Erst als das Kölner Filmhaus den IBKA im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der ‚Gesellschafter‘ – einer Initiative der Aktion Mensch – den IBKA nach einem Podiumsdiskussionspartner zum Film ‚Jesus Camp‘ anfragte, war ein verlässlicher Kontakt geknüpft und nach etwa eineinhalbjähriger Suche ein Veranstaltungsort gefunden.

Nach den überwundenen Anfangsschwierigkeiten fand also am vergangenen Karfreitag erneut ein politischer Filmabend in Köln statt.

Die Landessprecherin des IBKA in NRW, Petra Daheim, begrüßte das zahlreiche Publikum im Namen der Veranstalter: „Herzlich willkommen an diesem Stillen Feiertag im Filmhaus Köln, um gemeinsam unserem Protest gegen das Feiertagsgesetz NRW Ausdruck zu verleihen. Denn nicht nur kritisches Denken - auch Trauer, Besinnung oder Freude kann und darf nicht im großen Schulterschluss von Staat und Kirche gemaßregelt werden. Schon gar nicht dürfen Bürgerinnen und Bürger mit Geldbußen bedroht werden, wenn Sie der weit interpretierbaren Gesetzesintention vermeintlich zuwiderhandeln.

Die absurden Auswirkungen dieses Gesetzes haben wir in den vergangenen Jahren ausgiebig bestaunen dürfen. In Düsseldorf wurde die Aufführung der „Madame Butterfly“ verboten, in Köln lief zeitgleich der „Parsifal“, der Zoobesuch scheint den Gesetzeshütern vertretbar, während einem Ehrenfelder Kindertheater die Aufführung des Stückes „Aladin und die Wunderlampe“ verboten wurde.

Wir meinen, es ist höchste Zeit dieses Gesetz, welches den Bürgerinnen und Bürgern mit Hilfe staatlicher Bußgeldandrohung Respekt vor den christlichen Feiertagen einimpfen soll, schleunigst zu überarbeiten. Im Übrigen … Respekt muss man sich verdienen und die Zeiten des Untertans sind vorbei.“

Säkularisierung des Feiertagsgesetzes

Als zweiter Redner trat Rainer Ponitka auf. Er vertiefte in seiner Ansprache das politische Anliegen und zog ein Resümee der vergangenen fünf Veranstaltungen. „Nach wie vor geht es um die Forderung nach Säkularisierung der Feiertagsgesetze: In allen Bundesländern ist der heutige Karfreitag ein von staatlichen Gesetzen besonders geschützter Tag. Hier in Nordrhein-Westfalen darf es keine privaten Feiern außerhalb der eigenen Wohnung geben – egal, ob es eine Geburtstagsfeier ist oder der Jahrestag der Karnickelzüchter. Auch Sportveranstaltungen stehen auf der Verbotsliste.

Seit Gründonnerstag 18:00 Uhr gilt Tanzverbot in NRW, seit Freitagmorgen in allen Bundesländern. Aus dem Grunde gibt es seit dem Jahr 2011 das Bündnis Hasenfest, welches gestern und heute bundesweit Aktionen durchführt. Das Motto des Bündnisses ist: Ich lass dich beten – lass du mich tanzen. Schon daraus geht hervor, dass es uns nicht um die Abschaffung der Feiertage oder gar eine Einschränkung der Religionsausübung geht – die Religionsfreiheit ist neben der Freiheit der Kunst und der Meinungsfreiheit eine der wichtigsten Errungenschaften der demokratischen und säkularen Gesellschaft. Und sie ist gegen die Kirchen erkämpft worden!

Es geht uns um die individuelle Selbstbestimmung: Eine Jede und ein Jeder muss einen Feiertag so begehen dürfen, wie sie oder er am ehesten Entspannung findet  -  ohne dabei andere einzuschränken selbstverständlich und ohne dass der Staat seine Bürger durch eine religiös motivierte Gesetzgebung bevormundet.

Im vergangenen Jahr wurde in Bayern sogar ein Schachturnier verboten … Da das Schachspiel eine durchaus vernunftgeleitete Aktivität ist, ist ein Verbot aus religiöser Motivation ebenso schlüssig wie auch albern.

Die letzten fünf  Jahre

Angefangen haben wir hier in Köln 2008 mit dem dokumentarischen Film „Wer den Wind sät“ mit Spencer Tracy – es ging um den Monkey Trial, den Affenprozess. Der Lehrer John Thomas Scopes hatte im Jahr 1925 in Tennessee Theorien gelehrt, die der Bibel in Bezug auf die Entstehung der Menschheit widersprachen. Auch hier in Deutschland ein aktuelles Thema, wo sich immer mehr evangelikale Schulverweigerer breitmachen. Der zweite Film 2008 war die britische Komödie „Sterben für Anfänger“; ein hervorragendes Mittel gegen staatlich verordnete Trauer.

2009 – im Jahr der Buskampagne – luden wir ein zu „Kinsey, let’s talk about Sex“ und „Chocolat - ein kleiner Biss genügt“. Der erste Film macht deutlich, wie sehr den Religionen auch heute noch daran gelegen ist, die Sexualität der Menschen zu regulieren. Das merkt man nicht nur an der Diskussion um die Beschneidung von Knabenpenissen.

Im Jahr 2010 zeigten wir unter dem Motto „Germany’s next Top-Monster“ den Horror Klassiker „Night oft the Living Dead“ – um vorzuführen, was passieren kann, wenn Tote tatsächlich aus den Gräbern kämen - und die Religionssatire "Religulous". Ebenso schrieben wir in den Ankündigungen einen Kostümwettbewerb aus: Wer lediglich mit Lendenschurz, Dornenkrone und Lattengerüst bekleidet ins Filmhaus gekommen wäre, hätte freien Eintritt erhalten.

2011 war das Jahr, in dem der jetzt abhanden gekommene Papst im Bundestag sprach – wir gingen in der Religionsfreien Zone durch den dokumentarischen Film „Requiem“ darauf ein, dass heute noch Exorzisten ausgebildet werden und diese auch in Deutschland tätig sind. Der Film beschreibt den wahren Fall der Anneliese Michel, die 1976 bei einem wochenlang ausgeführten Exorzismus ums Leben kam.

Vergangenes Jahr zeigten wir unter anderem „Das Leben des Brian“.

Zu sagen ist, dass wir bisher in keinem Jahr von Verboten bedroht waren – nicht von der Stadt, der Bezirksregierung oder der freiwilligen Zensurbehörde FSK. 2007 wurde in München die „Religionsfreie Zone“ verboten, nachdem dort ein „Freigeistertanz“ angekündigt wurde. Der „Bund für Geistesfreiheit“ in München klagte gegen das Verbot – noch in 2013 soll dieses vom Bundesverfassungsgericht verhandelt werden.

In diesem Jahr ist die Initiative „Religionsfrei im Revier“ von einem Aufführungsverbot bedroht: Sie werden auch einen Filmabend starten und führen „Das Leben des Brian“ auf. Sollte die Veranstaltung in Bochum mit Zwangsgeld belegt werden oder gar aufgelöst werden, so existiert in NRW eine Möglichkeit, als Betroffene gegen das Feiertagsgesetz zu klagen.“

Ponitka wünschte „Gute Unterhaltung, obwohl - oder gerade weil - sie verboten ist!“ und schloss mit einem Zitat von Friedrich Nietzsche: „Einen Glauben annehmen, bloß weil er Sitte ist – das heißt doch: unredlich sein, feige sein, faul sein! Und so wären Unredlichkeit, Feigheit und Faulheit die Voraussetzungen der Sittlichkeit?“

Ent-taufung

Vor den Filmen wurde wieder die seit 2008 gerne angenommene Möglichkeit zur Ent-taufung angeboten. Dazu Petra Daheim: „Zum Missfallen vieler Ausgetretener wird von Kirchenseite allerdings gemunkelt, die Taufe sei  mit einem Kirchenaustritt nicht zu revidieren. Bei der evangelischen Kirche klingt das so: ‚Die Taufe begründet sowohl die bleibende Ansprechbarkeit der Ausgetretenen auf den Glauben hin als auch sein bleibendes Kindesrecht im Zugang zu Gott. Eine Annullierung der Taufe ist deshalb nicht möglich.‘

Die katholische Kirche ist sich in Sachen Kirchenaustritt nicht ganz einig. Einerseits heißt es: ‚Der Kirchenaustritt nimmt die Heilige Taufe in keiner Weise zurück. Denn in der Heiligen Taufe wird der Seele des Getauften ein unauslöschliches Merkmal aufgeprägt oder eingeprägt, dass nicht gelöscht werden kann.‘

Andererseits meinte die Deutsche Bischofskonferenz 2006: ‚Durch die Erklärung des Austritts aus der katholischen Kirche vor der staatlichen Behörde wird mit öffentlicher Wirkung die Trennung von der Kirche vollzogen. Der Kirchenaustritt ist der öffentlich erklärte und amtlich bekundete Abfall von der Kirche und erfüllt den Tatbestand des Schismas.‘

Wir haben uns gedacht: Wir beenden das Verwirrspiel und machen ganz einfach alles weg. Mit einer Ent-taufung.

Und es funktioniert! Hier ein paar Statements zufrieden Ent-taufter:

Sabine 31 Jahre: ‚Danke, dass ihr mich ent-tauft habt. Ich habe meine Ent-taufungsurkunde dem Pfarrer geschickt und von jetzt auf gleich hörten die lästigen Fürbitten vor meiner Haustüre auf.‘
Volker 45 Jahre: ‚Es ist unvorstellbar, seit meiner Ent-taufung gelingt mir nahezu alles, sogar rückwärts einparken.‘  Wahre Erfolgsgeschichten also …“
Der Kölner Stadt-Anzeiger schickte ein Aufnahme-Team, um die Zeremonie zu filmen; der Clip findet sich hier.

„Agora“ und „Das weiße Band“

Nach dem Rahmenprogramm wurde um 19:00 Uhr der semidokumentarische Film „Agora – die Säulen des Himmels“ gezeigt. Er veranschaulicht, wie das aufstrebende Christentum im 4. Jahrhundert die bestehende antike Hochkultur zerstörte. Wer mehr dazu wissen will, dem sei Rolf Bergmeiers Buch „Schatten über Europa – Der Untergang der antiken Kultur“ empfohlen.

Um 21:30 Uhr folgte der Film „Das weiße Band“. Dieser wirft einen kritischen Blick auf den im Norddeutschland vor dem ersten Weltkrieg vorherrschenden sittenstrengen Protestantismus, der durch die ihm innewohnende Unterdrückung, Verachtung und Misshandlung den Übergang vom Wilhelminismus zum Nationalsozialismus begünstigte.

Fazit

Es war eine gut besuchte Veranstaltung mit angemessener Filmauswahl, in Gesprächen äußerten die Gäste ihre Betroffenheit über die ausgewählten Themen. Noch in derselben Nacht erreichten den IBKA weitere Mitgliedsanträge; auch zwei kritische Mails trudelten ein.

Markus Liese schreibt unter dem Betreff ‚Feiertagsgesetz ändern‘:
„Guten Tag Herr Ponitka
Ich möchte Ihnen sagen dass ich es lächerlich finde das sich der IBKA und Sie sich über einen von 51 Freitagen im Jahr aufregen wegen eines gesetzlichen Tanzverbotes.
Das Lustige finde ich bei Ihnen und Ihren Aktivisten das sie dennoch sich über freie Tage sowie über Wochenenden wo sich nicht arbeiten brauchen freuen. Trotzdem sprechen Sie sich für eine Änderung des Feiertagsgesetzes aus sollte die von Ihnen gewüschte Änderung eintreten ist das erst der Anfang von einer 7 Tage Arbeitswoche da es dann auch nicht mehr lange dauert bis das Wochenende abgeschafft wird und die Arbeitnehmer JEDEN TAG mit Ausnahme der 30 Urlaubstage arbeiten dürfen. 
Gut, der Vorteil wäre das sich die Regierung keine Gedanken mehr um das Renteneintrittsalter machen muss da man es höchstens noch erreicht würde man es auf 40 Jahre heruntersetzen. Ich hoffe das dann IHR Verein in allen Zeitungen als Hauptverantwortlicher genannt wird und das man ihnen und dem Verein endlich die VERACHTUNG entgegenbringt die sie seit der Gründung verdienen.“

Ein weiterer – anonymer Schreiber – teilt zur Ent-taufung mit: „Ihre lange, spitze Nase zeigt mir, dass der Teufel von Ihrem Geist Besitz ergriffen hat. Weiche Satan weiche von dieser Frau. Führe sie wieder auf den rechten Weg. Ich bete für Sie. Gruß, Norbert“

Zumindest dem zweiten Absender kann man guten Gewissens mit Sigmund Freud antworten: „Ich bin gewiss nicht der erste, dem die Ähnlichkeit der sogenannten Zwangshandlungen Nervöser mit den Verrichtungen aufgefallen ist, durch welche der Gläubige seine Frömmigkeit bezeugt.“ (Aus: „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“.)

Landessprecherin Petra Daheim zog ihr Fazit: „Es bleibt abzuwarten, ob und wann der Gesetzgeber reagiert. Der Druck der Bürger steigt zwar, allerdings ist das Ignoranzpotential der in der Landesregierung vertretenen Parteien bislang beachtlich hoch. Die phlegmatische Haltung wird die Politik jedoch in naher Zukunft aufgeben müssen, da die Gegner des Feiertagsgesetzes in der bestehenden Form sich gerade erst warmgelaufen haben.“

rp