Drei Fragen an... Jürgen Kunz

In Trier findet vom 15. bis 17. Juni der Kongress ¡Die erschöpfte Theorie? – Evolution und Kreationismus in Wissenschaften statt. Im Vorfeld stellt der hpd die Referenten und ihre zentralen Thesen in Kurzinterviews vor.

 

Dr. Jürgen Kunz studierte Ethnologie, Biologie (Anthropologie) sowie Sozialpsychologie und arbeitet als Lehrbeauftragter an der Universität Trier. Sein Vortrag „Die Verhaltensökologie der Religion: nützliche Illusion in einer aufgeklärten Gesellschaft?“ findet am Freitagabend (19.3o Uhr)statt.

 

hpd: In der Zusammenfassung ihres Beitrages schreiben Sie, es sei „‘natürlicher’, religiöse Vorstellungen zu entwickeln und sinnlich wahrzunehmen als wissenschaftliche“. Warum sollte das so sein? Wenn ich durchs Senckenberg Museum zu Frankfurt gehe, wird Evolution für mich sinnlich erfahrbar, ein Engel ist mir noch nie begegnet...

Jürgen Kunz: Das stimmt. Aber das liegt nicht an Wissenschaft vs. Religion, sondern am Senckenberg Museum. Wenn Sie durch eine Kirche gehen, können Sie Engel durch die bildliche Darstellung oder die Atmosphäre ggf. sinnlich wahrnehmen. Religion, also die Vorstellung übernatürlicher Akteure, bedient zentrale, in der Evolution unserer Vorfahren entstandene Erkenntnissysteme, wie z.B. Aktivität-und-Wirkung, Jagd-und-Beute/Fressfeind, Tod, Moral oder sozialer Austausch. Hinzu kommen Rituale, die den Eindruck erwecken, soziale Ereignisse würden durch sie bewirkt. Religion setzt auf Sinnlichkeit. Denken Sie an den Geruchssinn (Weihrauch o.ä.), Musik und Tanz (sogar bei den Taliban wird gesungen, obwohl sie Musik verboten hatten) sowie Spiritualität (Selbstvergessenheit, Hang zur Mystik, Erfahrung einer höheren Realität), bei der eine alltagstranszendierende Wahrnehmung aktiviert wird. Wissenschaft hingegen widerspricht häufig der Intuition und ist nur mit speziellem wissenschaftlichem Werkzeug nachvollziehbar.

hpd: Inwiefern ist es für Gläubige aus verhaltensökologischer Sicht nützlich, die Existenz eines intelligenten Designers anzunehmen?

Jürgen Kunz: Religion dient entwicklungsgeschichtlich u.a. der Lösung von Festlegungsproblemen im sozialen Kontext. Das funktioniert nur, wenn die übernatürlichen Akteure nicht existieren bzw. nicht empirisch belegbar sind. Deshalb spielt es überhaupt keine Rolle, wer die Welt erschaffen hat. Soll der Gott, an den geglaubt wird, aber mächtig und unfehlbar sein, liegt die Forderung nahe, dass er auch die Welt erschaffen hat. Nützlich sind diese Vorstellungen vor allem für Apologeten des Intelligent Design. Sie nutzen die Religiosität der Gläubigen und somit die christlichen Vorstellungen (oder anderer Religionen) eines Schöpfergottes für ihre Interessen. Auch für evangelikale Gruppen ist diese Vorstellung nützlich. Denn warum sollte Ihnen jemand glauben, dass sie einen besonderen Draht zu Gott haben, wenn noch nicht einmal das zutrifft, was in der Bibel steht?

hpd: Halten Sie es für sinnvoll, Schöpfungsvorstellungen im Biologieunterricht zu erörtern?

Jürgen Kunz: Es ist nur wenig sinnvoll, nur zu glauben, dass Evolution stattgefunden hat. Der Biologieunterricht sollte bezüglich der Evolutionstheorie vermitteln, warum diese die Entstehung der Arten erklären kann und die Schöpfungstheorie nicht. Erst wenn man verstanden hat, was eine wissenschaftliche Theorie und was eine Ideologie ist, deren Vertreter vorgeben, etwas zu wissen, obwohl ihre religiösen Theorien ausschließlich auf Nichtwissen beruhen, hat man auch die Evolutionstheorie verstanden.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

Weitere Informationen zum Kongress.